Kiezgespräch

Veröffentlicht am 07.11.2024 von Boris Buchholz

Engagement für die Partnerstadt Charkiw: Wie drei Ukrainerinnen die Wahl in den USA bewerten. Die drei Frauen sind festlich gewandet, Stickereien schmücken Bluse und Kleider, zwei tragen rote Blumenkränze auf dem Kopf. Alle haben rote Rosen in der Hand. Es ist Mittwochabend, gerade hat der ukrainische Frauenchor der Evangelischen Markusgemeinde aus Steglitz im alten BVV-Saal im Rathaus Zehlendorf gesungen. Jetzt stehen mir drei der sieben Sängerinnen im Foyer gegenüber – unser Thema sind die Wahlen in den USA und die Auswirkungen einer neuen Präsidentschaft von Donald Trump auf die Ukraine.

Tatjana, Yuliia und Oleksandra: Sie hoffen, dass die Ukraine nicht alleine gelassen wird.

„Ich hoffe, dass es nicht schlimm wird und man uns nicht ohne Hilfe alleine lässt“, sagt Tatjana, 53, sie stammt aus Charkiw, der ukrainischen Partnerstadt von Steglitz-Zehlendorf. „Keiner weiß, was kommt – es kann gut laufen, aber …“, ihre Nachbarin Yuliia, 41, aus Kiew lässt den Satz unbeendet im Raum verklingen. Kann der designierte US-Präsident wirklich Frieden stiften? „Trump hat gesagt, er sei in der Lage, den Krieg sofort zu beenden – dann soll er das machen“, meint Tatjana. „Aber nicht auf Kosten unseres Landes.“

Was das bedeuten soll, erklärt Oleksandra, 40, ebenfalls aus Kiew, so: „Wir hoffen, dass alles gut wird“, sagt sie. „Aber wir wünschen uns, dass die bisher besetzten Gebiete wieder ukrainisch werden“. Sie schließt die Krim in ihren Worten ausdrücklich mit ein. „Wofür sind unsere Soldaten sonst gefallen?“

Die drei Frauen wissen auf den Tag genau, wann sie aus der Ukraine geflohen und in Berlin Zuflucht gefunden haben: Tatjana kam am 18. März 2022 in Berlin an, Yuliia zwei Wochen später, am 31. März. Oleksandra war am 29. Januar 2023 in Sicherheit. Seitdem leben sie in der Notunterkunft in der Markus-Gemeinde in der Albrechtstraße gegenüber vom Stadtpark Steglitz (den Bericht über meinen Besuch lesen Sie hier). Ihre Männer sind noch in der Ukraine. Genauso wie sie den Tag ihrer Ankunft exakt benennen, wird sie auch ein anderes Datum begleiten: „Wir werden uns ebenso an den Tag genau erinnern, an dem wir zurückkehren“, sagt Tatjana.

Der Auftritt des Frauenchors war Teil eines Informationsabends, zu dem der Städtepartnerschaftsverein Steglitz-Zehlendorf ins Rathaus geladen hatte. Thema waren die bisherigen Hilfen für die Partnerstadt Charkiw – Olga Pischel, die Koordinatorin der Charkiw-Hilfe, und ihr Mann Uwe Hölling haben im August Charkiw besucht und sich angeschaut, wie die Hilfen aus dem Berliner Südwesten zum Einsatz kamen. Unter anderem wurde von Baggern, Geld für Suppenküchen, Heizgeräten, Pflegebetten, Prothesen und einem gespendeten Müllwagen berichtet.

176.524,19 Euro Spendengelder hat der Partnerschaftsverein seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges erhalten und schon zu 80 Prozent in die Ukraine weitergeleitet. Hinzukommen, so schätzt Olga Pischel, Sachspenden im Wert vom 120.000 bis 150.000 Euro. „Uns ist bewusst, dass wir eine Verantwortung haben, um das Leid zu mildern“, sagt Sebastian Leskien, der Vorsitzende des Partnerschaftsvereins.

Die Pflegebetten sind einem Krankenhaus im Oblast Charkiw angekommen.

Dieser Verantwortung stellen sich auch die Bezirksverordneten immer wieder: Im Sommer konnten durch überfraktionelles Engagement und Anpacken 20 Pflegebetten in die Region Charkiw gebracht werden. Am gestrigen Mittwochabend überreichte René Rögner-Francke (CDU) in seiner Funktion als Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung dem Partnerschaftsverein 3440 Euro. In den vergangenen vier Wochen hatten die Bezirkspolitikerinnen und -politiker in ihren Reihen die Spendendose herumgereicht.

Ziel: Zwei Euro pro Einwohner. Man wisse nicht, ob und wie Donald Trump die Ukraine unterstützen werde, sagt Bernd Steinhoff, Bezirksverordneter der Grünen. „Deshalb müssen wir in unserem Bezirk unsere Unterstützung für unsere Partnerstadt besonders stark zeigen“, lautet sein Appell. Und er rechnet vor: „Zusammen mit den Sachspenden wurde für jeden Einwohner des Bezirks etwa ein Euro gespendet – das müssen wir verdoppeln.“

Der Prototyp eines Entminungsroboters in Charkiw.

  • Das Spendenkonto des Städtepartnerschaftsvereins lautet: Berliner Sparkasse, IBAN: DE27 1005 0000 101 000 4405, BIC: BELADEBEXX. Im Moment denkt der Verein darüber nach, ein Projekt zur Entminung zu unterstützen – die Ukraine ist aktuell das am stärksten verminte Land der Welt.
  • Fotos: Olga Pischel / Uwe Hölling (2) | Boris Buchholz (2)