Namen & Neues
Vorlesungsstart an der FU: Präsent unter Kirschblüten
Veröffentlicht am 21.04.2022 von Markus Hesselmann
Mit dem Semesterstart an der Freien Universität ist es immer so eine Sache. Offiziell beginnt er für die meisten Studierenden Mitte April, wenn die Kirschblüten vor der Holzlaube rosa leuchten und man auf dem Innenhof bereits in der Sonne sitzen kann. Inoffiziell mussten viele bereits vor einigen Wochen, als es noch grau und verregnet war, den zumeist langen Fahrweg auf sich nehmen, um ihr Semesterticket zu erneuern. Anders als beispielsweise an der Technischen Universität, wo das Ticket automatisch verlängert wird, sobald die Semestergebühren bezahlt sind, ist das an der FU nämlich nur an den dafür vorgesehenen Automaten auf dem leeren Campus-Gelände möglich. Der Anblick der ausgestorbenen Korridore dürfte all jene, die sich während der vorlesungsfreien Zeit auf den Weg nach Dahlem gemacht haben, allerdings nicht allzu sehr irritiert haben. Vielmehr ist er im vergangenen Semester, als ein Großteil der Veranstaltungen wieder digital stattfand, ein Stück weit zur Normalität geworden.

Umso mehr freuen sich nun viele darüber, dass alle Kurse vorrangig in Präsenz stattfinden sollen, so auch Frederik K., der Englisch und Politikwissenschaft auf Lehramt studiert. Die Semesterferien waren für ihn etwas länger als üblich, weil er im Wintersemester ein Praxissemester absolvierte, das bereits Ende Januar endete. Die vergangenen Wochen belegte er einen Sprachkurs in Spanien, wo es zwischenzeitlich sogar etwas kälter als in Deutschland war. Aber nicht nur aufgrund des sonnigen Wetters freue er sich auf das neue Semester, sagt Frederik. „Das hat sicher einerseits damit zu tun, nach mehreren Distanzsemestern wieder auf dem Campus sein zu können, aber auch damit, nach dem Praxissemester und dem damit verbundenen Einblick in die Berufspraxis noch einmal die volle Uni-Experience mitzunehmen und zu genießen.“
Besonders die soziale Dimension der Rost- und Silberlaube, dem Hauptgebäude der Uni, habe er vermisst. Gleichzeitig macht er sich Sorgen wegen der Corona-Situation. „Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir das Infektionsgeschehen mit Masken und offenen Fenstern gut eindämmen können werden, aber ich hoffe, dass die allgemeine Akzeptanz zum Tragen der Maske auch über das Semester hinweg bestehen bleibt.“
Ähnlich ergeht es Carlo B., der Gender, Intersektionalität und Politik im Master studiert und den Großteil der Semesterferien damit verbracht hat, eine Hausarbeit zu schreiben. Die ersten Kurse fanden für ihn bereits zu Beginn der Woche statt. „Es war schön, einige Kommiliton*innen wiederzusehen und die Kurse in Präsenz zu haben. Ich erhoffe mir davon, dass ich viel mehr davon mitnehme und lerne, als wenn ich den Tag lang nur vor dem Computer sitze und schwarze Kacheln sehe.“ Besonders schön sei es gewesen, sich vor und nach den Seminaren mit anderen Teilnehmer*innen über die Kurse auszutauschen und gemeinsam in die Mensa zu gehen, die nun ebenfalls wieder geöffnet ist. „Das hat mir im letzten Semester auf jeden Fall gefehlt. Und in den Semesterferien, als ich die Hausarbeit geschrieben habe, hat es sich manchmal ganz schön einsam angefühlt.“
Aber nicht nur die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind im Uni-Alltag deutlich spürbar, sondern auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. „Einige Dozierende haben ihre Seminarpläne mit Hinblick auf den Angriffskrieg umgeschrieben und angepasst, beispielsweise war meine erste Aufgabe die Rede von Olaf Scholz zur sogenannten Zeitenwende zu analysieren“, erzählt Carlo B. Fachbereiche wie das Otto-Suhr-Institut haben ihren Dozierenden schon im März empfohlen, die Fristen für Studierende mit ukrainischer Staatsbürgerschaft oder Studierende, die durch den Angriffskrieg betroffen sind, zu verlängern.
Inwiefern sich hybride Konzepte aus den vergangenen Pandemie-Semestern langfristig etablieren, wird sich voraussichtlich in den kommenden Monaten zeigen. Der Studierendenvertreter Janik Besendorf ist jedenfalls skeptisch: „Ich sehe gerade mit Sorge, dass wir alles beiseitelegen, was wir gelernt haben und wieder Lehre wie vor drei Jahren machen.“ Er erhielt gleich an seinem ersten Tag eine Mail, in der der Dozent klarstellte, dass „wir uns natürlich in Präsenz treffen“ und es kein Onlineangebot gebe. Er sieht ein großes Problem in der Umsetzung der digitalen Inhalte: „Für mich als jemand, der neben dem Studium berufstätig und hochschulpolitisch aktiv ist, war es deutlich einfacher mit Onlineangeboten bestimmte Dinge miteinander zu vereinbaren.“
Sich asynchrone Vorlesungen anschauen zu können, sei zum Beispiel ein großer Gewinn. Er hält es für einen Fehler, hybride Angebote nicht von vornherein mitzudenken – „auch was die Unsicherheit der Coronasituation angeht“. Außerdem ist der Fahrweg für die meisten nicht gerade kurz. So lohnenswert der Anblick der rosa blühenden Bäume vor der Holzlaube auch ist.
- Text: Inga Hofmann und Tilmann Warnecke
- Foto: Bernd Wannenmacher/FU Berlin