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Lautstarker Zusammenhalt: Lichterfelde-Ost wehrt sich gegen Rechtsetremist André Poggenburg
Veröffentlicht am 22.02.2024 von Boris Buchholz
Als am vergangenen Samstag, 17. Februar, der Rechtsextremist André Poggenburg im Jungfernstieg in Lichterfelde-Ost einen Vortrag in der „Staatsreparatur“ des Rechtsaußen Andreas Wild hielt, wurden die etwa 30 Teilnehmenden von 1500 Gegendemonstranten erwartet. Das Motto der Demonstration, zu der unter anderem SPD, Linke und Grüne aufgerufen hatten, lautete „Unser Kiez ist bunt – kein Platz für Rassismus“. Der Schüler-Reporter Florian Ziegele war für den Steglitz-Zehlendorf-Newsletter dabei; hier sein Bericht.
„Angesetzt für 17:30 Uhr konnte man schon bei pünktlicher Ankunft eine große Menschenmenge von über 300 Personen erkennen. Darunter Vertreter:innen jeder Altersgruppen: Von älteren Menschen mit Gehstöcken bis hin zu Kleinkindern auf den Schultern ihrer Eltern. Genau das wünschte sich die Veranstaltungsleiterin Stephanie Ecker von der SPD. Es solle eine ‚familiäre, bürgerliche Demo‘ werden, betonte sie in einem kurzen Gespräch. Trotz der im Verlauf des Abends unerwartet großen Teilnehmerzahl herrschte die Atmosphäre eines friedfertigen Nachbarschaftsprotestes. Dafür sorgte unter anderem eine kleine Tanzfläche mit Musikbox.
Im Vorfeld hatte sich die Sorge verbreitet, dass man die angestrebte familiär-friedliche Stimmung nicht vollends durchsetzen könne. Grund dafür war der Aufruf der lokalen Antifa zur Demonstration. Diese zeigte sich hauptsächlich in den vorderen Reihen präsent – trotz vereinzelter Schimpfwörter blieb die befürchtete aggressive Stimmung aber aus, es hallten Buh-Rufe und Pfiffe über die Straße. Die Antifa-Aktiven kamen den Vorgaben der Veranstalter nach, und das wusste auch Stephanie Ecker zu schätzen: ‚Wir hatten sie angeschrieben und sie haben sie sich auch gut daran gehalten.‘
Die Antifa war nicht die einzige Organisation, die zum Protest mobilisiert hatte. Mit einer auffällig großen Fraktion waren die ‚Omas gegen rechts‘ vertreten. Auch das ‚Willkommensbündnis Steglitz-Zehlendorf‘ rief zur Beteiligung auf. Die schon erwähnte Geräuschkulisse kam somit nicht nur aus den vorderen Reihen. Aus allen Ecken der Menschenmasse wurde konstant zu lautstarken Sprechchören und Pfiffen angesetzt.
Der verbale Protest erreichte einen ersten Höhepunkt gegen 18 Uhr. Viele weitere sollten folgen. Grund für das ständige Aufdrehen der Lautstärke war Ex-AfD-Politiker Andreas Wild – immer, wenn sich der Betreiber der ‚Staatsreparatur‘ und Organisator des Vortrags sehen ließ, wurde der Protest lauter. Dass Wild trotz vollzogenem Parteiausschluss vor circa einem Jahr weiterhin enge Kontakte zum Bezirksverband pflegt, zeigte sein Zugang zur benachbarten AfD-Bezirksgeschäftsstelle.
Anfangs beobachtete Wild minutenlang das Geschehen. Immer wieder verschwand er im Minutentakt im Gebäude, um dann wieder vor der Tür angekommene Gäste zu begrüßen. Dabei war das Klientel des Poggenburg-Vortrags dreierlei: alt, weiß und männlich. Alles wurden mit einem gellenden Pfeifkonzert seitens der Demonstrierenden empfangen. Die Gäste machten Bildaufnahmen von den fotografierenden Journalistinnen und Journalisten sowie der Menschenmenge. Gegen 19 Uhr begann Poggenburg seinen Vortrag, die Rollläden des Vortragsraums wurden heruntergefahren.
Anders als im Saal traf man auf der Demonstration viele jüngere Menschen an, die mit kreativen Plakaten-Slogans der Demonstration den Stempel der Jugend aufdrückten. Bei einigen Gesprächen wurde deutlich, dass Lichterfelde wahrlich kein Problem mit politikverdrossenen Teenagern hat: „Diese braune Grütze hat nichts in unserem Bezirk zu suchen. Wir müssen denen zeigen, dass es für sowas keinen Platz in Lichterfelde gibt“, sagt ein Jugendlicher. „Den Zusammenhalt, den man heute gespürt hat, müssen wir nutzen, um weiter klare Kante zu zeigen“, ein anderer.
Dass das erzeugte Momentum aufrechterhalten werden sollte, findet auch die Veranstaltungsleiterin: ‚Der Bezirk ist dazu aufgerufen, wachsam zu sein.‘ Außerdem sollte eine zusätzliche Demo vor der Zehlendorfer Burschenschaft Gothia stattfinden, sagt sie. Was dieser Abend mit Sicherheit gezeigt hat: Die Lichterfelder Bürgerinnen und Bürger haben eine politische Toleranzgrenze – lautstarker Zusammenhalt ist ihr Kennzeichen.“
- Text und Fotos: Florian Ziegeler