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Drohende Schließung des Schwimmbads am Teltower Damm: Vielleicht kann doch länger geschwommen werden

Veröffentlicht am 08.06.2023 von Boris Buchholz

Es ist eine große Welle, die die drohende Schließung des privat genutzten Schwimmbads am Teltower Damm vor sich herschiebt. Seit wenigen Tagen ist bekannt, dass die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) den Mietvertrag mit dem Schwimmbadmieter, dem Gesundheitszentrum PrimaVita des Krankenhauses Waldfriede, zum Jahresende gekündigt hat. Das Bad soll abgerissen, eine neue Mensa für die Schülerinnen und Schüler der deutsch-amerikanischen John-F.-Kennedy-Schule (JFKS) errichtet werden. Neben dem Gesundheitszentrum nutzen auch die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), Schwimmschulen, Kitas, Seniorengruppen und das Deutsche Rote Kreuz das Bad. Jetzt wird seitens der Nutzer befürchtet, dass sowohl Baby- und Kinderschwimmkurse als auch Gesundheits- und Rehaangebote ab Anfang 2024 auf dem Trockenen sitzen. Vergangene Woche berichtete die DLRG-Trainerin Daniela Theile im Newsletter-Interview unter anderem von der Bedeutung der Kurse für Kinder – „so viele Kinder können nicht schwimmen“.

„Ein Abriss des Bades wäre nicht nur ein Verlust für uns als Gesundheitszentrum, sondern vor allem für die gesamte Gemeinschaft, die auf dieses Bad angewiesen ist“, sagt Bernd Quoß, Vorstand des Krankenhauses Waldfriede. Er sei „geschockt“. Seit 2009 nutzt das Krankenhaus das Bad, der verstellbare Boden und die Wassertemperatur von 30 bis 32 Grad sei „für vulnerable Gesellschaftsgruppen wie kleine Kinder und Senior:innen“ ideal, heißt es in einer Pressemitteilung des Krankenhauses. Und weiter: „Wir möchten gemeinsam mit der Stadt und dem Bezirk alles in unserer Macht Stehende tun, um eine Lösung zu finden, die eine Sanierung des Bades ermöglicht und sicherstellt, dass es weiterhin seine bedeutende Aufgabe im Bezirk erfüllen kann.“

Die Sanierung des Baus aus den 1960-er Jahren wäre teuer, aber für einen langfristigen Weiterbetrieb „unbedingt“ nötig, sagt Johanna Steinke, die Sprecherin der BIM auf Nachfrage des Tagesspiegels. „Eine erste Schätzung unserer Planer ergibt Kosten von etwa sieben Millionen Euro.“

Aus Einnahmen des Bades lässt sich diese Summe nicht generieren – denn es gibt keine. „Die Nutzung erfolgt unentgeltlich“, erläutert die BIM-Sprecherin, „das Gesundheitszentrum beteiligt sich lediglich an den Betriebskosten und entrichtet eine geringfügige Reparaturpauschale.“ Das Grundstück und die Gebäude der Schule sind erst 2019 in das Landesvermögen übernommen worden. Zuvor war Steglitz-Zehlendorf zuständig. Vom Bezirksamt wurde auch die Nutzungsüberlassung für das kleine Bad abgeschlossen, das war im Jahr 2008. „Auch wenn wir also die Notwendigkeit der Angebote, die im Bad gemacht werden, in keiner Weise infrage stellen, ist die Sanierung angesichts der unentgeltlichen Überlassung nicht wirtschaftlich“, so Johanna Steinke.

Unabhängig von der teuren Sanierung brauche die BIM die Fläche des Schwimmbads dringend „als Ausweichfläche“ für die Sanierung der John-F.-Kennedy-Schule. Die Schule hatte die BIM „2019 vom Bezirk in einem stark sanierungsbedürftigen Zustand übernommen“. Von Anfang an sei Senat und Bezirk klar gewesen, dass an den Gebäuden der Schule über mehrere Jahre gebaut werden müsse. Damit das bei laufendem Betrieb möglich wird, müssten temporäre Schulbauten errichtet werden. Außerdem bestehe grundsätzlich ein „zusätzlicher Flächenbedarf“.

Das bestätigt dem Tagesspiegel Ulrich Grohé, er vertritt das „Parent Council Board“ der John-F.-Kennedy-Schule, also die Gesamtelternvertretung (GEV). „Die JFKS hat weder für die Grundschule (Elementary School) noch für die Oberschule (High School) eine Mensa oder einen eigenen Ort, an dem die Schüler:innen essen können“, sagt er. Zurzeit nutzen die Grundschüler zum Essen die Aula – „diese ist jedoch so klein bemessen, dass die Essensausgabe nur in vielen Etappen und in eng bemessenen Zeitabständen möglich ist“. Dabei sind die Schultage an der bilingualen und bi-kulturellen Schule schon in der Grundstufe länger als an den meisten Grundschulen. Die Schülerinnen und Schüler müssten essen, so Ulrich Grohé, „weil sie sonst den Tag schlicht nicht durchhalten“. Dies gelte erst recht für die Oberschule mit ihrem regelmäßigen Nachmittagsunterricht – eine Essensausgabe für die Oberschüler:innen gebe es nicht. „Die JFKS ist eine der größten Schulen Berlins und die Essenssituation ist seit Jahren ein großes Problem“, sagt der Elternvertreter. „Der Bau einer Mensa ist nicht nur nötig, sondern dringend überfällig.“ Exakt 1505 Schülerinnen und Schüler besuchen in diesem Schuljahr die JFKS.

Darüber, wo eine neue Mensa errichtet werden soll, wissen die Eltern nichts. Das liege bei der BIM. „Wir finden als GEV selbstverständlich Baby- und Kinderschwimmen wichtig“, sagt der Vater, „dass die Mensa auf dem Gelände des jetzigen Schwimmbades entstehen soll, haben wir der Presse entnommen.“ Was er wisse, sei dies: „Das Gelände ist begrenzt und der Baustau reicht Jahrzehnte zurück.“ Die gesamten Bau- und Sanierungsmaßnahmen an der Schule sollen nach den Informationen der GEV rund zehn Jahre dauern. „Unseren eigenen Kindern wird die Mensa daher mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr zugutekommen“, Ulrich Grohé. „Als GEV finden wir, dass Essen und Pausen in einer guten Atmosphäre ohne Enge, Hektik und hygienische Mängel sehr wichtig sind.“

Wo und wann die Mensa gebaut wird, ist noch unklar. „Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie werden gerade alle weiteren Fragen für die Planung geklärt, damit auch die Lage der erforderlichen Mensa“, sagt BIM-Sprecherin Johanna Steinke.

Chance auf Verlängerung. Solange die Planungen für die Schulsanierungen noch laufen, wäre vielleicht eine Verlängerung für den Badbetrieb über den 31. Dezember 2023 möglich. „Wir prüfen derzeit, ob wir die Nutzungsüberlassung mit der PrimaVita noch einmal verlängern könnten.“ Fakt sei aber, so die BIM, „dass auch für einen kurzfristigen Weiterbetrieb Investitionen getätigt werden müssen“. Aktuell würden die Kosten ermittelt werden, man stimme sich mit der Senatsverwaltung und dem Bezirk ab. Sprecherin Steinke: „Eine Kostenbeteiligung, Ideen und Vorschläge des Bezirks nehmen wir dankbar auf und freuen uns, wenn dieser Alternativen für das Bad findet.“

Im Bezirksamt wird diese offene Bitte um Unterstützung und Kommunikation wohl für prinzipielles Wohlwollen sorgen – allerdings auch für hochgezogene Augenbrauen. Denn von der Kündigung des Bads habe das Sportamt erst nach dem Anruf eines Sportvereins erfahren. „Die BIM oder auch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie informierten vorher und auch danach das Schul- und Sportamt leider nicht von sich aus“, teilte das Amt dem Tagesspiegel mit. „Das Bezirksamt bedauert die Planungen der BIM und der Senatsverwaltung“, heißt es aus dem Schul- und Sportamt. Man appelliere an die Entscheidungsträger, eine Lösung zu finden, so „dass die wichtigen Angebote im Bereich Schwimmen weiter fortgesetzt werden können“. In der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) sei die drohende Schließung des Bads noch kein Thema gewesen – man habe von nichts gewusst.

Auch das Gesundheitsamt wurde von den Ereignissen überrascht. „Wir wissen von der Kündigung des Bades seit den Presseberichten“, sagt Jugend- und Gesundheitsstadträtin Carolina Böhm (SPD). „In der letzten Woche waren Bürger:innen im Gesundheitsausschuss zugegen und nutzten die Einwohnerfragestunde zur Frage nach der Situation des Bades.“ Sie habe sich dann „umgehend an die zuständige Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie gewandt und um einen Gesprächstermin gebeten“. Der Wegfall des Schwimmbads wäre „aus gesundheitlichen Aspekten natürlich ein herber Einschnitt und wir können dies für die Region gewiss nicht kompensieren“, so Stadträtin Böhm. Eventuell seien in dem vor wenigen Wochen neu eröffneten Therapiebad des Sozialpädiatrischen Zentrums der Cooperative Mensch in Lichterfelde noch Nutzungszeiten offen, „da müssen wir womöglich in Gespräche eintreten“.

Kita nebenan. Auch das Jugendamt ist von den Abriss-, Bau- und Sanierungsplänen auf dem Gelände der JFKS betroffen: Im gleichen Gebäudekomplex wie das Bad ist die Kita Teltower Damm des Kita-Eigenbetriebs Süd-West beheimatet, laut Website werden dort 200 Kinder betreut. „Auch dort soll saniert werden“, sagt die Dezernentin. „Wir wissen natürlich schon länger von der dringend notwendigen Sanierung der Gebäude der JFK-Schule und den damit einhergehenden Wünschen der Erweiterung der Schulgebäude.“ Deshalb sei im Jahr 2022 mit Senat und BIM über eine behutsame Planung gesprochen worden, „damit ein Verlust, und sei es nur ein temporärer, der dringend notwendigen Kita-Plätze verhindert wird“, erläutert Carolina Böhm. Von der Bad-Kündigung habe auch die Kita aus der Presse erfahren. „Dem Kita-Betrieb wurde bislang nicht gekündigt.“

Das bestätigt die BIM: „Der Kita wurde nicht gekündigt.“ Sprecherin Steinke macht noch einmal die Prioritäten des landeseigenen Unternehmens deutlich: „Unser Fokus liegt aktuell auf einer Lösung für die Schüler:innen und dem Abbau des in den letzten Jahrzehnten aufgelaufenen Sanierungs- und Instandhaltungsstaus.“

Essen und schwimmen. In diversen Zuschriften nehmen Leserinnen und Leser zur drohenden Schließung des Bads Stellung; immer wieder ist von „Mensa oder Schwimmbad“ die Rede. Das Bezirksamt hat dazu eine klare Meinung: „Hier eine Abwägung durchzuführen, ist der falsche Ansatz“, ist es sich sicher. Stattdessen müsse geprüft werden, „ob auf dem Grundstück nicht beides – Mensa und Schwimmbad – möglich ist“. Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg (Grüne), sie hat die Stellungnahme des Sport- und Schulamts an den Tagesspiegel weitergeleitet, setzt sich für eine Lösung in dieser Richtung ein.

  • Online-Petition: Unter dem Titel „Rettet unser Schwimmbad!“ haben PrimaVita, DLRG (Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf), die Schwimmschulen Seepferdchen4all und Seesternchen sowie der Zehlendorfer Unternehmer Florian Herz („auch ich habe hier das Schwimmen gelernt“) einen offenen Brief an das Bezirksamt verfasst. Bisher haben ihn 686 Unterstützerinnen und Unterstützer unterzeichnet. Mehr: schwimmbadretter.zehlendorf.com
  • Fotos: Daniela Theile / DLRG; Boris Buchholz