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Gewerbetreibende an der Goerzallee wollen die Goerzbahn reaktivieren: Online-Petition gestartet

Veröffentlicht am 02.03.2023 von Boris Buchholz

Bisher sind 1129 Menschen von der Idee überzeugt: Silvio Schobinger, der Betreiber des Goerzwerks, und diverse Gewerbetreibende an der Goerzallee wollen die bald 120 Jahre alte Bahntrasse entlang des Dahlemer Wegs wieder für die Personenbeförderung beleben: „Ein elektrisch betriebener, autonom fahrender, ‚on demand‘ nutzbarer Schienenbus könnte die knapp acht Kilometer-Strecke vom Rathaus Steglitz via S-Bahnhof Lichterfelde West bis zur Goerzallee in kurzer und angemessener Zeit erschließen und wieder Personen befördern“, heißt es in der Online-Petition, die die Aktiven von der Goerzallee im Januar gestartet haben.

Die Betriebe im größten Gewerbegebiet des Bezirks haben ein Problem: Ihre Firmensitze sind ohne privates Auto nur schwer erreichbar. Car-Sharing sei am Stadtrand nicht möglich, die Anreise mit der Buslinie 285 unzuverlässig. Dadurch sei es für die Unternehmen schwer, Personal zu finden und zu halten. Anusch Guyenz, Sprecherin des Goerzwerks, nennt ein Beispiel: „Wegen der mangelhaften Verkehrsanbindung gibt gerade der Geschäftsführer eines expandierenden Photovoltaik-Unternehmens schweren Herzens seinen Standort an der Goerzallee auf, um in der City-West Quartier zu beziehen, in der Hoffnung, dort mehr Mitarbeiter zu gewinnen.“ Für Unternehmen wie die Anwohnerschaft rund um den Dahlemer Weg wäre die Schiene „eine willkommene Alternative, um beispielsweise in die Stadt zu kommen“.

Die Kommentare zur Petition belegen die bestehenden Schwierigkeiten. Zum Beispiel schreibt Natacha Goyetche: „My journey to work is so long and only depending on the only bus coming here (285) which is almost never on time.“ Silvana Szameitat-Seefeld geht es ähnlich: „Ich arbeite seit 19 Jahren Am Stichkanal/Goerzallee und bin oftmals auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen. Aufgrund der umständlichen und sehr langen Fahrtzeit von meinem Wohnort finde ich eine Optimierung der Strecke sinnvoll.“ Und Stefan Reinhold ergänzt: „Schieneninfrastruktur muss erhalten und genutzt werden. Da ich in der Nähe wohne, würde ich die Bahn selber nutzen.“ Andere Nutzer sehen eine mögliche Entlastung des Dahlemer Wegs vom Autoverkehr, die ökologischen Vorteile und in der Bahnanbindung einen Weg, „um zum Beispiel das Goerzwerk im Südwesten zu erhalten“.

Auf der Website der Petition findet sich nur eine Gegenstimme: Andreas M. würde sich statt der Gleise lieber einen Radschnellweg wünschen. „Dann würden die Radfahrer im Dahlemer Weg auch nicht den Autofahrern in die Quere kommen“, argumentiert er. Zudem sorge ein Radweg nicht für zusätzliche Lärmbelästigung, „ganz im Gegensatz zum Schienenverkehr“.

Die Idee der Befürworter der Goerzbahn ist, entlang des Dahlemer Weges zwei zusätzliche Haltepunkte einzurichten, so dass der Elektro-Zug für die Nachbarschaft besser nutzbar wird. Seit 2022 gehört der Schienenstrang wieder dem Land Berlin. Laut Goerzwerk halte die Deutsche Bahn die Strecke „grundsätzlich für sofort nutzbar“.

2018 rollte der letzte Güterzug den Dahlemer Weg Richtung Goerzallee entlang; dann war Schluss. Die Betriebe im Gewerbegebiet ließen fortan per Lastwagen an- und ausliefern. Doch auch heute liegen die Gleise nicht gänzlich brach: Die AG Märkische Kleinbahn betreibt zwischen Goerzallee und Wupperstraße ein Eisenbahnmuseum – gelegentlich setzt sich ein historischer Zug Richtung Lichterfelde-West in Bewegung. Und vor zwei Jahren war sogar hochmoderne Technik auf der Goerzbahn-Trasse zu Gast: Der ICE-Versuchszug der Deutschen Bahn, das „advanced TrainLab“, rollte im Schneckentempo über die Gleise (meinen Bericht lesen Sie hier).

Die Geschichte: 1905 begann die Zehlendorfer Eisenbahn und Hafen AG den Betrieb der Bahnstrecke; allerdings zogen die ersten zehn Jahre noch Pferde die Bahnen bis an den Teltowkanal. 1918 übernahm die Optische Anstalt von Carl Paul Goerz den Betrieb – und machte genau das, was die heutigen Goerzwerke und ihre Nachbarn nun wieder vorhaben: Die Goerzbahn beförderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an ihre Arbeitsstätten. Bis zu 12.000 Arbeitnehmer waren damals in den Werkstätten, Büros und Fabriken tätig.

  • Zur Petition: Wenn Sie die Idee, die Goerzbahn wieder für den Personenverkehr zu nutzen, unterstützen wollen: Die Online-Petition finden Sie hier.