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Die Pläne zum Bahnhofsumbau: Reaktionen aus dem Bezirk

Veröffentlicht am 09.03.2023 von Boris Buchholz

Die aktuell bei der öffentlichen Auslegung im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens des Eisenbahn-Bundesamts ausgelegten konkreten Planungen für den Um- und Neubau von Teilen des S-Bahnhofs Zehlendorf stoßen im Bezirk auf zum Teil heftige Kritik.

Vollchaos. „Einerseits gut, dass es jetzt die lange gesuchte Klarheit über die Planfeststellungsabsichten von Eisenbahn-Bundesamt und Deutsche Bahn AG gibt“, sagt Reinhard Crome von der Bürgerinitiative Zehlendorf auf Nachfrage des Tagesspiegels. „Andererseits ist klar, dass wir die so ablehnen, weil sie zu Vollchaos und Vollsperrungen in Zehlendorf-Mitte führen.“ Der Hauptkritikpunkt: „Bürgerschaft, Geschäftsleute und Parteien kämpfen seit langem einstimmig für den barrierefreien ‚zweiten Zugang EÜ Postplatz‘ von Martin-Buber-Straße und Machnower Straße aus und für seine Fertigstellung bis 2025/2026!“ Dieser Zugang zu den Gleisen müsse unbedingt fertig sein, bevor die Bauarbeiten am Teltower Damm beginnen, nur so könne „ein leichter, barrierefreier, leistungsfähiger Fahrgastzu- und -abgang gewährleistet werden“. Die Prognose der BI zu den Planungen der Bahn: „Der Zehlendorfer Binnenverkehr wird schwer gestört werden.“

Lange Leidenschaftslosigkeit des Bezirksamts. Dem Anliegen, dem Zugang von Postplatz und Machnower Straße unbedingt Priorität einzuräumen, hatte die BI in einem Schreiben an Verkehrsstadtrat Urban Aykal (Grüne) Mitte Februar noch einmal Nachdruck verliehen; das Schreiben liegt dem Tagesspiegel vor. Reinhard Crome erinnerte darin daran, dass die Diskussion um den Bahnhof schon seit einem bald einem Jahrzehnt geführt werde. „Berlin wird doch wohl ‚kurzfristig‘ (seit 2014) circa 57 Meter DB-Bahn-Unterführung hinbekommen, wo die Schweizer kosten- und fristgerecht circa 57 Kilometer SBB-Doppelröhre Gotthardbasistunnel durch die Alpen realisiert haben“, heißt es in dem Papier. Zugleich erinnert die Bürgerinitiative daran, bereits 2014 exakt 2056 Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern, die den Postplatz-Zugang forderten, an das Bezirksamt übergeben zu haben. Dem Bezirksamt wirft die BI jahrelange Leidenschaftslosigkeit vor. „Erst in dieser Legislaturperiode artikuliert das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf seine konkreten Vorstellungen und Forderungen zu den zweiten Zugängen gegenüber Senat und DB.“

Zu wenig Vorsorge für die Stammbahn. Während die BI Zehlendorf den bisher nicht berücksichtigten Zugang am westlichen Ende des Bahnsteigs kritisiert, sieht Jens Klocksin von der Bürgerinitiative Stammbahn einen anderen Planungsfehler: „Nicht gut ist, dass die Planungen ganz offensichtlich ohne Vorsorge für die Stammbahn erfolgen.“ Zwar werden die Länder Berlin und Brandenburg 26 Millionen Euro für die Vorplanungen zur Reaktivierung der alten Trasse ausgeben, davon sei in den Bahnhofsplänen aber nichts zu bemerken.

Im Gegenteil: „Nach den Planunterlagen werden aber zunächst beide Fernbahngleise und -brücken und der komplette Fernbahnsteig abgerissen“, teilt der BI-Sprecher dem Tagesspiegel mit. „Dann soll ein provisorisches Gleis über eine provisorische Eisenbahn-Brücke geführt werden.“ Später müssten diese Provisorien wieder abgerissen und zwei neue Gleise auf zwei neuen Brücken gelegt werden. Das werde teuer und mache keinen Sinn. „Unser Fazit: Eine Umplanung ist unumgänglich“, so Jens Klocksin. „Es muss jetzt Vorsorge für zwei Gleise und zwei Brücken getroffen werden, und deren Lage muss einen Bahnsteig mit Zugang möglich machen.“ Er empfiehlt, viele Einwendungen „gegen diese veraltete Planung, die die aktuellen politischen Entscheidungen nicht berücksichtigt“, einzubringen.

Auch im Bezirksamt wurde auf die Auslegung der Pläne reagiert. Auf Nachfrage des Tagesspiegels teilte Verkehrsstadtrat Aykal mit, dass sein Straßen- und Grünflächenamt an einer Stellungnahme an das Eisenbahn-Bundesamt arbeite. „Aus unserer Sicht ist der Zugang vom Postplatz aus wichtiger als ein zweiter Aufgang am Teltower Damm“, sagt er am Telefon. „Es ist zielführend, dass der Zugang Postplatz prioritär gebaut wird“, so Urban Aykal. Im vergangenen Jahr sei das auch Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) mitgeteilt worden.

Stadtentwicklungsstadtrat Michael Karnetzki (SPD) erreichte der Tagesspiegel an seinem zweiten Arbeitstag nach längerer Krankheit. Er sei noch nicht dazu gekommen, die Planfeststellungsunterlagen zu sichten. So viel aber vorab: „Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass das Bezirksamt bei seiner bisherigen Haltung bleiben wird: Befürwortung des Ausgangs am Postplatz, Ablehnung des Ausgangs unter der S-Bahnbrücke, weil gefährlich.“ Warum es keine Pressemitteilung des Bezirksamts zur öffentlichen Auslegung gebe und auch auf der Website des Bezirks kein Hinweis zu finden ist, erklärt er damit, dass auf Berliner Seite die Senatsverwaltung für das Verfahren zuständig sei. „Ich werde Ihre Anregung aber gerne prüfen lassen.“

Aus der Bezirksverordnetenversammlung gibt es zum Bahnhofsumbau eine klare Position: Im September 2022 beschloss das Lokalparlament, „dass vor der Sanierung der Brücke über den Teltower Damm und zur barrierefreien Erschließung des Regionalbahnsteigs der Ausgang und Durchgang Postplatz/Machnower Straße für den S-Bahnhof Zehlendorf errichtet wird“. Weiter heißt es im Beschluss: „[Das Bezirksamt] soll sich weiterhin dafür einsetzen, dass für den S-Bahnhof Zehlendorf kein Ausgang unter der Brücke eingebaut wird.“ Grüne, SPD, FDP und Linke hatten diesem Antrag zugestimmt; CDU und AfD stimmten dagegen.

Dass die Bürgerbeteiligung beim Bahnhofsvorhaben begonnen hat, bemerken im Rathaus Zehlendorf auch die Beschäftigten: Das Stadtentwicklungsamt hat dem Eisenbahn-Bundesamt für die Bürger-Einsicht in die Unterlagen einen Raum zur Verfügung gestellt. Jetzt irren manche Interessierte auf der Suche nach Raum E 301 durch den Rathauskomplex und fragen nach dem Weg, berichten Mitarbeitende. Die Antwort lautet: Die Akten und Pläne sind im dritten Stock des Bauteils E zu finden.