Namen & Neues

Es hat „kliQ“ gemacht: Die erste Bürger-Klima-Genossenschaft des Südwestens ist gegründet

Veröffentlicht am 18.04.2024 von Boris Buchholz

„Ich bin schwer beeindruckt“: Umweltstadtrat Urban Aykal (Grüne) erlebte am vergangenen Samstagnachmittag im Saal der Emmaus-Gemeinde einen „Wow!“-Effekt. Über 160 Menschen waren zur Gründungsversammlung der ersten Klima-Bürger-Genossenschaft des Bezirks gekommen. Nacheinander unterschrieben 148 Nachbarinnen und Nachbarn die frisch beschlossene Satzung – und traten in die Genossenschaft ein. „Das war ein bewegender Moment, die lange Schlange zu sehen, die sich für die Unterschrift unter die Gründungssatzung bildete – ein Defilee im Gemeindesaal“, sagt Michael Gaedicke, er ist frisch gewählter Aufsichtsratsvorsitzender der „kliQ-Berlin eG. Genossenschaft für ein klimafreundliches Quartier in Berlin“, dem Tagesspiegel.

Nun kommen mannigfaltige Aufgaben auf die Genossinnen und Genossen zu. „Unser Ziel ist, durch den Betrieb gemeinschaftlicher Einrichtungen die ökologischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Belange der Mitglieder und der Nachbarinnen und Nachbarn zu fördern und unser Quartier klimafreundlich weiterzuentwickeln“, heißt es in der Präambel der Satzung. In den Siedlungen zwischen den U-Bahnhöfen Krumme Lanke, Onkel Toms Hütte und Oskar-Helene-Heim soll ein Nachbarschafts-Café als nicht-kommerzieller Treffpunkt und Kulturort entstehen. Neue Mobilitätsangebote sollen ins Leben gerufen, auch häusliche Hilfe oder Pflege zu organisieren, können sich die Aktiven des Projekts „Klimafreundliches Quartier“ (kliQ) vorstellen. Eine soziale Nachbarschaft soll entstehen. „Dafür organisieren wir freiwilliges Engagement und bringen Hilfsbereitschaft und Hilfebedarf im Quartier zusammen.“ Auch das Leitmotiv ist in der Präambel notiert: „Was eine oder einer alleine nicht schafft, das schaffen viele.“

Nahwärme. Die größten Einzelprojekte dürften es sein, die einzelnen Quartiere mit genossenschaftlicher und klimafreundlicher Energie und vor allem Wärme zu versorgen. Um herauszufinden, welche Siedlungen und Straßenzüge sich für den Bau von sogenannten kalten Nahwärmenetzen eignen, will die kliQ-Berlin eG noch in diesem Jahr Machbarkeitsstudien auf den Weg bringen. Die Studien sollen klären, wo auf Geothermie gesetzt werden kann und wo der Einsatz von Wärmepumpen mehr Sinn ergibt. „Wir wollen inhaltlich vorankommen und Angebote bei den Planungsbüros einholen, Förderanträge stellen, das Sponsoring organisieren“, sagt Michael Gaedicke. Zwar müssen als erstes Formalien rund um die Genossenschaft geklärt werden – vom Wirtschaftsplan über die externe Begutachtung und die Kontoeröffnung bis zur Eintragung ins Genossenschaftsregister. Doch ist das erledigt, „wollen wir sehr schnell erste Studien beauftragen können“.

Das wäre ganz im Sinne von Stadtrat Urban Aykal. Er überreichte der neu gegründeten Genossenschaft einen „Letter of Intent“ des Bezirksamts. Darin versichern Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg (Grüne) und der Stadtrat, dass das Amt die Genossenschaft „gerne nach Kräften begleitet“. Der Aufbau der Kalt-Nahwärmenetze helfe, CO₂-Emissionen im Quartier signifikant zu senken. Bisher würden fast alle Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser im kliQ-Gebiet noch mit Gas oder Öl beheizt werden.

In seinem Grußwort vor der Gründungsversammlung wurde Urban Aykal konkreter. „Als zuständiger Dezernent werde ich zum Beispiel gemeinsam mit dem Fachamt sehr bemüht sein, bei Genehmigungsanträgen für die Verlegung von Rohren im öffentlichen Raum unterstützend mitzuwirken.“ Er sagte: „Sehen Sie uns als Partner, nicht nur als Ansprechpartner!“ Auch wenn er nicht „alles Mögliche“ verspreche, betonte er, „dass Ihre Anliegen uns wichtig sind und wir unser Möglichstes tun werden, um gemeinsam mit Ihnen einen wichtigen Beitrag zur Wärmewende und damit zum Klimaschutz zu leisten“.

Für die kliQ-Aktiven ist die Genossenschaftsgründung ein Meilenstein. Aufsichtsratsvorsitzende Gaedicke nennt die Gründung einen „Formwechsel“: „Von einer nachbarschaftlichen Initiative zur Gründung eines Unternehmens, einer Genossenschaft, mit gesetzlichen Vorgaben, gewählten Gremien und protokollarischen Anforderungen“, führt er aus. „Da wächst Verantwortung auf uns zu, in die wir hineinwachsen müssen und werden.“

Das Risiko für die Genossen ist gering. Die bisher 148 Mitglieder müssen wenigstens einen Genossenschaftsanteil in Höhe von 500 Euro zeichnen und ein einmaliges „Eintrittsgeld“ von 100 Euro bezahlen. Sollte die Genossenschaft in finanzielle Schieflage geraten, sind ihre Mitglieder nicht dazu verpflichtet, Geld nachzuschießen.

In einem ersten Infoschreiben, das der Vorstand der kliQ-Berlin eG in Gründung am Mittwoch verschickte, werden alle, die ebenfalls Mitglied werden wollen, um Geduld gebeten. Erst müssten ein Konto eingerichtet, mit Notar und Steuerberater gesprochen und „korrekte Beitrittsformulare“ erstellt werden. Mit Blick auf die Liste der Interessenten, so der Vorstand, könnte die Genossenschaft bis Ende Mai „vermutlich bereits auf deutlich über 200 Mitglieder angewachsen sein“. Bis 2026, das ist die interne Planung, sollen es 300 Genossinnen und Genossen sein. Dann sollen auch die ersten Nahwärmenetze betriebsbereit sein.

Schon jetzt sieht sich die Genossenschaft als Impulsgeber in Sachen Klimaschutz. Aus Lichterfelde-West und Schlachtensee kämen Anfragen von Gleichgesinnten, Projekte in Tempelhof und Pankow hätten Kontakt aufgenommen. „Wir wissen noch nicht genau, wie wir damit umgehen“, sagt Michael Gaedicke, schon personell sei das schwierig. Fest stehe aber: Habe eine Nachbarschaft ein gemeinsames Ziel, „stehen wir mit Rat und Tat gerne zur Seite“.