Namen & Neues
Endlich mehr Mitsprache für Jugendliche im Bezirk? Das Problem sind die Erwachsenen
Veröffentlicht am 06.03.2025 von Boris Buchholz
„Wir sind uns einig, dass der Bezirk mehr Kinder- und Jugendbeteiligung braucht“, fasste Johanna Martens, die Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, die in der Februar-Sitzung des Ausschusses geführte Diskussion zusammen. Es müsse sichergestellt werden, dass die Stimmen der jungen Steglitz-Zehlendorfer gehört werden und dass sie konkreten Einfluss auf die Politik im Bezirk nehmen können, sagte die Bezirksverordnete der Grünen.
Kurz zuvor hatte Stadtplaner Joachim Faßmann von der Firma „kollektiv stadtsucht“ eine Handlungsstrategie zur politischen Beteiligung von Kindern und Jugendlichen vorgestellt. Ob Jugendforum, Jugendbeirat oder ein Kinder- und Jugendparlament für Steglitz-Zehlendorf: Der Entscheidungsprozess müsse jetzt und zügig beginnen, „sodass wir vor der nächsten Wahl den Prozess abschließen können, damit wir nach der Wahl nicht mit neuen Bezirksverordneten wieder von vorne beginnen müssen“, so der Planer. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) wird turnusgemäß im Herbst 2026 neu gewählt.
Die Diskussion um die Beteiligung der jüngeren Bezirksbewohner zieht sich zäh und seit Jahren durch die Politik. Während es in vielen Berliner Bezirken teils seit vielen Jahren ein Kinder- und Jugendparlament gibt, tut sich Steglitz-Zehlendorf schwer, Menschen unter 18 Jahren ein konkretes Mitsprachemandat zu erteilen. Lange verwiesen Bezirkspolitiker verschiedener Parteien auf das Gesprächsformat „Jugend spricht mit“: Einige Male im Jahr trafen sich Kinder und Jugendliche mit interessierten Bezirksamtsmitgliedern und Bezirksverordneten – aus der Umsetzung der Jugend-Wünsche wurde aber nichts. „Auf die Wünsche und Forderungen ist von Seiten der BVV nicht eingegangen worden“, sagte im vergangenen Sommer Jugendstadträtin Carolina Böhm (SPD) der Jugendredaktion des Tagesspiegels. „Jugend spricht mit“ gibt es derweil nicht mehr; das sehr informelle Format ohne feste Struktur hatte nur einen begrenzten Lebenshorizont.
Jugend entscheidet. Die Handlungsstrategie, die nun im Jugendhilfeausschuss vorgestellt und diskutiert wurde, ist ergebnisoffen angelegt: In den kommenden Monaten sind junge Leute eingeladen, sich in einer „Kerngruppe“ über die Form der künftigen Beteiligung Gedanken zu machen – und ein favorisiertes Format zu bestimmen. Parallel dazu muss die Bezirkspolitik sich vor allem auf eines einlassen: Verantwortung abzugeben und dadurch Entscheidungsfreiräume für die Kinder und Jugendlichen zu schaffen. Denn was das neue Beteiligungsgremium beschließt, soll Konsequenzen haben. Und sei es nur, dass sich Stadträtinnen und Stadträte oder Bezirksverordnete dazu äußern und erklären müssen, warum sie ein Ansinnen der jungen Leute ablehnen. Kommunikation auf Augenhöhe sei essenziell, sagt Experte Faßmann.
Das neue Gremium werde „die Arbeit in den Ausschüssen und in der BVV deutlich verändern“, sagte Alexander Niessen (SPD) im Ausschuss. „Das wird die Arbeit besser machen.“ Die Bürgerdeputierte Silvia Härtel vom Verein Spiel und Action fragte: „Wie wird die Erwachsenenebene vorbereitet?“ Das scheint aufgrund der jahrelangen Hängepartie eine wesentliche Frage zu sein. Es sind vermutlich nicht die Kinder und Jugendlichen, die über mehr als ein Jahr eine Entscheidung herbei diskutieren müssen, es sind die Erwachsenen.
Im Ausschuss blieben wichtige Fragen – wie werden die Mitglieder eines neuen Gremiums verlässlich bestimmt, wie werden Kinder mit Beeinträchtigung oder mit migrantischem Hintergrund eingebunden – noch offen. Eine Arbeitsgruppe soll jetzt einen Ausschussantrag formulieren, der in der BVV beschlossen werden kann. Es gehe um ein formales „Go“, damit die Handlungsstrategie umgesetzt werden könne.
„Ich freue mich, dass wir in diese Richtung weitergehen, in Richtung eines Kinder- und Jugendparlaments“, sagte Sören Grawert (FDP). Und die Ausschussvorsitzende Johanna Martens ergänzte: „Wenn wir uns am Riemen reißen, können wir etwas Gutes schaffen.“ Es wäre Zeit dafür.
Was im Bezirksnewsletter bisher zum Kinder- und Jugendparlament zu lesen war:
- Warum hat Steglitz-Zehlendorf kein Kinder- und Jugendparlament? Junge Leute unter 18 Jahren wollen mitbestimmen. Hier zu lesen.
- Kinder und Jugendliche befragten Bezirkspolitikerinnen: „Wir haben nicht die Aufgabe, einen Club zu betreiben.“ Hier zu lesen.
- Besuch in der 7b: „Nicht nur die Erwachsenen sollen entscheiden.“ Hier zu lesen.
- „Nicht nötig“? Die BVV diskutiert über die Einführung eines Kinder- und Jugendparlaments. Hier zu lesen.
Fotos: Beteiligungs-Fahrplan, kollektiv stadtsucht GmbH | imago