Kiezgespräch

Veröffentlicht am 25.05.2022 von Boris Buchholz

Am Montag war es endlich entschieden: Berlins Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) und Brandenburgs Verkehrsminister Guido Beermann (CDU) kündigten bei einer gemeinsamen Pressekonferenz an, dass die Stammbahnstrecke reaktiviert und dass auf ihr Regionalzüge rollen sollen. Jahrelang hatte Berlin für eine S-Bahnstrecke gekämpft; jetzt gab der Senat nach. Neben Brandenburg hatte sich auch die Bahn und der Fahrgastverband Igeb für die Regionalbahnen zwischen Potsdam und Berlin ausgesprochen. Die bisherige Verbindung zwischen Potsdam und Berlin über die Stadtbahn ist überlastet, mehr Züge sind nicht möglich. Bettina Jarasch sprach von der „überregionalen Bedeutung“ der Regionalbahn, es habe „viele, viele Jahre des Nichtentscheidens“ gegeben. Ob auch auf der Wannseebahn, dem bisher ungenutzten Gleis neben der S1 zwischen Wannsee und Zehlendorf, Regionalbahnen fahren werden, ließ die Verkehrssenatorin offen.

Halt in Rathaus Steglitz und Zehlendorf. Dass die Strecke zwischen Zehlendorf und Griebnitzsee, die seit dem Kriegende 1945 unterbrochen ist, wieder in Betrieb genommen werden soll, beschäftigt die Bürgerinnen und Bürger im Südwesten seit vielen Jahren. Nun soll die Strecke zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert werden, neue Regionalbahnhöfe sind in Dreilinden/Europarc, Zehlendorf, Steglitz und Schöneberg geplant.

In 20 Jahren könnte es ganz normal sein, ab dem Steglitzer Kreisel mit dem Regionalexpress nach Potsdam oder Brandenburg/Havel zu reisen. Auch in der anderen Richtung wird die Verbindung interessant: Denn die Züge sollen einerseits nach Hauptbahnhof rollen, da aber die Kapazität des Nord-Süd-Tunnels begrenzt ist, sollen andere Linien über Südkreuz nach Ostkreuz fahren – so sieht es der aktuelle Plan der Länder vor. Erstmals käme man zum Beispiel von Zehlendorf ohne Umsteigen zu den Fernbahnhöfen Südkreuz und Hauptbahnhof.

Eine Milliarde Euro. Erst Ende der 2030-er Jahre sei mit der Fertigstellung der Stammbahn zu rechnen, so Guido Beermann. Mein Kollege Jörn Hasselmann berichtet, dass das Stammbahnprojekt über eine Milliarde Euro kosten könnte. Mehr über die Entscheidung pro Regionalbahn erfahren Sie hier.

Doch wie sehen die Steglitz-Zehlendorfer diese Entwicklung, was sagen die Bürgerinitiativen und die Politik? Hier einige Stellungnahmen:

  • Hubertus Bösken, Sprecher der BI Stammbahn: „Wir begrüßen die heute verkündete Entscheidung zum Wiederaufbau der Berlin-Potsdamer Stammbahn als Regionalbahn zwischen Berlin Potsdamer Platz, Schöneberg, Steglitz, Zehlendorf, Kleinmachnow, Dreilinden und Potsdam-Griebnitzsee. Damit haben die Länder Berlin und Brandenburg nach gut fünfjähriger Prüfung im Rahmen des Infrastrukturprojekts i2030 endlich Position bezogen. Wir fordern die Länder auf, dass Projekt zügig auf den Weg zu bringen. Im ersten Schritt muss die Vorplanung beauftragt werden, die von den Ländern Berlin und Brandenburg zu finanzieren ist. Die schnelle Beauftragung der Vorplanung wird zeigen, ob es den Ländern wirklich ernst mit dem Wiederaufbau der Stammbahn ist. Der zweite Schritt ist eine möglichst verbindliche Zeitplanung, um das Projekt in einem absehbaren Zeitrahmen zu realisieren. Eine in der öffentlichen Diskussion thematisierte Verknüpfung der Stammbahn mit einer Reaktivierung des Berliner Südrings lehnen wir dagegen ab. Das würde zu weiteren Verzögerungen führen.“
  • Peer Hartwig, Aktionsbündnis „Ressourcen nutzen – Natur schützen!“: „Wenn Regionalbahn, warum dann elektrifiziert? Batteriebetriebene Züge sind absolut ausreichend! Hier kommt durch die Hintertür eine Dresdner Bahn 2.0. Dies muss allen klar sein! … Dabei werden aber mindestens 40 Hektar Wald zerstört. Die Mobilitätswende muss anders erreicht werden, wir müssen diesen Frevel verhindern! Daher wollen wir die Wannseebahn, die bereits ‚morgen‘ fahren kann und im Grunde ja die Stammbahn hinter Zehlendorf ist. Mit der Verlängerung der U3 zum Mexikoplatz und mit der Wannseebahn erreicht man viel eher die Mobilitäts- und Verkehrswende. … Dieses Geld kann sinnvoller und in wichtigere Verkehrsprojekte investiert werden. Die Entscheidung ist fiskalisch und ökologisch nicht wirklich nachvollziehbar. Bei allem Für und Wider muss eine unabhängige Nutzen-Kosten-Untersuchung den Ausschlag geben und nicht nur politisch gewollte Wunschvorstellungen. Wo die enden, haben wir ja beim BER gesehen!“
  • Ruppert Stüwe, SPD-Bundestagsabgeordneter und Kreisvorsitzender: „Die Reaktivierung der Stammbahn für Regionalzüge ist ein großer Schritt für Berlin und insbesondere auch für die ÖPNV-Anbindung in Steglitz-Zehlendorf. Ich habe mich sehr dafür eingesetzt und begrüße, dass der Berliner Senat dazu nun eine Systementscheidung getroffen hat.“
  • Urban Aykal, Verkehrsstadtrat der Grünen: „Je mehr Schiene es gibt, desto besser. Ich finde die Entscheidung für die Regionalbahn sinnvoll. Sie wird dafür sorgen, dass mehr Menschen auf die Schiene umsteigen. Natürlich sollte auch das bisher nicht genutzte Gleis der Wannseebahn genutzt werden. Genauso muss die S25/26 zweigleisig ausgebaut werden, und wir brauchen die Verlängerung der S-Bahn nach Stahnsdorf. Ebenso wichtig ist der S-Bahnhof Kamenzer Damm an der S2. Gerade für die Pendelverkehre ist dies sehr wichtig. Dazu gehört auch der Lückenschluss der U3 bis zum Mexikoplatz. Steglitz-Zehlendorf hat dringenden Nachholbedarf: In den vergangenen 20 Jahren ist beim Thema Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs eigentlich gar nichts passiert.“

Jetzt sind Sie an der Reihe – was finden Sie die Entscheidung, Regionalbahnen durch den Düppeler Forst rollen zu lassen? Was halten Sie von den versprochenen neuen und schnellen Verbindungen ins Umland und in die Stadt? Ist Ihnen das eine Milliarde Euro wert? Schreiben Sie mir, Sie erreichen mich unter boris.buchholz@tagesspiegel.de.