Namen & Neues

Die Sanierung des Schadow-Gymnasiums wird das größte öffentliche Bauprojekt des Südwestens: Es wird ein neues Herz gebaut

Veröffentlicht am 10.11.2022 von Boris Buchholz

„Ich bin ziemlich stolz“ und „das Ergebnis ist sehr schön“, meint Schulleiter Andreas Krenz. „Das ist die beste Lösung, alles andere wäre Quatsch“, ist Bildungsstadträtin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) überzeugt. Und Ulrike Kipf (Grüne), die Vorsitzende des Schulausschusses, ergänzt: „Ich finde die Idee großartig, der Ergänzungsbau passt sich gut ein.“ Am Dienstagabend hat das Team der Planerinnen und Planer der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge in der Aula des Schadow-Gymnasiums in der Zehlendorfer Beuckestraße seine Pläne vorgestellt, wie das denkmalgeschützte Gebäudeensemble saniert und für die Zukunft fit gemacht werden soll.

Die Aufgabe ist komplex: Denn 2014 wurde die Schule erweitert, zum Hauptgebäude aus dem Jahr 1914 kam das Gebäude der ehemaligen Beucke-Schule nebenan, gebaut 1904, hinzu – aus zwei unter Denkmalschutz stehenden großen und architektonisch wertvollen Gebäuden wurde eine Schule. Eine Schule, die baulich mehr und mehr bröselt. Dass der Sanierungsbedarf enorm ist, ist spätestens seit dem Gebäudescan 2016 in den Annalen der Stadt festgeschrieben: 2018 wurde von einer Sanierungssumme von 20 Millionen Euro ausgegangen.

Problemfall Sporthalle. Zwischen den beiden Schulhäusern war 2004 eine Sporthalle errichtet worden, 2012 wurde sie um eine Mensa erweitert. Doch der Mensaanbau ist für die heute etwa 1100 Schülerinnen und Schüler viel zu klein. Die Turnhalle verfügt über keine Geräteräume, das Deckentragwerk wurde bereits 2011 saniert. Seitdem steht die Decke unter Beobachtung, sie darf nicht weiter belastet werden; auch ein Brandschutznachweis für das Tragwerk fehlt bis heute. Dass aus den beiden Schulhäusern eine gemeinsame Schule geworden ist, erschließt sich optisch nicht: Wer aus der ehemaligen Beucke-Schule aus dem Fenster in Richtung Hauptgebäude I schaut, blickt nicht auf einen Schulhof, der die beiden Schulteile eint, sondern auf durch hohe Zäune abgetrennte Sportfelder und -flächen.

„Wo ist das Herz dieser Schule?“, fragte Simon Gellert vom Büro Hausmann Architekten zu Beginn seines Vortrags. Es sei vorweggenommen: Das neue Forum, der Treffpunkt, die Agora des Schadow-Gymnasiums soll sich dort entwickeln, wo heute noch die Turnhalle an der Anhaltiner Straße steht. Das Team der Planenden hatte 2019 zusammen mit der Schulgemeinschaft Bedarf, Wünsche und Vorgaben an eine moderne Schule erarbeitet. Es stellte sich heraus: Räume hat die Schule zwar viele, doch sind sie viel zu klein. „45 Quadratmeter für 32 Schülerinnen und Schüler kann nicht funktionieren“, sagt Architekt Gellert. Später belegen Lehrerinnen und Lehrer diese Aussage. „Auf 45 Quadratmetern kann man eigentlich nur Frontalunterricht machen“, berichtet der Geschichts- und Musiklehrer Marek Dippold nach dem Vortrag. Man käme als Lehrer teilweise noch nicht einmal zu allen Schülerinnen und Schülern.

Die Howoge-Planerinnen und Planer haben den dringenden Raumbedarf belegt. In einer Tabelle der Senatsbildungsverwaltung trugen sie die Raumsituation ein. Berücksichtigt man nur die reine Anzahl der Räume, könnten reich rechnerisch 5,9 Züge, also parallel in einer Jahrgangsstufe laufende Klassen, untergebracht werden. Werden alle Räume aus der Rechnung herausgenommen, die dem Musterraumprogramm des Senats nicht entsprechen, reduziert sich die theoretisch-rechnerische Zügigkeit erheblich – und zwar auf 0,7.

Die Planenden der Howoge gingen nun zweistufig vor: Zunächst wurde analysiert, wie viele angemessen große Räume in den beiden Altbauten geschaffen werden könnten, wenn Wände entfernt und neu gebaut würden, wenn Räume anders zugeschnitten werden. So wurden beispielsweise im Hauptgebäude I aus sechs ehemaligen kleinen Klassenzimmern nun vier Klassenräume sowie ein kleineres Zimmer für das Lehrerteam gebildet. Statt 45 sind die neuen Räume bis zu 71 Quadratmeter groß. Nicht nur kleine Räume wurden durch neue Wände vergrößert, auch Doppelstrukturen wurden abgebaut. Denn zum Beispiel weisen sowohl das Haus der ehemaligen Beucke-Schule (Hauptgebäude II) als auch das Hauptgebäude I, das „alte“ Schadow-Gymnasium, jeweils eine Aula auf. Zwei sind eine zu viel, beschlossen Planer und Schule, aus der Schadow-Aula soll ein Selbstlernbereich für Schülerinnen und Schüler samt Bibliothek werden.

Bei den Planungen in den beiden Alt-Gebäuden stellte sich heraus: Weder für die zehnte Klasse ist Platz, noch für die naturwissenschaftlichen Unterrichtsräume. Auch Raum für eine größere Mensa und eine Drei-Feld-Sporthalle fehle. „Es gibt einen Fehlbedarf von 2500 Quadratmetern Programmfläche“, sagt Simon Gellert. Übersetzt in Bruttogeschossfläche bedeutet das, dass etwa 3500 bis 4000 Quadratmeter der Schule noch fehlen.

Und hier kommt das zukünftige Herz ins Spiel. Denn die Planerinnen und Planer empfehlen, die bestehende Turnhalle mit all ihren Macken wieder abzureißen – auch wenn sie erst 2004 erbaut worden ist. Stattdessen soll an der Anhaltiner Straße, etwa mittig zwischen die beiden altehrwürdigen Schulgebäude, ein moderner viergeschossiger Bau entstehen – hinter dem Bau soll dann eine neue Turnhalle gebaut werden. Allerdings: „Der Gedanke ist, die Sporthalle etwas einzugraben und das Dach mit einem Dachgarten zu nutzen“, so Simon Gellert. Wird diesen Plänen gefolgt, schaut die Halle nur mit einem Geschoss über den Boden; ein gelungenes Bau-Beispiel im Bezirk ist die neue Sporthalle der Grundschule am Karpfenteich.

Alleine Sport bildet noch kein Herz einer Schule aus – doch werden zugleich auch noch menschliche Grundbedürfnisse nach Nahrung, Gemeinschaft und Freizeit befriedigt, ist für Pulsschlag gesorgt. Im Erdgeschoss des neuen Bauteils E soll auf 350 Quadratmetern eine Mensa entstehen, daneben findet eine große Küche ebenso Platz wie moderne Sanitäreinrichtungen. Zwischen Mensa und Sporthalle soll eine luftige Passage – ihre Höhe soll sich über drei Stockwerke erstrecken – für eine Verbindung der beiden Altbau-Schulteile sorgen. Im Erdgeschoss und in der ersten Etage „soll das Leben stattfinden, hier kann man sich bei Regen und Hitze treffen“, sagt Simon Gellert.

Im ersten und zweiten Stock von Bauteil E sind die neuen Fachräume für Naturwissenschaften vorgesehen – im ersten Stock befinden sich auch die Übergänge zum Garten auf dem Dach der Turnhalle. Der dritte Stock wiederum gehört dem zehnten Jahrgang: Fünf Klassenräume mit einer Raumgröße von je 70 Quadratmetern, drei Teilungsräume und ein Teamraum für die Lehrerinnen und Lehrer befinden sich hier.

Es wird ein Campus. Um den Mensa-Turnhallen-Bau herum wird erstmals Hof- und Erholungsfläche Platz haben – der gesamte Freibereich zwischen den beiden denkmalgeschützten Altgebäuden ist den Schülerinnen und Schülern vorbehalten. Die Sportplätze, die sich zur Zeit noch dort befinden, sollen an die Neue Straße hinter das ehemalige Gebäude der Beucke-Schule verlegt werden.

Barrierefrei und schallgedämmt. Durch die Sanierung und den Umbau der Altbauten sowie den Neubau des Bauteils E werden gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die marode Gebäudesubstanz wird mit neuen Leitungen, Schalldämmung, baulicher und energetischer Sanierung zukunftsfähig gemacht. Zugleich werden alle Bereiche des Schadow-Gymnasiums nach Abschluss der Bauarbeiten komplett barrierefrei zugänglich sein. Und auch den aktuellen Anforderungen zum Beispiel in Bezug auf Brandschutz und Regenwasser wird Rechnung getragen – Architekt Simon Gellert wies darauf hin, dass es zwar teilweise bereits Versickerungsanlagen gebe, doch sie seien zu klein: „Es besteht die akute Gefahr der Überflutung.“

Architektonisch soll das neue Gebäude nicht mit den beiden Altbauten konkurrieren. Es solle „streng, modern, wirtschaftlich und nüchtern“ gestaltet werden. „Wir wollen uns nicht historisierend an eines der Schulgebäude angleichen“, so der Architekt. Etwas Neues, Verbindendes solle in die Mitte zwischen die denkmalgeschützten Häuser gesetzt werden.

Mit dem Baubeginn wird es noch etwas dauern. „Wir haben Planungsphase zwei abgeschlossen, gebaut wird in Phase acht“, dämpfte Simon Gellert die Erwartungen. Jens Wadle, der Leiter Schulbau der Howoge, rechnet nicht damit, dass die heutigen Schülerinnen und Schüler die neue Schadow-Schule noch erleben können. „Aber vielleicht kommen sie als Lehrerinnen und Lehrer zurück“, sagte er. Dafür seien sie ein wenig jung, warf Bildungsstadträtin Richter-Kotowski ein. „Ach, bis wir fertig sind!“, konterte der Howoge-Mitarbeiter – und legte diesen Zeitplan vor:

  • Ende 2023: Einreichung des Bauantrags
  • Ende erstes Quartal 2024: Baugenehmigung
  • Mitte 2024: Der Bau einer Interims-Mensa an der Neuen Straße beginnt; die alte Turnhalle und Mensa wird abgerissen
  • Dann: Neubau des Gebäudeteils E. Danach Auszug der Schule aus Hauptgebäude I in das neue Haus E sowie in ein Interimsquartier auf dem Schulgelände, Sanierung. Anschließend wird das Hauptgebäudes II saniert
  • Ende 2029: Ende aller Bauarbeiten

76 Millionen Euro. Die Sanierung und Erweiterung des Schadow-Gymnasiums wird das mit Abstand größte öffentliche Bauprojekt der kommenden Jahre in Steglitz-Zehlendorf sein: Aktuell wird mit einer Bausumme von 76 Millionen Euro brutto gerechnet – und aktuell bedeutet: Die Zahl stammt aus 2021. Von den aktuellen Verschiebungen von Schulbauprojekten in der Investitionsplanung des Landes Berlin ist die Baumaßnahme nicht betroffen. Die Howoge erhält das Grundstück in Erbpacht und finanziert Sanierung, Umbau und Erweiterung. Das Land Berlin mietet die sanierte Schule dann zurück – nach 37 Jahren endet das Vertragsverhältnis und die Schule gehört wieder dem Bezirk.

Musik- und Geschichtslehrer Marek Dippold kann den Baubeginn kaum erwarten. „Ich hoffe, dass die Sanierung bald beginnt, zur Zeit ist es eine Zumutung.“ Am meisten freue er sich auf die großen Klassenzimmer; „60 Quadratmeter, das finde ich das Wichtigste“. Das neue Gebäude sei beeindruckend, meint Veranstaltungstechniker und Ex-Schadow-Schüler Jan Kirsten, „vor allem der Dachgarten“. Die Planungen seien „überwältigend, funktional und gut durchdacht“, fügt Sophie Newiger, sie unterrichtet Mathematik und Sport, hinzu. „Ich war überrascht, dass es eine neue Sporthalle geben soll und dass man hineingucken kann.“ Mitten ins Herz.

  • Visualisierungen: Planungsgemeinschaft Hausmann – kba