Namen & Neues
„Baut den Westzugang zuerst“: Die Bahn hat beim Bahnhof Zehlendorf noch eine Machbarkeitsstudie in der Tasche
Veröffentlicht am 27.04.2023 von Boris Buchholz
Die wesentliche Forderung formulierte Christian Küttner, einer der Sprecher der Bürgerinitiative Zehlendorf, gleich zu Beginn des gestrigen Abends: „Baut den Westzugang bevor der Ostzugang abgerissen wird!“ Über 100 Anwohnerinnen und Anwohner, Gewerbetreibende und Lokalpolitiker waren auf Einladung der Bürgerinitiative am Mittwoch in die Aula des Zehlendorfer Schadow-Gymnasiums gekommen. Das Thema des Abends: Der Umbau des S-Bahnhofs Zehlendorf.
Wie berichtet hatte das Eisenbahn-Bundesamt bis Anfang April die Planfeststellungsunterlagen für die Baumaßnahme öffentlich ausgelegt (hier zu lesen). Das Bezirksamt hat sich in einer Stellungnahme bereits klar gegen die vorgelegten Planungen ausgesprochen: Zehlendorf-Mitte werde in der langjährigen Bauzeit vom Busverkehr abgekoppelt, Umleitung würden über zu kleine Straße geführt, der Behelfsbahnsteig sei zu schlecht zu erreichen – und der seit Jahren im Bezirk gewünschte neue Zugang zu den Gleisen von der Machnower Straße und dem Postplatz aus (das ist der Westzugang) sei nicht Teil der geplanten Maßnahme (meinen Bericht lesen Sie hier). „Für das Bezirksamt ist es sehr wichtig, dass der Zugang Postplatz nicht nur in die Planung integriert wird, sondern auch Priorität gebaut wird“, sagte Verkehrsstadtrat Urban Aykal (Grüne) in der Schulaula.
Auch Hartmut Reupke, der Abteilungsleiter Mobilität in der Senatsverkehrsverwaltung, ist ein Verfechter des Westzugangs. Seit 2017 arbeite er an diesem Thema, damals wäre der Bau des neuen Zugangs auch schon fast vom Senat bei der Bahn bestellt worden, sagt er. Doch als 2018 der Bezirk beim Senat intervenierte, sei es zu einer langwierigen Diskussion gekommen, die die Bestellung verhinderte: Soll auch ein Radweg durch die Unterführung des neuen Zugangs führen? Andere Bauvorschriften, andere Kosten, andere Zuständigkeiten. Letztendlich setzte sich dann zwar fünf Jahre später die alte Planung durch beim alten – doch der Bauzug war abgefahren. „Der Verzug von zweieinhalb Jahren tut uns jetzt extrem weh“, so der Senatsvertreter am gestrigen Abend. Es lägen schlicht noch keine „verfestigten Planungen für den Westzugang“ vor. Deshalb könne der Zugang nicht in den Bauplanungsunterlagen berücksichtigt werden.
„Selbst wenn wir vor fünf Jahren einen Fehler gemacht haben sollten, heißt das noch lange nicht, dass wir für weitere 50 Jahre mit diesem Fehler leben müssen“, entgegnete Stadtrat Aykal.
In dieses Horn stießen auch viele der Bürgerinnen und Bürger, die sich zu Wort meldeten. „Der Westzugang würde die Baumaßnahme extrem entlasten“, sagte zum Beispiel Mark Schmitt, der Inhaber des Bettenhauses Schmitt am Teltower Damm. Laut den bisherigen Plänen wird ab 2026 vor seiner Ladentür vier Jahre lang gebaut. Die Fahrgäste der S-Bahn müssten sich am teilweise monatelang für den Autoverkehr gesperrten Teltower Damm bis zur Machnower Straße durch die Baustelle zum dort aufgebauten Behelfsbahnsteig zwängen. „Wir machen uns ernsthafte Sorgen um die Länge der Bauzeit“, so der Ladenbesitzer. Er befürchtet „katastrophale Auswirkungen“ auf seinen Betrieb.
Auch für Philip, einen Schüler des Schadow-Gymnasiums, ist die Unterführung samt Zugang am Postplatz notwendig. Denn viele Schülerinnen und Schüler der Schadow kämen „aus dem Süden“. Schon jetzt herrsche auf dem Teltower Damm an der Ampel vor dem Bettenhaus Schmitt morgens und mittags Chaos. Eine kürzere Bauzeit und eine bessere Planung könnten helfen. Und er habe noch ein Anliegen: Dass die S1 während der Bauzeit nur im 20-Minuten-Takt fahren werde, ginge gar nicht. Zu wenige und dann zu volle Züge wären unattraktiv, „wir wollen ja auch mal in die Stadt“.
Zwar bedeute jede Planänderung eine Verzögerung, sagte in der Debatte Heiner von Marschall, der Vorsitzende des Verkehrsclubs Deutschlands (VCD) Nordost. „Doch wir bauen gerade einen Bahnhof für die nächsten 100 Jahre“, da müsse auch der Westzugang mitbedacht werden. Er regt an, die Verkehrssperrungen am Teltower Damm und die Umleitungen positiv zu nutzen: Denn schon seit vielen Jahren sei die Entlastung der Straße gerade im Ortskern Zehlendorf erwünscht. In der Bauzeit könne man erproben und evaluieren, wie der Bereich um die Dorfaue Zehlendorf herum dauerhaft entlastet werden könnte.
Gleich mehrere Rednerinnen und Redner wiesen auf ein weiteres Problem hin: Der Umbau des Bahnhofs werde zwischen 2026 und 2030 nicht das einzige große Bauprojekt in Zehlendorf-Mitte sein. Ab 2024 wird das Schadow-Gymnasium für mehrere Jahre saniert, umgebaut und erweitert. 2027 soll die Knesebeckbrücke am Ende des Teltower Damms zwischen Teltow und Zehlendorf-Süd erneuert werden – Bauzeit zweieinhalb Jahre. Auch das neue Rathaus Zehlendorf soll über mehrere Jahre in dieser Zeit entstehen, eine weitere Großbaustelle. „Und dann kommt die Stammbahn und es geht wieder von vorne los“, meinte ein Anwohner trocken. Die Bitte an Senat und Bezirk stand im Saal, die vielen großen Bauarbeiten gut zu koordinieren.
Am meisten Optimismus verbreitete der Diskussionsbeitrag von jemanden, der gar nicht im Saal war. Der zuständige Projektleiter der Deutschen Bahn, Konrad Fairless, hatte seine Teilnahme an der Bürgerversammlung absagen müssen. Doch per E-Mail schrieb er der BI Zehlendorf: „Um die mögliche Integration der EÜ Postplatz [das ist der Westzugang] in den Bauablauf zum Projekt EÜ Teltower Damm [das ist der Brücken- und Bahnhofsneubau] zu prüfen, wurde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben.“ Ein Ergebnis der Studie gebe es zwar noch nicht. Doch allein, dass die Bahn prüft, ist schon ein erster, kleiner Erfolg der kritischen Bau-Begleiterinnen und -begleiter.