Namen & Neues

Ultrarechte Gesellen – Schüler nimmt die AfD Steglitz-Zehlendorf unter die Lupe: Ein Gastbeitrag

Veröffentlicht am 01.02.2024 von Boris Buchholz

Die Enthüllungen des Correctiv-Teams über das Netzwerktreffen zwischen Rechtsextremen, AfD- und CDU-Politikern in Potsdam waren für den 17-jährigen Schüler Florian Ziegele aus Steglitz-Zehlendorf ein Weckruf. Seine Erkenntnis: „Es reicht nicht, sich sporadisch in Diskussionen gegen die AfD zu positionieren.“ Viele seiner Freundinnen und Freunde haben familiäre Wurzeln außerhalb Deutschlands. „Sie sind genau so Deutsche wie ich“, sagt er. „Für unsere Freundschaft ist es irrelevant, woher unsere Wurzeln stammen.“ Er wollte etwas tun – also nahm er die bezirkliche AfD unter die Lupe, er durchforstete Facebook-Einträge, sah Youtube-Videos an und las sich durch Unmengen Webseiten. Seine umfangreichen Erkenntnisse stellt er als Gastbeitrag dem Tagesspiegel zur Verfügung. Hier ist sein Text:

Wichtigster Akteur der Ultrarechten in Steglitz-Zehlendorf ist die AfD: 2016 erhielt die AfD hier 10,5 Prozent, bei der Wiederholungswahl 2023 musste sie fast eine Halbierung auf 5,6 Prozent hinnehmen. Sie ist sichtbar – mit Infoständen, Ballons oder Wahlplakaten. Fest steht: Der Bezirksverband in Steglitz-Zehlendorf bietet einen komfortablen Raum für Rechtsaußen. Doch welche Personen stehen für die AfD im Bezirk?

Der Bezirksvorstand. Zum Vorstand des Bezirksverbands der AfD Steglitz-Zehlendorf gehören sechs Personen. Zum Beispiel Matthias Pawlik, stellvertretender Vorsitzender, er ist gebürtiger Steglitzer. Seine Präsenz im Internet ist beachtlich: Auf Facebook spricht er von den „Kartellparteien“, übt Kritik an der Regierung und am öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das ständige Tadeln wird jedoch kaum mit Lösungsansätzen, sondern entweder mit kurzen, bemängelnden Texten auf blauem Untergrund, oder sehr energischen Videos, die konstant mit einem sehr grimmigen Blick beginnen und meist ebenso enden, präsentiert.

Pawlik kann allerdings nicht nur meckern, er kann auch Fremdenfeindlichkeit. Zum Unwort des Jahres „Remigration“, es wird von Rechtsextremisten der „Identitiären Bewegung“ und ähnlichen Organisationen als verschleiernder Begriff für Massendeportationen genutzt, schreibt er auf Facebook, dass er es „mag“. Er mag wohl auch Björn Höcke: Der würde von „den Menschen“, also der Öffentlichkeit, anders gesehen werden als er eigentlich sei; Pawlik führt seine Aussage nicht weiter aus. In weiteren Posts posiert er auf Corona-Demos beispielsweise mit dem Bundestagsabgeordneten Karsten Hilse, der mehrere Male durch Holocaust-Verharmlosungen und diskriminierende Aussagen auffiel.

Die zweite stellvertretende Vorsitzende der AfD Steglitz-Zehlendorf ist Beate Prömm. Prömm setzt auf Bürgerinnen- und Bürgernähe, tritt auf, macht Infostände. Doch Beate Prömm zählt zum rechten Rand der AfD: Sie nutzt rassistische Narrative, repostet auf Facebook, man müsse den „multikulturellen Auflösungsversuchen“ widerstehen, welche die deutsche Kultur und Tradition gefährden würden. Die Deutschen seien „Fremde im eigenen Land“ (Screenshots liegen vor). In einer Youtube-Talk-Show des rechten Channels „unbequem angenehm anders.tv“ verteidigt sie die Aussage des Ex-AfD-Abgeordneten Andreas Wild, man brauche einen deutschen Elternteil, um deutsch zu sein. „Ich erlebe ihn als einen sehr toleranten Menschen.

Ihre Facebook-Einträge legen es nahe: Auch Beate Prömm wird von Björn Höcke inspiriert, man findet etliche Beiträge, die der Unterstützung und Zelebrierung Björn Höckes dienen (Screenshots liegen vor).

Im Mai 2021 zitiert sie ohne weiteren Kommentar einen Artikel, in welchem behauptet wird, die deutsche Regierung würde durch die Corona-Maßnahmen ein totalitäres Regime etablieren. Wir sollten aus der Geschichte lernen (der Post wurde wohl zwischenzeitlich gelöscht, ein Screenshot liegt der Redaktion vor).

Von der FDP zur AfD. Der Chef des Bezirksverbands der AfD ist Volker Graffstädt, er ist zugleich stellvertretender Fraktionsvorsitzender in der BVV. Auch er wurde in Steglitz-Zehlendorf geboren. Bevor er sich der AfD anschloss, war er siebzehn Jahre lang FDP-Mitglied. Man könnte also schlussfolgern, der AfD-Vorsitzende sei gemäßigter als der Rest des Bezirksvorstands. Ein Trugschluss: Graffstädt gilt als strammer Rechtsaußen.

Auf diversen Websites wird Graffstädt als Unterstützer des von Björn Höcke gegründeten „Flügels“ genannt (zum Beispiel hier und hier). Der „Flügel“ bestand bis 2020 aus dem völkisch-nationalistischen und rechtsextremen Rand der AfD. Zudem war Graffstädt Autor der „Jungen Freiheit“. Als enger Vertrauter von ihm gilt laut „taz“ der Bundestagsabgeordnete und ehemalige Steglitz-Zehlendorfer Vorsitzende Gottfried Curio, der mit mehreren Reden im deutschen Parlament für Aufsehen sorgte. Vom Grünen-Politiker Anton Hofreiter wurde ihm unter anderem die Nutzung von „NS-Sprache“ vorgeworfen (hier ein Beitrag der „Welt“).

Auf Youtube lassen sich stundenlange Vorträge von Graffstädt finden. Und zwar im Youtube-Kanal von – Andreas Wild. Seit Ende März 2023 ist Wild nicht mehr in der AfD; schon 2017 war er aus der Abgeordnetenhaus-Fraktion ausgeschlossen worden, ein Parteiausschlussverfahren schloss sich an – und zog sich hin.

Die Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung. Geführt wird die AfD-Fraktion von ihrem Fraktionsvorsitzenden Peer Lars Döhnert. Auch er wurde in Steglitz-Zehlendorf geboren, sein Abitur machte er am Zehlendorfer Schadow-Gymnasium. Bis 2012 war er für die „Junge Freiheit“ tätig, die Wochenzeitung der Neuen Rechten. Auch der bekannte Rechtsextremist Götz Kubitschek schrieb einst für das Wochenblatt. Döhnert war aktives Mitglied der Studentenverbindung „Verein Deutscher Studenten“.

Rechtsaußen Andreas Wild. Andreas Wild hat sein Büro in der Nähe des Bahnhofs Lichterfelde-Ost am Jungfernstieg. Er nennt es „Staatsreparatur“, es dient rechten Zusammenkünften und Veranstaltungen. Während des langjährigen Parteiausschlussverfahrens pflegte Wild weiterhin enge Kontakte zur AfD in Steglitz-Zehlendorf. Allerdings berichtete der Tagesspiegel vor circa einem Jahr von einem Zerwürfnis Wilds mit seinem ehemaligen Unterstützer Graffstädt.

Wild schlägt zum Beispiel vor, man solle Flüchtlinge in „spärlich besiedelte Landstriche“ leiten oder als deutsche Bevölkerung den „Schuldkult“ im Zusammenhang mit dem Holocaust ablegen. Passend dazu trug Wild bei einem Trauermarsch des Abgeordnetenhauses zur Pogromnacht eine Blaue Kornblume, welche von österreichischen Nazis in den 30er- und 40er-Jahren als politisches Symbol genutzt wurde. Politisch weist Wild eine verwirrende Laufbahn auf: Er war bereits in der FDP, der CDU und bei den Grünen Mitglied.

Die Landesvorsitzende Kristin Brinker. Auch die aktuelle Landesvorsitzende Kristin Brinker hat ihre politischen Wurzeln in Steglitz-Zehlendorf: Sie ist Mitglied des Bezirksverbands. Dass die Fraktions- und Landesvorsitzende nicht davor zurückschreckt, gemeinsame Termine mit Rechtsextremisten wahrzunehmen, zeigt ihre Beteiligung an einem Rechts-Treffen bei Ex-CDU-Finanzsenator Peter Kurth im Sommer 2023: An der Zusammenkunft nahmen unter anderem Götz Kubitschek und Martin Sellner, eine der zentralen Figuren des Potsdamer Treffens von dem Correctiv berichtete, teil.