Kiezgespräch

Veröffentlicht am 16.09.2021 von Boris Buchholz

Überall Thomas Heilmann: in der Berichterstattung (hier der ausführliche Bericht zu den umstrittenen Werbebriefen und Heilmanns Finanzbeteiligungen), auf Großflächen auf der Straße, in den Briefkästen. Ist der Kampf um das Bundestagsdirektmandat in Steglitz-Zehlendorf bereits gelaufen?

„Das Rennen ist alles andere als gelaufen“, meint die Bundestagskandidatin Nina Stahr (Grüne). Sie trete im Bezirk mit den Themen Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Familienfreundlichkeit an „und wir erhalten sehr viel Zuspruch“. Viele Menschen im Bezirk würden wissen, „dass die kommenden vier Jahre entscheidend im Kampf gegen die Klimakrise sein werden und dass dafür Bündnis 90/Die Grünen die besten Konzepte haben“. Zu den CDU-Wahlaufrufen ohne CDU-Namensnennung befragt sagt sie: „Unsere Briefe waren klar als Wahlwerbung von Bündnis 90/Die Grünen zu erkennen“, „wir halten einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten für zentral“. Die Menschen sollen nachvollziehen können, „wer woher ihre Daten hat“.

Das sieht FDP-Bundestagskandidat Henning Krumrey auch so: „Die FDP verschickt keine anonymen Werbebriefe. Wir stehen für Offenheit und Klarheit.“ Er beobachtet bei Thomas Heilmann eine wachsende Nervosität, die vor allem eines zeige: „Erststimmen für andere Bewerber sind nicht verloren, es gibt eine Chance, ihn abzulösen.“ Die beobachtete Dominanz der Wahlplakate sei nur ein „optischer und finanzieller Eindruck, kein inhaltlicher“. Henning Krumrey: „Ich weiß aus vielen Gesprächen, dass viele Zehlendorferinnen und Steglitzer die vollflächige Präsenz des Heilmann-Gesichts auf unseren Straßen belästigend finden, die Texte darauf dagegen eher belustigend.“

Als unethisch empfindet Linken-Kandidat Marcus Otto die Kampagne mit „verdeckten Wahlkampfmethoden“ der CDU. „Aus diesem Grund schreiben wir die Menschen, denen wir etwas mitteilen wollen, direkt an oder drücken ihnen unsere Botschaften sichtbar in die Hand“, sagt er: „Dies erfolgte dann aber auch auf unserem Briefpapier und an uns bekannte Adressen.“ Er kritisiert, dass sich viele Parteien – nicht nur die CDU – nicht an Auflagen hielten, an Bäumen oder Gaslaternen nicht zu plakatieren und Mindestabstände von Wahlplakat zu Wahlplakat einzuhalten. Da wolle die Linke nicht „mithalten“. Und: „Wir haben auch ein gewisses Vertrauen in die Menschen, die oft genug spüren, dass ein zuviel an Werbung auch Hintergedanken hat.“

SPD oder CDU? „Allen in Steglitz Zehlendorf ist mittlerweile klar, dass die Entscheidung um das Direktmandat zwischen Herrn Heilmann und mir fällt“, schrieb Ruppert Stüwe dem Tagesspiegel. Er kandidiert im Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf für die SPD für den direkten Einzug in den Bundestag. Und die vielen Heilmann-Plakate? „Ich habe mich entschieden seit dem Frühjahr eher den direkten Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern zu suchen und mache im Rahmen meiner ‚1 Million Schritte nach vorn‘ täglich Spaziergänge durch den Bezirk.“ Die Anzahl der SPD-Plakate reiche aus, „um mich überall in Bezirk bekannt zumachen.“ Und die CDU-Werbebriefe? Unredlich, ist sein Urteil. „Mich würde interessieren, wie die Adressen an Privatpersonen weitergegeben werden konnten oder ob das eine von Herrn Heilmann bezahlte Wahlwerbung ist.“

Die Finanzen sind immer wieder Thema. Der Tagesspiegel fragte nach, wie hoch das Wahlkampfbudget der Bundestagsdirektkandidaten und der -kandidatin ist.

  • Marcus Otto, Linke: „Mein persönliches Wahlkampfbudget besteht nicht.“ Es gebe ein bezirkliches Wahlkampfbudet, „das ich nicht im vollen Umfang kenne“. Aber: „Es reicht letztendlich für ein paar Tausend Zeitungen, Wahlprogramme, A6-Kandidat:innenvorstellungen, die Wahlzeitung, einige Veranstaltungen, Give-aways und ein bisschen Facebookwerbung.“
  • Nina Stahr, Grüne: Das Gesamtbudget für den BVV-, Abgeordnetenhaus- und Bundestagswahlkampf der Grünen beträgt in Steglitz-Zehlendorf 120.000 Euro. Auch Personal- und Mietkosten seien darin enthalten, teilt die Kandidatin mit. „Die Kosten für meine Kopfplakate, Kandidatinnenflyer und ein gemietetes Lastenrad, das mit meinem Plakatmotiv beklebt ist, belaufen sich auf knapp 3.900 Euro.“
  • Henning Krumrey, FDP: „Das Budget für den Direktwahlkampf liegt bei rund 20.000 Euro.“
  • Ruppert Stüwe, SPD: „Lieber Herr Buchholz, dazu geben wir keine Auskünfte.“
  • Thomas Heilmann, CDU: „Die CDU Steglitz-Zehlendorf hat auf ihrer Mitgliederversammlung ein Budget von 100.000 Euro verabschiedet“, teilte Wahlkampfleiterin Mareen Theil mit.

Text: Boris Buchholz
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