Namen & Neues

1623 Menschen fordern: Mehr. Bürgerbeteiligung. Jetzt

Veröffentlicht am 16.12.2021 von Boris Buchholz

Der Druck auf das Bezirksamt und die Bezirksverordnetenversammlung, für mehr Bürgerbeteiligung zu sorgen, steigt: Vergangene Woche, am 9. Dezember, überreichte die Initiative „Bürger*innenbeteiligung Lichterfelde Ost“ BVV-Vorsteher René Rögner-Francke (CDU) den Einwohnerantrag „Beteiligung stärkt die Demokratie und fördert gemeinnütziges Engagement – auch in Steglitz-Zehlendorf“ – 1623 Unterschriften hat die Bürgerinitiative gesammelt. Stellt das Wahlamt fest, dass darunter mindestens 1000 gültige Unterschriften sind, muss sich das Lokalparlament in einer Frist von zwei Monaten mit dem Antrag befassen. Die Antragsteller, genauer die drei benannten Vertrauenspersonen der Initiative, haben dann auch Rederecht in der BVV.

In dem Antrag wird gefordert, „Bürger*innenbeteiligung an laufenden und geplanten bezirklichen Vorhaben im Bezirk strukturell zu verankern, umfassend zu fördern und professionell umzusetzen“. Konkret wird die Einrichtung einer bezirklichen Koordinierungsstelle für Beteiligung eingefordert; das „angemessen ausgestattete“ Büro soll sowohl die Verwaltung beraten als auch Anlaufstelle für die Bürger sein. Verbindliche bezirkliche Leitlinien für die Beteiligung der Bevölkerung sollen geschaffen werden. Und: Neben der reinen Information der Steglitz-Zehlendorfer sollen in der Regel auch die Partizipationsschritte „Mitwirkung“, „Mitentscheidung“ und „Entscheidung“ gelebte Realität werden.

Die Forderungen sind nicht neu. Das Land Berlin hat sich bereits 2019 die „Leitlinien für Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an der Stadtentwicklung“ gegeben – Stadtbewohnerinnen und -bewohner waren maßgeblich an der Erarbeitung beteiligt worden. Sowohl die umfassende Partizipation der Bevölkerung als auch die Einrichtung der bezirklichen Koordinationsbüros sind darin vorgesehen. Seit 2020 stehen jedem Bezirk jährlich 250.000 Euro für die Koordinierungsstellen zur Verfügung – Steglitz-Zehlendorf hat die Summe weder für 2020 noch für 2021 abgerufen. Auf die Frage, warum der Bezirk 500.000 Euro für Bürgerbeteiligung verfallen ließ, antwortete die damalige Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) Mitte November: „Es gab keinen Anlass die Gelder zu verwenden.“ Meinen Bericht lesen Sie hier.

Neuer Versuch von unten. „Wir setzen darauf, dass die Abgeordneten der neu gewählten Bezirksverordnetenversammlung sich dazu bekennen, in Steglitz-Zehlendorf Leitlinien für Bürger*innenbeteiligung gemeinsam mit Politik, Verwaltung und Bürger*innen zu erarbeiten und damit dem Beispiel anderer Bezirke folgen“, schreibt die Initiative „Bürger*innenbeteiligung Lichterfelde Ost“ in einer Pressemitteilung. Die Hoffnung der Aktiven: Eine fest „verankerte, angemessen geförderte und professionell gestaltete“ Partizipation könnte zu einer guten Zusammenarbeit von Bürgerschaft, Politik und verwaltung führen – auf Augenhöhe.

Warum in Steglitz-Zehlendorf mehr Bürgernähe und -mitbestimmung Not tut, hat jüngst die Debatte um den Erhalt des Zeitungskiosks vor dem S-Bahnhof Lichterfelde-West gezeigt (siehe nächste Meldung). Wie Mitbestimmung in Zukunft aussehen könnte und welche Schritte Bezirksamt und BVV nun gehen sollten, hatte schon im April Dorit Grieser im Interview mit dem Steglitz-Zehlendorf-Newsletter umrissen. Zusammen mit Sabine Moser und Stephan Voß ist sie Sprecherin der Initiative aus Lichterfelde. Das lebendige Gespräch finden Sie auf tagesspiegel.de.

Jetzt ist das Wahlamt am Zuge und muss die Unterschriften prüfen: Der Einwohnerantrag wird aller Voraussicht nach in die Januarsitzung der BVV eingebracht werden. Bei den Linken und den Fraktionen der Ampelkoalition dürfte die Initiative mit dem Einwohnerantrag offene Türen einrennen. Bei der Präsentations-Pressekonferenz des neuen Bündnisses von Grünen, SPD und FDP Ende November sagte Ruppert Stüwe, SPD-Kreisvorsitzender und frisch gewählter Bundestagsabgeordneter, auf die Frage, ob im kommenden Jahr das Geld des Senats in Anspruch genommen und eine Anlaufstelle für Bürgerbeteiligung ins Leben gerufen werde: „Wir sind zwar nicht das Bezirksamt, aber ja.“ Ein drittes Jahr sollen die 250.000 Euro nicht verfallen.