Namen & Neues
Zum Wettbewerb aufgerufen: Plant, was anstelle der Autobahn A 104 entstehen könnte
Veröffentlicht am 25.08.2022 von Boris Buchholz
Planerinnen und Planer, aufgepasst: Im September lobt der Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg (AIV) die neue Runde des renommierten Schinkel-Wettbewerbs aus. Junge Leute bis 35 Jahre aus den Bereichen Architektur, Bauingenieurwesen, Stadtplanung, Landschaftsarchitektur, Verkehrsplanung und Freie Kunst sind dann aufgerufen, sich konkrete Ideen zu einer städtebaulich brisanten Situation zu machen. Das Thema des kommenden Nachwuchspreises ist der Rückbau der A 104 – und alles, was anstatt der Autobahn auf der heutigen Trasse entstehen könnte.
Die Stichstrecke der Autobahn beginnt Konstanzer Straße und sollte für eine Verbindung zwischen der Stadtautobahn, der Schloßstraße und der A 103 nach Tempelhof sorgen. 1974 wurde der erste, 1980 der letzte Abschnitt der A 104 fertiggestellt. Zur Zeit endet die drei Kilometer kurze Autobahn am Breitenbachplatz in einer Betonbrücke, deren Rückbau das Berliner Abgeordnetenhaus bereits beschlossen hat. Erst wurde die Schildhornstraße, in die die Autobahn mündete zur Tempo-30-Zone, dann erfolgte 2006 die Entwidmung der A 104 als Bundesautobahn. Allein der Senat steht seitdem für die Stummelautobahn in der Verantwortung. Bereits im vergangenen Jahr forderte der Architekten- und Ingenieurverein den Abriss der gesamten ehemaligen A 104 – meinen Bericht lesen Sie hier auf Tagesspiegel Plus. Jetzt will der Verein die städtebauliche Vision durch konkrete Planungen untermauert sehen.

Der Breitenbachplatz heute © Robert Patzschke
Tausende neue Wohnungen. „Über 30 Jahre nach dem Fall der Mauer bietet die gesamte Trasse nicht ausgeschöpfte Baupotenziale für neue Formen innerstädtischer Mischung aus Wohnen, Arbeiten und neuer Mobilität“, erklärt Robert Patzschke, AIV-Vorstandsmitglied und Architekt. Bis zu 6500 neue Wohnungen, Parkanlagen, Gewerbe, Schulen und soziale Einrichtungen könnten auf dem Areal entstehen. Eine Fläche von etwa 142.000 Quadratmetern würde frei werden, so der AIV, allein auf dem stadteigenen Grundstücken könnten 300.000 Quadratmeter neue Bruttogeschossfläche gebaut werden. Würden sich private Investoren anschließen, seien weitere 325.000 Quadratmeter für Wohnen und Arbeiten möglich. Durch den Abriss des gigantischen Betonbauwerks der vierspurigen Straße würden zudem die Russisch-Orthodoxe Kirche, die „Schlange“ und der Bierpinsel wieder besser zu Geltung kommen, ist Robert Patzschke überzeugt.
Fragen an die Nachwuchsplaner hat der AIV zur Genüge: „Wie wird der Umbau der autogerechten Stadt zur lebenswerten Stadt erfolgreich?“, wollen Gesche Gerber und Ernst Wolf Abée, die beiden Vorsitzenden des AIV-Schinkel-Ausschusses, wissen. „Quartier 104 statt Bundesautobahn 104? Welche Verkehrsdichte verträgt die klimagerechte Stadt der Zukunft, welche Einwohnerdichte braucht die Urbanität der Metropole, welche neuen Nutzungen benötigt die resiliente Stadt?“ Fragen, die eine Stadt im Wandel beantworten muss.
Und sie werden beantwortet werden. Die Fragestellung ist in einer Zeit der Abkehr von der autozentrierten Stadt und mit dem Erleben des Klimawandels hochaktuell. Außerdem ist der Schinkel-Wettbewerb mit insgesamt 30.000 Euro dotiert – es lohnt sich. Im September beginnt die Ausschreibung, bis Januar läuft die Anmeldefrist und bis Februar 2023 müssen die Wettbewerbsvorschläge abgegeben werden. Und die Debatte über die Zukunft der Betonmonster und vielspurigen Stummel-Autobahnen, die die Stadt durchschneiden, wird Fahrt aufnehmen.
- Mehr Informationen über den Schinkel-Wettbewerb finden Sie auf aiv-berlin-brandenburg.de. Dort werden im September auch die Ausschreibungsunterlagen zum Download bereitstehen.