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18 Übernachtungsplätze für Wohnungslose in Wannsee: Kältehilfe startet im Bezirk am 1. November

Veröffentlicht am 14.10.2021 von Boris Buchholz


Zur Kältehilfe gehören Übernachtungsangebote, Suppenküchen, Kleiderkammern und medizinische Hilfe. Die Aktion „Warmes Essen“ in Zehlendorf sucht nach einer neuen Küche. Foto: milaa gGmbH

 

18 Übernachtungsplätze für Wohnungslose in Wannsee: Kältehilfe startet im Bezirk am 1. November. Berlinweit sind am 1. Oktober Angebote der Kältehilfe gestartet: Laut Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales waren zunächst 500 Notübernachtungsplätze verfügbar, im Laufe der „Saison“ sollen es etwa 1.000 Plätze werden. In Steglitz-Zehlendorf wird es auch in diesem Winter nur 18 Übernachtungsplätze für Männer und Frauen geben. Im Haus des Bezirks in der Bergstraße 4 in Wannsee startet der Betrieb am 1. November. „Die Einrichtung kann wegen der weiterhin bestehenden coronabedingten Einschränkungen nur in reduziertem Umfang betrieben werden“, teilte Sozialstadtrat Michael Karnetzki (SPD), er hatte das Amt im Juni vom ausgeschiedenen Stadtrat Frank Mückisch (CDU) übernommen, dem Tagesspiegel mit. Eigentlich ist in der Bergstraße Platz für 30 Übernachtungsplätze. Betrieben wird die Unterkunft in diesem Winter vom Träger „Neue Chance Berlin“.

Ein Problem für die Obhut suchende Menschen ist, dass sie morgens die Unterkünfte verlassen müssen und erst abends wiederkommen dürfen. Erstmals wird es in Berlin in diesem Winter drei Einrichtungen für etwa 200 obdachlose Menschen im Tag-und-Nacht-Betrieb (24/7) mit Beratungs- und Versorgungsangeboten geben, teilte die Senatsverwaltung mit. „Um die Obdachlosigkeit in Berlin bis zum Jahr 2030 zu überwinden, brauchen wir auch weitergehende Angebote“, begründet Sozialsenatorin Elke Breitenbach das neue Angebot. Finanziert werden die drei Einrichtungen, keine liegt in Steglitz-Zehlendorf, aus EU-Mitteln. Bis 2023 stehen dafür 11,4 Millionen Euro zur Verfügung.

 


Im Haus in der Bergstraße 4 in Wannsee stehen 18 Übernachtungsplätze für Frauen und Männer zur Verfügung. Foto: Boris Buchholz

 

„Dieses Angebot ist aus fachlicher Sicht sehr sinnvoll“, kommentiert Stadtrat Karnetzki das neue Angebot des Senats. Für den Bezirk sei eine solche Einrichtung aber nicht nötig: Laut der jüngsten Zählung habe Steglitz-Zehlendorf nur einen Anteil von zwei Prozent an der Straßenobdachlosigkeit in Berlin und „ist damit kein Schwerpunktbezirk“. Im Winter 2020/21 habe die Auslastung der Bergstraße 4 bei 77 Prozent gelegen, im Schnitt seien 14 der 18 Plätze belegt gewesen. Michael Karnetzki: „Geht man davon aus, dass die Zielgruppe von Kältehilfe und 24/7-Einrichtungen identisch ist, würde sich für eine solche Einrichtung nur in diesem Bezirk kein ausreichend großer Nutzendenkreis finden.“

Das sieht Schwester Heike Erpel anders. Sie leitet das Projekt „Warmes Essen“ der milaa gGmbH (milaa steht für „miteinander leben, aber anders“), einer Tochterfirma des Evangelischen Diakonievereins Berlin-Zehlendorf. „Es gibt auch hier viele wohnungslose Menschen“, sagte sie dem Tagesspiegel am Telefon. Die 18 Übernachtungsplätze in Wannsee reichten nicht aus. Ausdrücklich begrüßt sie die neuen 24/7-Angebote, „im Winter ist es auch tagsüber kalt“. Zudem müsse bedacht werden, dass die Gäste oft viel Gepäck dabei hätten, das trocken gehalten werden müsse. Wenn man sich nicht Sorgen darum machen müsste, wo man den Wintertag verbringen kann und ob man abends wieder einen warmen und trockenen Schlafplatz findet, könnte die Seele auch einmal baumeln, diese Auszeit sei wichtig und erholsam.

Ebenso wichtig wie eine warme Unterkunft ist auch eine gute Mahlzeit. Dafür sorgt unter anderem die Aktion „Warmes Essen“ in der Pauluskirche gegenüber vom Rathaus Zehlendorf: Jeden Montag, Mittwoch und Freitag versorgen 25 Ehrenamtliche zwischen 60 und 70 Gäste. Seit diesem Jahr ist die Aktion „Warmes Essen“ ganzjährig aktiv. Wer bedürftig ist, habe auch im Sommer Hunger. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir im Sommer mehr Teilnehmende haben als im Winter.“ Schwester Heike weiß warum: Die Angebote der Kältehilfe enden im Frühjahr, im Sommer sind die Hilfsangebote ausgedünnt. Es seien nicht nur Obdachlose, die zum Essen kämen, sondern vor allem Bedürftige. Viele Ältere seien darunter, Altersarmut sei ein wachsendes Problem im Bezirk. Auch der Frauenanteil nehme immer weiter zu. Das Bezirksamt unterstützt die Aktion „Warmes Essen“ finanziell bei den Verwaltungs- und Personalkosten. „Das Essen wird komplett durch Spenden finanziert“, erklärt die Projektleiterin. 

Doch jetzt hat das „Warme Essen“ ein konkretes Problem: Es wird dringend eine neue Küche gesucht. Die Köchin des Projekts bereitet das Essen für die Gäste frisch zu. „Bisher konnte sie in einem Kochstudio kochen“, sagt Heike Erpel, doch jetzt werde es wieder anderweitig genutzt. Deshalb sucht das Projekt nach einer neuen Kochgelegenheit, eine „normale Restaurantküche“ würde reichen, so die Projektleiterin. Im Idealfall befände sich im Umfeld der Küche auch ein Ort für die Ausgabe, „da müssten 30 bis 40 Teilnehmende sitzen können“.

 


Schwester Heike Erpel leitet die Aktion „Warmes Essen“. Spenden werden auch mit einem Lastenrad abgeholt. Foto: milaa gGmbH

 

Auch ein neuer Ort für die Kleiderkammer wäre wünschenswert. Immer montags können sich die Gäste des Warmen Essens mit Kleidung und Schuhen versorgen. Gelagert werden die Anziehsachen im Keller der über hundertjährigen Kirche – und der ist feucht. „Die Küche hat aber auf jeden Fall Priorität“, stellt Heike Erpel klar. Zur Zeit muss das Projekt in der Kirche nur für die Reinigung aufkommen, aber „natürlich“ sei künftig auch eine Mietzahlung möglich.

  • Küche gesucht. Wenn Sie bei der Suche nach einer neuen Küche mit oder ohne Speiseraum beziehungsweise mit neuen Räumlichkeiten für die Kleiderkammer helfen können: Sie erreichen Heike Erpel unter der Mobilnummer  0176 / 41 80 24 03 oder per E-Mail unter erpel@milaa-berlin.de.

 

Text: Boris Buchholz
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