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Die Antenne ist vom Turm: Bildungsstadträtin lehnt Mobilfunkantenne auf dem Arndt-Gymnasium ab
Veröffentlicht am 23.06.2022 von Boris Buchholz
Überraschende Wende im Dahlemer Antennenstreit: Erst berichtete Bildungsstadträtin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) in der gestrigen Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung akribisch, wann die Telekom auf den Bezirk zugekommen sei, wer dann was in Sachen Antenne auf dem Schulturm des Arndt-Gymnasiums unternommen habe, wann sie mit Vertreterinnen und Vertretern der Kontakt hatte. Dann zerpflückte sie die Argumente der Schulgemeinschaft gegen die 5G-Anlage – und beendete ihre Rede mit dem Satz: „Ich habe heute den Antrag der Telekom abgelehnt, um zu einer sachlichen Debatte zurückzukehren.“ Die Antenne ist vom Turm.
Die Freude, die das Dutzend anwesender junger und alter Arndter im Foyer des Bürgersaals zum Ausdruck brachten, hörte man trotz der kurzzeitig geschlossenen Türen zum Sitzungssaal gut. Der Einwohnerantrag der Schulgemeinschaft und weiterer Bürgerinnen und Bürger, 1518 Menschen hatten die Petition gegen die Mobilfunkanlage auf dem denkmalgeschützten Schulgebäude unterschrieben (hier mein Bericht), war der erste Punkt der Tagesordnung gewesen. Martin Möckel, der Vorsitzende der Gesamtelternvertretung, hatte in seiner Rede, die die Aussprache eröffnete, fünf Argumente gegen die High-Tech-Maschine aufgeführt: Es sei unklar, wie weit die Strahlen die Konzentrations- und Merkfähigkeit der Schülerinnen und Schüler beeinflusse, „die Unbedenklichkeit muss belegt werden“. Dann der Naturschutz: „Die Brutmöglichkeiten für die Turmfalken werden durch die Anlage verhindert.“ Auch aus Denkmalschutzgründen sei die Antenne für Handys nicht zu vertreten. Die Schule sei nicht angemessen in den Entscheidungsprozess eingebunden worden, Stellungnahmen der Schulgremien seien ignoriert worden, das Verfahren sei intransparent geführt worden. Und schließlich: Bei Veranstaltungen der Schule sei es Tradition, auch Führungen auf den Turm anzubieten. „Das Betreten des Turms wird durch die starken Strahlen auf Dauer verhindert.“
Waagerechte Strahlen. Obwohl die Ablehnung des Antrags der Telekom schon beschlossen war, widersprach die Stadträtin. „Es ist keine Beeinträchtigung der Turmfalken zu erwarten“, konterte Cerstin Richter-Kotowski. Die Anlage könne so gestaltet werden, dass die Denkmalschutzbehörde zufrieden wäre – und selbst die Senatsverwaltung für Wirtschaft und Energie sehe die Strahlenbelastung in einer Handreichung als unkritisch an. „Derjenige, der sich damit beschäftigt hat, weiß, dass die Strahlen beim Mobilfunk waagerecht ausgestrahlt werden und nicht ‚herunterfallen‘.“ Bliebe die Begehung des Turms. Und hier wurde es interessant.
Besuchsverbot. „Es handelt sich beim Arndt-Gymnasium um einen Uhrenturm, es ist kein Aussichtsturm“, sagte die Schuldezernentin. Ähnliche Türme gebe es am Droste-Hülshoff-, am Schadow-Gymnasium und an diversen weiteren Schulgebäuden im Bezirk. Die Türme seien beim Bau der Gebäude nur für Wartungsarbeiten an den Uhren gedacht gewesen, nicht zum Betreten für die Schulöffentlichkeit. Aus Sorge vor Unfällen „hat das Sport- und Schulamt diese Woche noch einmal an alle diese Schulen geschrieben, dass die Türme nicht betreten werden dürfen – auch nicht am Arndt-Gymnasium“. Weiter sagte sie fast drohend: „Wir werden das im Sport- und Schulamt auch durchsetzen.“ Um eine Turmbesteigung bei Schulfesten wieder zu ermöglichen, könne man möglicherweise den Turm „ertüchtigen“.
Uhren- zum Aussichtsturm. Einzig die CDU-Fraktion war von der Entscheidung gegen die Mobilfunkantenne und dem ausgesprochenen Besteigungsverbot nicht überrascht. Fraktionschef Torsten Hippe meldete sich zu Wort und sagte: „Es steht dem nichts entgegen, den Uhrenturm zum Aussichtsturm zu machen.“ Er brachte einen Ergänzungsantrag zum Einwohnerantrag ein, in dem das Bezirksamt aufgefordert wird, für eine Ertüchtigung des Turms zu sorgen – „schnellstmöglich“.
„Retourkutsche.“ Der Co-Fraktionsvorsitzende der Linken, Dennis Egginger-Gonzalez, zeigte sich überrascht über den Ton, den die Stadträtin anschlug: „Das erweckt den Eindruck, dass eine Retourkutsche mitschwingt.“ Zudem kritisierte er, dass Cerstin Richter-Kotowski im Schulausschuss ganz anders argumentiert und von einem Funkloch in Dahlem berichtet habe, dass nur durch eine Arndt-Antenne gestopft werden könnte. Andere Rednerinnen und Redner stimmten seiner Darstellung später zu. „Ich bin alter Arndter und ich bin noch nicht vom Turm gefallen“, gab Norbert Buchta (SPD) zu Protokoll. Er begrüßte inhaltlich die Antennen-Kehrtwende der Stadträtin, stellte jedoch fest: „Sie haben mit niemanden geredet, nicht mit der Schule, nicht mit der BVV.“
Bärendienst. Den FDP-Verordneten Sören Grawert erinnerte die Rede der Stadträtin an eine „Gardinenpredigt“. Er stellte fest, dass ihr nicht gelungen sei, „eine konstruktive Lösung zu finden“. Denn natürlich sei der 5G-Ausbau des Mobilfunknetzes von großer Bedeutung. Aber: „Sie haben es geschafft, nicht nur die Schulgemeinschaft zu verärgern, sondern auch der Digitalisierung einen Bärendienst zu erweisen.“
Auch wenn es keine Antenne auf dem Turm geben wird, geht die Debatte weiter. Der Einwohnerantrag wurde ebenso in den Haushalts- und Schulausschuss überwiesen wie ein Antrag der grün-rot-gelben Zählgemeinschaft, in dem „eine ergebnisoffene Diskussion mit allen Beteiligten“ gefordert wird.