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Flüchtlinge in der Thielallee: CDU wehrt sich gegen Pläne des Senats – und kreidet sie der grünen Bezirksbürgermeisterin an

Veröffentlicht am 24.10.2024 von Boris Buchholz

Anwohnende rund um die Thielallee hatten jetzt politische Post im Briefkasten: Es geht um die vom Senat geplante Containerunterkunft für geflüchtete Menschen auf einem Parkplatz der Freien Universität in der Thielallee 63. In einer Hauswurfsendung kritisierte die CDU Dahlem die Standortentscheidung für die Unterkunft, sie sei über die Köpfe der Anwohnenden hinweg entschieden worden. Es ist von „ideologisch motivierten und intransparenten Entscheidungsprozessen“ die Rede – und davon, dass Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg (Grüne) eine Bürgerinformationsveranstaltung „sogar ausdrücklich abgelehnt“ habe.

Die Unterzeichner des Flugblatts, der Abgeordnete Adrian Grasse und Christoph Wegener, Vorsitzender des CDU-Ortsverbands Dahlem, appellieren an die Bezirksbürgermeisterin, die SPD-geführte Senatssozialverwaltung und die Freie Universität, „von dem Vorhaben eines Wohncontainerdorfes in der Thielallee 63 Abstand zu nehmen“.

Das Problem dabei: Weder die Bezirksbürgermeisterin noch die FU sind für die Standortwahl verantwortlich. Und das wissen die beiden CDU-Politiker sehr wohl.

Die politische Reaktion auf die Hauswurfsendung erfolgte prompt: „Es war – Überraschung! – der schwarz-rot regierte Senat unter CDU-Bürgermeister Kai Wegner, der den Bezirken die Standorte benannt hat“, schreibt der Kreisverband der Grünen in einer Pressemitteilung. „Auch die angemahnte Informationsveranstaltung kann nur mit der für das Vorhaben zuständigen Landesbehörde organisiert werden“, heißt es weiter. Denn Informationen zu Standort und Unterkunft lägen dem Bezirk nicht vor – und das habe die Bezirksbürgermeisterin auch in der Bezirksverordnetenversammlung berichtet.

„An der Entscheidung für die Thielallee war der Bezirk nicht beteiligt“, hatte Maren Schellenberg zwei Tage vor der Flugblattaktion in der Oktobersitzung der Bezirksverordneten auf Anfrage von Sören Grawert (FDP) zu Protokoll gegeben. Das Grundstück sei nicht vom Bezirk ins Spiel gebracht worden.

In diesem Gebäude Bima waren ab 2015 geflüchtete Menschen untergebracht.

Stattdessen habe das Bezirksamt mehrfach dem Senat vorgeschlagen, die zum Teil leerstehenden Gebäude der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) auf der anderen Straßenseite für die Unterbringung der Menschen zu nutzen, so die Rathauschefin. „Die Bima behauptet aber seit Jahren, dass die Gebäude für Bundeseinrichtungen gebraucht werden.“ Dabei seien auf dem Areal von 2015 bis 2017 Geflüchtete untergebracht worden. Jetzt habe die Bima Fakten geschaffen: Eine Versorgungsleitung zu den damals genutzten Gebäuden sei gekappt worden, berichtete Maren Schellenberg in der BVV. Kurzfristig sei jetzt eine Herrichtung der Häuser zu aufwändig. (Ich habe mir ein Bild gemacht, mehr zum Bima-Leerstand lesen Sie hier.)

Verschleppte Infoveranstaltung? Fakt ist: Um die Bürgerinnen und Bürger über den Container-Neubau zu informieren, hatte das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) dem Bezirk im Sommer vorgeschlagen, am 25. September eine öffentliche Veranstaltung durchzuführen. Doch dazu kam es nicht. Denn: „Das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf teilte dem LAF zwischenzeitlich mit, dass eine andere Form der Bürgerinformation gewünscht wird“, schreibt Wissenschaftsstaatssekretär Henry Marx (SPD) in der Antwort auf eine Anfrage des Abgeordneten Grasse.

Auf Nachfrage des Tagesspiegels erklärt Bürgermeisterin Schellenberg, dass das Landesamt rein baurechtlich über das Vorhaben informieren wollte – und das sei in anderer, nämlich schriftlicher, Form besser. „Nach Erfahrungen des Bezirksamtes ist eine Informationsveranstaltung für Anwohnende erst sinnvoll, wenn konkrete Informationen zum geplanten Bau, zur Fertigstellung, zur Platzzahl und am besten auch zur Struktur der geplanten Belegung vorliegen.“ Erst dann könnten im Bürgerdialog konkrete Fragen und Bedenken sowie Hilfsangebote geklärt werden. „Alle grundsätzlichen Fragen der Bevölkerung lassen sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht beantworten“, sagt Maren Schellenberg am Telefon.

Während es im CDU-Flugblatt heißt, „die überwältigende Mehrheit von Ihnen [der Anwohnenden] lehnt die Errichtung eines Wohncontainerdorfes für Geflüchtete in der Thielallee 63 ab“, ist die Bezirksbürgermeisterin optimistisch: Sie sieht ein großes Engagement in der Dahlemer Bevölkerung. Und sie verweist auf die Unterstützung, die die neuen Berlinerinnen und Berliner in der Vergangenheit in der Thielallee erfahren haben. „Es hat 2015/2016 wunderbar geklappt.“

Ist das Handeln des schwarz-roten Senats „ideologisch motiviert und intransparent“, wie es die CDU Dahlem sieht? Maren Schellenberg schätzt die aktuelle Lage differenzierter und auch selbstkritisch ein. „Wir sind in einer Situation, in der kein Bezirk von sich aus einen möglichen Unterkunftsstandort meldet“, sagt sie. Es gehe nicht anders, als dass der Senat von oben entscheide. Als Begründung für neue Unterkünfte merkt sie noch dieses an: „Wir haben Menschen in der Stadt, die unter menschenunwürdigen Bedingungen in Tegel und Tempelhof leben.“

  • Details zum Bau der Containerunterkunft: Auf Anfrage des CDU-Abgeordneten Grasse teilte Aziz Bozkurt, SPD-Staatssekretär für Soziales, mit, dass die Inbetriebnahme der Behelfsunterkunft für den Sommer 2025 geplant sei. „Es wird eine Mietdauer von fünf Jahren angestrebt, sodass das Mietverhältnis bis zum Ende des Jahres 2030 andauern könnte“, so der Staatssekretär. Ob das Objekt noch länger betrieben werde, sei sowohl von der Entwicklung der Flüchtlingszahlen als auch vom Planungsstand für das Bauprojekt der Freien Universität auf dem Grundstück Thielallee 63 abhängig (die Uni will einen Forschungsbau errichten, der Tagesspiegel berichtete hier).