Namen & Neues

Flimmerlos: Die erste Schule des Südwestens hat eine LED-Beleuchtung

Veröffentlicht am 09.04.2024 von Boris Buchholz

Die Grundschule am Karpfenteich in Lichterfelde spart seit letztem Jahr beim Licht jedes Jahr etwa 13,5 Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO₂) und 27,3 Megawattstunden Energie ein. Dabei ist es – und das scheint paradox – in den Klassen- und Fachräumen nicht dunkler, sondern heller geworden. Die magische Formel lautet: LED-Leuchten statt Leuchtstoffröhren.

Der Bezirk Steglitz-Zehlendorf spendierte 2023 der Grundschule in der Hildburghauser Straße als erster Schule im Bezirk eine neue LED-Beleuchtung. Dabei schlugen die beauftragten Energie- und Lichtexperten gleich diverse Fliegen mit einer Klappe: Das Licht in der Schule ist heller und gesünder geworden, die Klimabilanz gewinnt nicht durch weniger Verbrauch, sondern auch durch eine deutlich längere Lebensdauer. Zudem spart die Schule pro Jahr rund 9500 Euro an Energiekosten ein. Eine Win-Win-Win-Situation – Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrenden, der Bezirk und die Allgemeinheit profitieren.

Günther Gdanietz hat das Lichtkonzept der Grundschule entwickelt.

Günther Gdanietz von der Berliner Lichtwerkstatt ist sichtlich stolz, als er durch das Schulgebäude führt und auf eine LED-Rasterleuchte nach der nächsten zeigt. „Die Vorteile sind, dass sie deutlich weniger Strom verbrauchen als vorher, dass sie wenig Blendung haben, dass wir jetzt ein Tageslichtweiß haben“, führt er aus. Mit den alten Leuchtstoffröhren habe die Lichtfarbe bei 3000 Kelvin gelegen, „ein warmes Licht, was sehr schnell müde macht“. Wissenschaftliche Studien hätten bewiesen, „dass bei der Auswahl der richtigen Lichtfarben die Leistungsfähigkeit bis zu 20 Prozent gesteigert werden kann“.

Auch flimmern die neuen Leuchtkörper nicht mehr im 50-Hertz-Rhythmus des Wechselstroms. Obwohl das Auge das Geflimmer bewusst nicht wahrnimmt, wird es im menschlichen Hirn registriert – ein ungesundes Phänomen, das zum Beispiel die Konzentrationsfähigkeit beeinflusst. „Schlechte Beleuchtung führt zu Ermüdung, Kopfschmerzen und Erkrankungen“, weiß der Lichtexperte. Mit einem sogenannten Flimmer-Meter nimmt er eine Messung vor – beim flimmerlosen LED-Licht schweigt das Gerät, bei einer Leuchtstoffröhre brummt es wie ein wildgewordener Geigerzähler. Und dann nennt Günther Gdanietz noch einen Vorteil der LED-Leuchtmittel: „Die halten viel, viel länger als die alten Leuchtmittel und Leuchten.“

Hoher Ausschlag: Das Flimmer-Meter in Aktion.

War zuvor ein typischer Klassenraum mit neun Leuchtstoffleuchten erhellt worden, die mit 468 Watt betrieben wurden und ein dunkleres Licht erzeugten, verbrauchen die neuen ebenfalls neun LED-Lichtpunkte nur noch 126 Watt. Im großen Versammlungsraum fällt die Bilanz im Vergleich zu den dort ehemals verbauten 50 Leuchten noch deutlicher aus: 622 Watt reichen nun, vorher waren es 3744 Watt.

Helligkeit. Zugleich ist in der Schule durch die Umstellung auf LED messbar heller geworden. Bei den alten T5-Leuchtstoffröhren (52,5 Watt) kam in zwei Meter Entfernung, also etwa auf der Höhe der Tische der Schülerinnen und Schüler, eine Lichtstärke von 317 Lux an. Mit den neuen LED-Rasterleuchten ist der Raum gleichmäßiger ausgeleuchtet, das Luxmeter zeigt „419“ an.

Der Tagesspiegel-Reporter misst sogar 551 Lux im Klassenzimmer – allerdings laienhaft.

Klassenlehrer Thomas Kriegel ist von der neuen Beleuchtung „absolut begeistert“. „Es fühlt sich auf einmal an, als würde ich in einem Neubau arbeiten“, schreibt er Günther Gdanietz in einem Dankesbrief. „Sobald man das Licht einschaltet, fühlt man sich wacher und fokussierter“, so der Lehrer. Das Gleiche habe er auch bei den Schülerinnen und Schülern beobachtet. Sein Fazit: „Ich wünsche allen Lehrkräften in Berlin bei solchem Licht arbeiten zu dürfen.“

Die nächste Schule. In diesen Genuss sollte zumindest die Schulgemeinschaft des Goethe-Gymnasiums an der Drakestraße in naher Zukunft kommen: „Das Goethe-Gymnasium wird im Rahmen einer Sanierung ebenfalls auf LED umgerüstet“, teilt Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg (Grüne) – sie ist auch für die bezirkseigenen Gebäude zuständig – auf Anfrage des Tagesspiegels mit. Die geschätzten Kosten belaufen sich auf circa 120.000 Euro. Außerdem werde aktuell geprüft, ob auch die Gottfried-Benn-Bibliothek in 2024 eine moderne Beleuchtung bekommen könne (dort steht Teil zwei der Sanierung ab Herbst an; hier lesen Sie mehr). „Grundsätzlich wird bei jedem Bauvorhaben und größeren Sanierungsmaßnahmen geprüft, ob eine Umrüstung auf LED ebenfalls erfolgen kann“, so die Bezirksbürgermeisterin.

Es muss relativ viel Geld investiert werden, um die LED-Anlagen betreiben zu können. Einfach nur die alte Leuchtröhre durch ein anderes Leuchtmittel zu ersetzen, funktioniert nicht. Es sind „umfangreiche Maßnahmen, wie die teilweise Erneuerung der Elektroinstallation und der kompletten Leuchte oder mindestens eines größeren Leuchteinsatzes“ nötig, sagt Maren Schellenberg.

Beispiel Grundschule am Karpfenteich: Für neue Kabel, angepasste Vorschaltgeräte und 599 Leuchtpunkte seien insgesamt 165.000 Euro investiert worden, sagt Nils Richter von der MUTZ Ingenieurgesellschaft mbH. Der Bezirk hat davon 90.000 Euro übernommen. Der Rest wurde über das seit 2016 laufende Energiespar-Contracting finanziert: Die Schule gehört zum Energiespar-Pool 27; 59 bezirkseigene Liegenschaften, darunter 26 Schulen, sind hier zusammengefasst.

Lauter kleine Waben: Blick in eine moderne LED-Rasterleuchte.

Der Gedanke ist einfach: Ein Partnerunternehmen, in diesem Fall ist es der Energie-Konzern Vattenfall, das die MUTZ-Ingenieure als Subunternehmen beschäftigt, sorgt durch gezielte Investitionen dafür, dass über 15 Jahre Energie eingespart wird. Dem Bezirk wurde eine Einsparquote von 20 Prozent garantiert – das Geschäft für die privaten Partner lohnt sich, wenn sie diese Quote überschreiten. Aus dem erzielten Überschuss können dann wiederum neue Energiesparprojekte finanziert werden. An der Grundschule in Lichterfelde hat sich das Konstrukt bewährt.

Es wird 18 Jahre dauern, bis sich die Investitionen in die LED-Welt an der Hildburghauser Straße rein finanziell amortisieren. „Wir haben eine Lebenserwartung von 50.000 Kilowattstunden, das sind an einer Schule 50 Jahre – und dann sind 18 Jahre nicht so schlecht“, findet Nils Richter.

Diese Einschätzung teilt auch Lichtexperte Günther Gdanietz. Ob er sich darauf freue, die nächste Schule heller, freundlicher und klimatauglicher zu machen? „Unbedingt, ja“, sagt er. „Ich würde gerne noch ganz viele Schulen umrüsten.“ Wir haben uns im Versammlungsraum der Schule unterhalten, wir sind die letzten Besucher an diesem Abend. „Ach, warten Sie, da hinten ist noch Licht an.“ Und dann drückt Günther Gdanietz auf den Taster – und schaltet die LEDs aus.

  • Fotos: Boris Buchholz
  • Schule ohne Rechtschreibregeln? KI kann Rechtschreibfehler immer besser korrigieren. Kann die Schule also weniger Wert auf das Lernen der Regeln legen, wie von Kretschmann vorgeschlagen?  Experte Klaus Hurrelmann im Tagesspiegel-Interview.