Sport

Veröffentlicht am 29.04.2021 von Boris Buchholz

Das Stadion, oh, das Stadion: Sportausschuss diskutiert über den Aufstieg von Viktoria in die 3. Liga. Sportamtsleiterin Heike Götze lässt bereits am Beginn der Debatte die Geldkatze aus dem Steuersack: „Der Bezirk hat nicht vor, für 18 bis 22 Millionen Euro ein drittligataugliches Stadion zu bauen“, sagt sie. „Wir haben keine Fläche und nicht das Geld“, fügt sie hinzu. Und: „Uns sind die Hände gebunden.“ Die Suche nach einem Ort für die Heimspiele der Aufsteigermannschaft aus Lichterfelde zieht sich weiter. Noch ist keine Lösung gefunden.

Seitdem Ende März klar wurde, dass der Fußballverein diesen Sommer von der Regionalliga in die 3. Liga aufsteigt und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) strikte Vorgaben für die Spielorte macht, kreisen die Namen. Jahn-Sportpark, Mommsenstadion, Poststadion, Alte Försterei, Karl-Liebknecht-Stadion in Babelsberg – und immer wieder das Olympiastadion. „Wenn wir das Olympiastadion schon haben, wieso ist es nicht möglich, dieses Stadion für einen weiteren Verein zu nutzen“, fragte Michael Gaedicke (Grüne) am Dienstagnachmittag im Ausschuss. „Vielleicht ist es einfach zu teuer für Viktoria“, wirft Bau- und Umweltstadträtin Maren Schellenberg (ebenfalls Grüne) in Vertretung für den erkrankten Sportstadtrat Frank Mückisch (CDU) ein. Ein Vertreter des Vereins ist bei der Debatte nicht anwesend.

Betrieben wird das Olympiastadion von der Olympiastadion Berlin GmbH; der einzige Gesellschafter ist das Land Berlin. Es sei doch nicht relevant, ob formal eine GmbH das Stadion vermarkte, sagte Mirko Klimas (SPD), letztendlich flößen Steuergelder in den ex-olympischen Sportbau: „Rechte Tasche, linke Tasche“. „Wir müssen mit unseren Parteien im Abgeordnetenhaus reden“, fordert er sich und seine Kollegen auf. Der Aufstieg eines Berliner Fußballvereins in die 3. Liga sei eine Dimension, „um die sich das Land Berlin auch kümmern kann“. Er fordere den Senat auf, dem Verein entgegenzukommen.

Da könne er doch gleich seinen Parteikollegen und Innensenator Andreas Geisel anrufen, der sei Aufsichtsratsvorsitzender der Betreiber-GmbH, kontert Clemens Escher (CDU). Er sehe zwar auch die Möglichkeit für Viktoria dort zu spielen, schließlich sei Hertha „nicht der Vollmieter, sondern Ankermieter“. Aber, gibt er zu bedenken, „es ist finanziell für einen Verein wie Viktoria nicht zu stemmen“. Sebastian Buchholz, er ist Bürgerdeputierter der Grünen und zugleich Schiedsrichter, stimmt zu: „Es würde sich nicht lohnen, im Olympiastadion zu spielen, da müssten 30.000 bis 40.000 Menschen kommen.“ Wenn aktuell bei einem Viktoria-Spiel das Stadion Lichterfelde gut gefüllt sei, „dann sind da 1.500 bis 1.600 Zuschauer“, steuert Sportamtschefin Götze bei: „Selbst die Alte Försterei wäre zu teuer.“

Viktoria habe bereits in Wolfsburg und Magdeburg angefragt, berichtet sie, ob der Verein dort spielen könne. Ein „Heimspiel“ der Lichterfelder Viktoria in Wolfsburg, da kämen ja noch weniger Zuschauer, gibt Uwe Netzel (SPD) zu Protokoll. „Wir müssen dicke Bretter bohren, dass das irgendwie in Berlin möglich wird“, sagt er. Michael Gaedicke pflichtet ihm bei. Zum einen müssten alle Parteien ihre Fraktionen im Abgeordnetenhaus wegen der Stadionfrage bearbeiten. Und zum anderen, so regt er an, sollte politischer Druck auf den DFB ausgeübt werden, über die gesetzten Standards nachzudenken: „Wir reden über Coronazeiten“, warum müsse ein Drittliga-Verein 10.001 Zuschauerplätze aufbieten, reichten nicht auch 2.000 oder 3.000? „Das ist doch absurd.“

Dass der DFB die Forderung erhört und die 10.001-Plätze-Regel kippt, „davon ist Stand heute nicht auszugehen“, meint Viktoria-Geschäftsführer Peer Jaekel auf Nachfrage des Tagesspiegels einen Tag nach der Ausschussitzung. Die Einschätzung der Ausschussmitglieder, dass das Olympiastadion für Viktoria zu teuer wäre, bestätigt er: „Uns wurde ein Betrag im unteren sechsstelligen Bereich als Tagesmiete genannt.“ Allerdings seien Verhandlungen oder Subventionsgesuche noch nicht Teil der Gespräche gewesen. Die Option, ein eigenes temporäres Stadion aus Stahlteilen zu bauen, hält Peer Jaekel nach wie vor für möglich – auch unter 18 Millionen Euro. Denn auch Mietlösungen seien realistisch und wären „bei einer Verweildauer von unter fünf Jahren sicher auch wirtschaftlicher“. Allein, es fehle neben dem Geld bei dieser Variante noch eine Fläche.

Wegen der ungeklärten Frage nach einem festen Heimspielstadion, hält der Viktoria-Geschäftsführer auch eine Flickenteppich-Saison für möglich: „Abhängig von Sicherheitsanforderungen ist es tatsächlich denkbar, dass wir unterschiedliche Heimspielstätten nutzen müssen“, sagt er. Das wäre für den Verein in einer Übergangsphase kein Problem, „die Lizenz und das Erfüllen der Auflagen steht über allem“.

Noch einmal zurück zur 10.001-Auflage für ein Drittligastadion. Peer Jaekel hält es durchaus für wahrscheinlich, dass die Zuschauerzahl bei Viktoria rapide steigen wird: „Gerade mit Blick auf die Traditionsvereine erhoffen wir uns einen enormen ‚Auswärtstourismus‘ in die Hauptstadt.“ Ein Blick in die Statistik der letzten Drittliga-Saison vor Corona gibt ihm Recht: Am wenigsten Besucher pro Spiel hatte in der Spielzeit 2019/20 die Sportgemeinschaft Sonnenhof aus Großaspach mit 2.305 Zuschauern – und Aspach hat 8.291 Einwohner. Am meisten Fans strömten laut der Website Transfermarkt.de bei Eintracht Braunschweig ins Stadion: durchschnittlich 18.366. Für die Berliner Viktoria gibt es also Luft nach oben. Die kleinsten Stadien bespielten in der Corona-Saison 2020/21 übrigens Verl (5.135 Plätze) und Viktoria Köln – deren Stadion hat eine Kapazität von 10.001 Plätzen.

Langsam wird die Stadionfrage drängend. Denn laut einem Vereinssprecher von Viktoria endet die Frist für die Erteilung der Drittligalizenz durch den DFB Ende Mai. Die neue Saison startet am 23. Juli. Hoffentlich mit Viktoria.

Text: Boris Buchholz
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