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Stahlkorsett für die A103 am S-Bahnhof Rathaus Steglitz bleibt: Alle Kioske unter der Brücke verschwinden

Veröffentlicht am 11.07.2024 von Boris Buchholz

Der Fußweg vom Hermann-Ehlers-Platz, der U-Bahn oder der Bushaltestelle vor dem Kreisel zum S1 ist nicht angenehm. Unter der 30 Meter breiten Autobahnbrücke, alle Wege zum S-Bahnhof führen unter ihr durch, prägen grüne Absperrzäune, gewaltige Stahl- und Betonkonstruktionen, Müll und Tristesse das Bild. Zeitungsladen, Döner und Boulangerie an der Albrechtstraße sind verschwunden, ihr Gebäude abgerissen. Der ehemalige dm-Markt, später war hier ein Asia-Supermarkt und Blumenladen, steht leer. Die Autobahnbrücke musste abgestützt werden, das Korsett aus Stahl braucht Platz. Jetzt teilte die bundeseigene Autobahn GmbH auf Nachfrage des Tagesspiegels mit: Auch die verbliebenen Kioske unter der Brücke – von der Hähnchen-Braterei bis zum Bäcker – werden abgerissen. Und ein Neubau der Brücke ist noch nicht in Sicht.

Das Stahlkorsett für die 180 Meter lange Autobahnbrücke am S-Bahnhof Rathaus Steglitz – sie reicht von der nördlichen Seite der Albrechtstraße bis zur Ausfahrt am Wolfensteindamm – ist gekommen, um zu bleiben. Zumindest vorerst. Unter der 1968 erbauten Brücke nehmen ihr riesige Stahlträger zumindest einen Teil der Traglast ab. Die Halte-Hilfe hat ihren Grund: Die Experten der Autobahn GmbH vermuten Spannungskorrosion, die Brücke bröckelt innerlich. Da man nicht weiß, wie lange die Brücke noch hält, wurde ihr zur Sicherheit das Autobahnkorsett untergeschoben. Im Experten-Jargon ist von „fehlendem Ankündigungsverhalten im Versagungsfall“ die Rede. Dann besser die neuen Träger – und mehr Hässlichkeit unter der Brücke.

Und die bleibt erst einmal der Status quo. „Das Bauwerk muss durch einen Ersatzneubau ersetzt werden“, sagt Ralph Brodel, Pressesprecher der Autobahn GmbH. Die Unterstützungskonstruktion sei nur eine „temporäre Sicherheitsmaßnahme“. Zwar sei die Brücke derweil in das Brückenbauprogramm der Niederlassung Nordost der bundeseigenen Firma aufgenommen – doch wann der Neubau erfolgen soll, ist unklar. Im April hieß es noch, ein Zeitraum von etwa zehn Jahren sei anzunehmen.

Statt Neubau kommt der Abriss. Ein Teil der Verkaufspavillons unter der Brücke sind bereits verschwunden, die anderen werden folgen. Die Mietverträge seien nicht verlängert worden, so der Autobahn-Sprecher, „der letzte läuft Mitte 2025 aus“. Dann sei der Weg für die Abrissmannschaften frei.

Aus zwei Gründen sollen alle Bauten unterhalb der Brücke entfernt werden: Zum einen müsse die Brücke jederzeit im Rahmen von Sicherheitschecks überprüfbar sein. „Die jetzt bestehenden Verkaufsflächen unterhalb der Brücke stellen eine erhebliche Beeinträchtigung der Zugänglichkeit bei Sicherheitsprüfungen des Bauwerks dar“, sagt Ralph Brodel.

Feuergefahr. Zum anderen müsse ausgeschlossen werden, dass ein Brand unter der Brücke das Bauwerk beschädigt oder den Verkehr auf der Brücke beeinträchtigt. Innenausstattungen, Verkleidungen, Versorgungsleitungen – alles könne Feuer fangen. Durch große Hitzeentwicklung könnten tragende Teile der Brücke beschädigt werden; dann müsste die Brücke sofort gesperrt werden – bis dann ein Ersatzbau erfolgen könne, vergehe viel Zeit. Der ad hoc gesperrte Tunnel Schlangenbader Straße lässt grüßen.

„Unter unseren Autobahnbrücken wollen wir keine zusätzliche Gefährdung durch Brandlasten haben – egal, was sich unter der Brücke befindet“, so Ralph Brodel. Allein eine plötzliche starke Rauchentwicklung auf der Autobahn könnte zu Unfällen führen. „Die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer steht für uns an oberster Stelle.“

Die Frage, warum überhaupt Verkaufspavillons unter der Brücke errichtet worden seien, quittiert der Autobahn-Sprecher mit höflichem Schweigen. Dann entfährt ihm am Telefon ein „so etwas tut man einfach nicht“. Möglich wurde der Bau der Kioske, weil das Grundstück unter der Autobahn 2005 an eine Privatperson verkauft wurde. Erst Ende 2021 gehörte das Areal, auf dem sich heute das Stahlkorsett befindet, wieder der öffentlichen Hand, sprich: der Autobahn GmbH.

Die grünen Zäune, die massiven Stützen, die immer leerer werdende Ladenzeile – die Tristesse unter der Brücke wird bleiben und zunehmen. Hinzukommt noch die Verwahrlosung, der Müll entlang der Wege zum S-Bahnhof. Die Autobahn-Firma habe ein Reinigungsunternehmen beauftragt, das einmal in der Woche das Areal vom Müll befreie. „Die Firma erfüllt die vertraglichen Verpflichtungen zur Zufriedenheit“, lautet das offizielle Statement. Die Beobachtung zeigt: Wöchentlich reicht nicht aus. „Leider wird durch Passanten ständig Unrat über die Stabmattenzäune geworfen“, konstatiert Ralph Brodel.

Planungen, wie der Raum unter der Brücke besser, freundlicher und sinnvoller gestaltet werden könnte, gibt es noch nicht. „Die Gestaltung des unter dem Brückenbauwerk liegenden Platzes wird mit dem Ersatzneubau geplant“, heißt es seitens der Autobahn GmbH. Wann der Neubau kommt, steht in den Sternen.