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Eltern fordern eine neue Ampel und einen sicheren Schulweg in Südende: Nicht nötig, sagt das Amt

Veröffentlicht am 25.11.2021 von Boris Buchholz

„Alle gehen dort hinüber“, sagt Elternvertreter Friso Friese. Mit „dort“ ist der Steglitzer Damm gemeint, auf Höhe des S-Bahnhofs Südende – genauer an der Kreuzung mit der Buhrow- und Grabertstraße. Erwachsene, die zum Bus nach Steglitz oder zur S-Bahn in die Innenstadt wollen. Berufsschüler, die von der S-Bahn zum Oberstufenzentrum Gestaltung im Immenweg eilen; Kita-Eltern mit Laufrad und Anhang, die es zur evangelischen Kita Südende oder zur katholischen Kita St. Johannes Evangelist zieht. Und auch einige Kinder der Grundschule am Insulaner – Vater Friso Friese ist dort im Verkehrsausschuss aktiv.

Der vor dem S-Bahnhof fünfspurige Steglitzer Damm brummt vor Autos. Laut Zählungen des Senats fahren an Werktagen 24.900 Autos in 24 Stunden am Bahnhof vorbei, es ist der am stärksten befahrene Abschnitt des Steglitzer Damms. Das liegt unter anderem an den Menschen aus Lankwitz und Mariendorf, die über den Steglitzer Damm nach Steglitz oder zwei Ecken weiter über den Munsterdamm zur Stadtautobahn wollen. Außerdem sorgt der Verkehr aus der Crailsheimer Straße, sie führt direkt entlang der S-Bahn Richtung Lankwitz Kirche und ist ein beliebter „Schleichweg“, für einen in Stoßzeiten fast ununterbrochenen Verkehrsfluss: Entweder die Autos auf dem Steglitzer Damm haben Grün, oder die Einbieger aus der Crailsheimer Straße.

Für die Kinder der Grundschule am Insulaner ist der Verkehr am Steglitzer Damm schwer zu überblicken. Kinder, die in der Nachbarschaft um die Buhrowstraße wohnen, müssen die Hauptstraße zweimal täglich überqueren. Wer sicher über die Straße will, müsste diesen Weg wählen: Von der Buhrowstraße in den Steglitzer Damm einbiegen, über die Ampel die Crailsheimer Straße queren. Dann auf Grün warten und sich von den Lichtzeichen über den Steglitzer Damm leiten lassen. Jetzt muss der Steglitzer Damm wieder zurück gelaufen werden, bis zur Kreuzung mit der Buhrowstraße, dann geht es rechts in die Grabertstraße zur Schule. Ein Umweg von einigen hundert Metern.

Die meisten Menschen – egal ob alt oder jung – gehen diesen längeren, aber sichereren Weg nicht. Bei einer Verkehrszählung der Eltern an einem Oktobermorgen zählten sie an der Ecke Buhrow- / Grabertstraße / Steglitzer Damm zwischen 7.20 und 8.20 Uhr 1800 Autos – das macht 30 Autos pro Minute, alle zwei Sekunden braust ein Fahrzeug vorbei. In der gleichen Stunde überquerten 330 Fußgängerinnen und Fußgänger den Steglitzer Damm an der Kreuzung. 119 von ihnen gingen einfach direkt vor dem S-Bahnausgang über die Straße. 151 nutzten die östliche Seite der Kreuzung, 60 weitere die östliche.

Natürlich würden die Kinder dazu angehalten, die bestehende Ampel-Kombination zu benutzen, auch wenn der Weg weiter sei, sagt Vater Friese. „Doch man muss als Eltern befürchten, dass sie es alleine irgendwann nicht mehr tun.“ Es sei verführerisch dort den Steglitzer Damm zu überqueren, „wo alle über die Straße gehen“. Auch der Laufbus, eine Initiative bei der sich die Schulkinder zu festen Zeiten treffen und in Begleitung zur Schule gehen, würde aktuell keine Sicherheit bieten. „Wegen Corona und den Abstandsgeboten ist der Laufbus zur Zeit eingestellt“, berichtet Friso Friese. Die Laufbus-Linie 2 über den Steglitzer Damm läuft nicht. Die Elternschaft bemühe sich, den Laufbus bald wieder aufs Trottoir zu bringen. Aber, gibt der Vater zu  bedenken, den Laufbus gebe es nur zum Schulbeginn – mittags seien die Kinder wieder auf sich gestellt.

Deshalb setzt sich die Schule für neue Ampeln an der Buhrow- und Grabertstraße ein. Bisher gibt es dort eine Querungsoption über den Mittelstreifen, ohne Lichtzeichen oder Zebrastreifen. Im Dezember 2020 startete der Verkehrsausschuss der Schule eine Online-Petition, über 340 Unterstützerinnen und Unterstützer haben unterschrieben. Auch die Eltern der evangelischen Kindertagesstätte Südende – die Kita liegt in der Buhrowstraße – haben Unterschriften gesammelt. Das Engagement zeigte Erfolg: Im Mai 2021 beschloss die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einen CDU-Antrag, in dem eine Bedarfsampel gefordert wurde.

Doch die Ernüchterung kam im Herbst. Erst dann erfuhren die Eltern von der Vorlage zur Kenntnisnahme, die Baustadträtin Maren Schellenberg (Grüne) Mitte August der BVV in Sachen Ampel Südende vorgelegt hatte. Der Kernsatz: „Insgesamt sind für eine Ergänzung der Lichtsignalanlage Steglitzer Damm / Crailsheimer Straße keine zwingenden verkehrlichen Erfordernisse erkennbar.“ Obwohl der BVV-Antrag eine neue Ampel an der Kreuzung Buhrowstraße / Steglitzer Damm vorsah, bezieht sich die Vorlage nur auf die Kreuzung eine Ecke weiter östlich.

Das Tiefbauamt argumentiert zusammengefasst so: Eine neue Ampel auf der Brücke vor dem S-Bahnhof würde den Verkehrsfluss aus der Crailsheimer Straße – bis zu 98 Prozent der Fahrzeuge bögen Richtung Steglitz ab – behindern. „Dementsprechend wichtig ist die zügige Abwicklung der Linksabbiegenden, um einen Rückstau zu vermeiden.“ Ein zügig fließender Autoverkehr sei entsprechend höher zu bewerten als der Wunsch nach einer neuen Ampel. Außerdem: „Bei der entsprechenden Verkehrslage ist ein Queren des Steglitzer Damm zu Fuß Gehende auch außerhalb der Fußgängerquerung möglich.“ Ein weiteres Argument sei die polizeiliche Unfallstatistik – „innerhalb des betrachteten Drei-Jahres-Zeitraumes kam es lediglich zu einem Querungsunfall mit Fußgängerbeteiligung“.

Die Vorlage der Stadträtin sorgte bei den Eltern für Enttäuschung und Protest. „Nur die Überschrift beschäftigt sich mit unserer beantragten Querungsstelle!“, moniert der Verkehrsausschuss der Schule in einem Brief an das Bezirksamt. Die Argumentation mit den Unfallzahlen sei „zynisch“. „Ihre Vorlage gewichtet die Abwicklung des Auto-Längsverkehrs auf dem Steglitzer Damm für höher, als die Sicherheit der Querenden und widerspricht damit zentral dem Mobilitätsgesetz Berlin“, schreiben die Sprecherin und der Sprecher der Eltern, Melanie Hartung und Friso Friese. Die Eltern interpretieren die Haltung des Amtes so, „dass bei der Verkehrsplanung des Bezirks ein Bringen der Kinder mit Auto vor der Förderung eines selbstständigen und umweltverträglichen Weges zu Fuß gewichtet wird“.

Auch Rollstuhlfahrer ohne sichere Querungsoption. Neben der Gefahr für Kinder und Erwachsene beim Überqueren des Steglitzer Damms haben die Befürworter einer neuen Bedarfsampel noch ein Argument. Für Menschen im Rollstuhl oder am Rollator ist selbst der Umweg über die Ampel an der Crailsheimer Straße nicht gang- und rollbar. Denn die Bordsteine an der bestehenden Ampel sind durch die Brückenkonstruktion sehr hoch und können auch nicht abgesenkt werden. Wer im Rollstuhl sitzt, muss den anderen Weg an der Buhrowstraße wählen und sich ohne Schutz einer Ampel über den Steglitzer Damm wagen.

Ob trödelige Kinder, langsame Alte oder rollende Menschen: Über die Straße kommt nur, wer schnell ist. „Sie haben keine zehn Sekunden um über die Straße zu gehen, entweder kommen die Autos aus der Crailsheimer oder vom Steglitzer Damm“, berichtet Friso Friese aus dem Alltag in Südende.

Die Eltern der Grundschule am Insulaner trösten sich damit, dass für die Anordnung einer neuen Ampel nicht der Bezirk, sondern der Senat zuständig ist. „Daher sind wir guten Mutes, unser Anliegen auch weiterhin mit Argumenten zu verteidigen und letztendlich Erfolg zu haben“, so Friso Friese. Über Unterstützung und Rückenwind aus der Bezirksverwaltung hätten sich die Aktiven gleichwohl gefreut.