Namen & Neues

Statt Kanonenboot die Ex-Botschafterin Namibias: Diskussion um Umbenennung der Iltisstraße angeregt

Veröffentlicht am 21.07.2022 von Boris Buchholz

Der Iltis wird bis zu 46 Zentimeter groß und wiegt maximal 1,7 Kilogramm. Die Iltis war 65 Meter lang und wog beträchtliche 726 Brottoregistertonnen. Nach ihr und ihren vier Schnellfeuer- und sechs Maschinenkanonen ist die Iltisstraße in Dahlem benannt. Nach ihrem Kapitän Wilhelm Lans die benachbarte Lansstraße, nach dem chinesischen Fort, das im Juni 1900 vom Kanonenboot Iltis beschossen wurde, heißt die Takustraße.

„Die Erinnerung an das Gemetzel in China mag legitim sein; die andauernde Ehrung von Lans und seinem Kanonenboot ist es nicht“, finden Christian Walther und Aljosha Saribaf. Beide fordern in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift des Otto-Suhr-Instituts der Freien Universität, der „OSI-Zeitung“, die Umbenennung der Iltisstraße. Christian Walther ist Journalist und Co-Herausgeber der Zeitung, Aljosha Saribaf studiert Politikwissenschaft. Beide wissen, dass die Debatte um die Umbenennung seit zwei Jahrzehnten geführt wird; eine Namensänderung scheiterte an einer jahrelangen schwarz-grünen Mehrheit in der Bezirkspolitik. Erst 2021 wurde eine Informationsstele zu den Namen Iltis, Taku und Lans in Dahlem aufgestellt. „Jetzt aber, mit veränderten politischen Verhältnissen im Bezirk, nimmt die Diskussion erneut Fahrt auf“, schreiben die beiden Autoren.

Und sie haben einen Vorschlag: Die Iltisstraße soll nach Nora Schimming benannt werden. Geboren wurde die spätere Bürgerrechtlerin und Politikerin 1940 in Südwestafrika, dem heutigen Namibia. In den 1960er Jahren studierte sie in West-Berlin an der FU Politikwissenschaft und Afrikanistik, dann war sie jahrzehntelang in der Befreiungsbewegung Afrikas aktiv. Nach der Unabhängigkeit Namibias 1990 kam sie von 1992 bis 1996 als Botschafterin Namibias nach Deutschland zurück. 1997 wurde Nora Schimming für ihren Beitrag zur Festigung der deutsch-namibischen Beziehungen das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen. 2018 starb sie in Windhoek.

Die Umbenennung der 130 Meter langen Iltisstraße am U-Bahnhof Dahlem-Dorf in Nora-Schimming-Promenade „wäre ein Willkommenssignal an die Studenten aus aller Welt“, schreiben die beiden Osi-Autoren. Denn jeder Studierende der größten Uni Berlins kennt die Adresse Iltisstraße 1: Hier ist das Immatrikulationsbüro der Freien Universität und die Studierendenverwaltung angesiedelt. Nora-Schimming-Promenade 1 wäre eine würdigere Anschrift.

Die Diskussion beginnt. Erst vor einer Woche ist die neue Ausgabe der „OSI-Zeitung“ erschienen. Prompt erreichte eine erste Stellungnahme den Tagesspiegel. „Ich bin gegen die Umbenennung“, schrieb Adrian Grasse. Der Dahlemer CDU-Abgeordnete und forschungspolitische Sprecher seiner Fraktion im Abgeordnetenhaus erinnert an einen politischen Kompromiss: „Die erste Zählgemeinschaft von CDU und Grünen in Steglitz-Zehlendorf hatte den Streit um Iltis, Lans und Taku beigelegt, indem ein Erinnerungskonzept mit Gedenkstelen vereinbart wurde, das von den Anwohnern gut angenommen wurde.“ Daher sollte, so plädiert Adrian Grasse, eine Umbenennung nicht ohne Einbeziehung der Straßenbewohnerinnen und -bewohner erfolgen.

Ein Rezept, das schon einmal funktioniert hat: Über eine mögliche Umbenennung der Steglitzer Treitschkestraße durften im Dezember 2012 die Anwohnerinnen und Anwohner abstimmen – die große Mehrheit war dagegen. In der Bezirksverordnetenversammlung schlossen sich CDU und Grüne dem Votum der Anlieger an, der Name des Antisemiten steht noch heute auf dem Straßenschild.

Was sagen Sie: Soll die Iltisstraße nach Nora Schimming benannt werden? Und ist es richtig, dass vor allem die Anwohnenden über einen neuen Straßennamen befinden sollen? Schreiben Sie uns Ihre Meinung – und weil ich kommende Woche von meiner Kollegin Antje Scherer vertreten werde, senden Sie Ihre Position am besten gleich ihr – Sie erreichen Sie unter antje.scherer@tagesspiegel.de.

  • Mehr erfahren: Die frisch erschienene Ausgabe der „OSI-Zeitung“ können Sie hier kostenfrei herunterladen: polsoz.fu-berlin.de. Das Portrait von Nora Schimming finden Sie ab Seite 40.
  • Foto: privat