Namen & Neues

Eine Flüchtlingsunterkunft auf dem Dahlemer Dreieck? Zehn Gebäude stehen aktuell leer

Veröffentlicht am 07.03.2024 von Boris Buchholz

Diese Geschichte ist schwer zu verstehen – sie zieht sich seit Jahren: Berlin sucht händeringend nach Wohnraum und nach Flächen für die Unterbringung von geflüchteten Menschen. In Dahlem, genauer im Dahlemer Dreieck zwischen Unter den Eichen, Thielallee und Boetticher Straße, befinden sich insgesamt 30 Gebäude – aktuell stehen zehn von ihnen leer. Doch weder können hier Berlinerinnen und Berliner eine neue Wohnung beziehen, noch Geflüchtete eine Heimat auf Zeit finden. Dabei gehören das große Grundstück mit den 30 Häusern der Bundesregierung, genauer der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima).

Haus 8: Hier waren bis 2018 Flüchtlinge untergebracht. Heute werden hier Filme gedreht.

Was die Sache noch unverständlicher macht: Bis 2018 waren in zwei Gebäuden an der Thielallee, Hausnummern 88-92, geflüchtete Menschen untergebracht – Bima-intern handelte es sich um die Häuser 8 und 9. Doch dann meldete die Bima Eigenbedarf an. Das Umweltbundesamt (UBA) und die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), beide haben in unmittelbarer Nähe Dienstgebäude, benötigten kurzfristig Ausweichflächen, hieß es seitens der Bima. Doch zur Realisierung dieses Planes kam es nicht – die Flüchtlingsunterkunft wurde geschlossen, BAM und UBA zogen nie in die Häuser 8 und 9 ein.

Die Bima habe die Unterbringung der Bundesbehörden in den beiden Häusern geprüft. „Im Ergebnis konnte die BAM bis Ende 2021 im Haus 7 untergebracht werden“, bestätigt ein Sprecher der Bima dem Tagesspiegel. „Letztendlich wurden beziehungsweise werden für die Bedarfe des UBA die Gebäude 21 und 27 saniert beziehungsweise das Gebäude 7 ausgebaut.“ Neben dem denkmalgeschütztem Altbau Unter den Eichen wird aktuell zudem ein Neubau für das Umweltbundesamt errichtet. Allein die Oberfinanzdirektion zog Mitte 2019 für etwa zweieinhalb Jahre auf Teilflächen in Haus 9 ein.

Die Häuser 10 und 11. Ob sie aktuell genutzt werden, ist unbekannt.

Die Bima hatte schnell keine bundesbehördliche Verwendung mehr für das Haus 8: „Das Haus 8 ist seit 2019 gewerblich vermietet“, heißt es von der Bonner Behörde. Beim Ortsbesuch des Tagesspiegels mit Vertretern des Willkommensbündnisses Steglitz-Zehlendorf im November stellte sich heraus, dass eine Filmfirma das Gebäude zum Drehen nutzt – hier entsteht eine Arztserie.

Aktuell ist geplant, dass das Umweltbundesamt in sieben Gebäude des Dahlemer Dreiecks einziehen wird. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung nutzt aktuell gar kein Haus auf dem Areal. Allerdings habe die BAM „einen erneuten dringenden Zwischenunterbringungsbedarf wegen Sanierungsarbeiten an BAM-Bestandsgebäuden“ angemeldet. Diese Bitte werde gegenwärtig geprüft, so der Bima-Sprecher – auch das Haus 9 sei wieder im Gespräch.

Haus 13: Die Gebäude liegen in einem parkähnlichem Umfeld.

Ein Drittel Leerstand. Auf die Frage, wie viele der insgesamt 30 Gebäude auf der Liegenschaft aktuell leer stünden, lautet die Antwort der Bima: 13. „Bei einem Gebäude ist der Abriss vorgesehen und bei zwei weiteren Gebäuden handelt es sich um einen offenen Pavillon ohne Beheizung“, so die Auskunft. Zehn Häuser wären also nutzbar. Genauere Angaben darüber, um welche Häuser es sich handelt, macht die Bima nicht: „Ich bitte Sie um Ihr Verständnis dafür, dass die Bima keine Auflistung der einzelnen Gebäude bereitstellen kann.“

Beim Flüchtlingsgipfel im Herbst 2022 hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den Ländern und Kommunen weitere Hilfe bei der Unterbringung von geflüchteten Menschen in Bundesimmobilien angeboten. Konsequenzen für das Dahlemer Dreieck hat das nicht: Zwar sagt die Bima, dass dem Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) und der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) bekannt sei, dass das Bima-Areal über „potenzielle Flächen“ verfüge. Doch seien diese Flächen „aufgrund der umfangreichen baulichen und technischen Herrichtungsbedarfe einerseits sowie der aktuellen Bauaktivitäten der Bima andererseits nicht für eine kurzfristige Überlassung geeignet“. Vertreter des Landes Berlin hätten außerdem „nach eingehender Prüfung und Würdigung der angesprochenen Sachverhalte erneut entschieden, von einer Unterbringung geflüchteter Menschen auf der Liegenschaft Thielallee 88-92 abzusehen“, so der Bima-Sprecher.

Günther Schulze vom Willkommensbündnis Steglitz-Zehlendorf vor der Thielallee 88-92.

Das Willkommensbündnis Steglitz-Zehlendorf kritisiert, dass die Bima-Liegenschaft auch weiterhin für die Unterbringung von Geflüchteten ungenutzt bleiben soll. „Wir brauchen dringend Unterkünfte“, sagt Günther Schulze, einer der Sprecher des Bündnisses, dem Tagesspiegel am Telefon. „Dort stehen Gebäude seit Jahren leer und wir betreiben stattdessen Zeltunterbringung unter zum Teil unwürdigen Bedingungen in Tegel.“ Für ihn wäre auch eine temporäre Nutzung für Flüchtlinge in Dahlem denkbar, selbst ein, zwei Jahre wären hilfreich. „Das jahrelange Vertrösten mit irgendwelchen Planungen hilft den betroffenen Menschen nicht weiter.“ Die Aktiven im Willkommensbündnis hätten zudem nicht den Eindruck, „dass sich der Bezirk in der Frage ausreichend engagiert“.

Das Fazit: Dass der Unterkunft für geflüchtete Menschen zu 2018 gekündigt wurde, ist zu beklagen. Hier wurde aus Wohnraum Leerstand gemacht, obwohl weder BAM noch UBA die beiden Gebäude wirklich benötigten. Erst später suchte die Bima nach anderen Nutzern – und vermietet dauerhaft an einen Gewerbebetrieb, anstatt Menschen Obdach zu bieten. Aktuell stehen zehn Gebäude leer – effizient, das scheint festzustehen, geht die Bundesbehörde mit dem Häuserschatz in Dahlem jedenfalls nicht um.