Boris Buchholz' Lese-Tipp für Tier- und Stadtparkfreunde

Veröffentlicht am 18.06.2020

Es ist mehr als Freundschaft: Es ist wahre Liebe. Seit 2003 ist Kay Fischer der Entenflüsterer des Stadtparks Steglitz – schon als Kind hat er im Unterricht eine Ente getöpfert. Dieses Jahr feiert der Entenfreund seinen 50. Geburtstag – und schenkte sich selbst und Ihnen sein sechstes Buch: „Ente kompetente“ heißt es. Er erzählt von Lieschen und Siegfried, von Radieschen und Erpel Adalbert.

Dass es Enten mit den Erpeln nicht einfach haben (es gibt anscheinend sehr viel mehr Enten-Kerle als Enten-Weiber), berichtet Kay Fischer mehrfach in seinem Buch. Als er Enten-Dame Niedlichguck traf, traute er ihr männer-, habicht- und mardermäßig wenig zu. Sie mied die Erpel, hielt sich abseits, war mehr als scheu – eigentlich hätte sie Ängstlichguck heißen müssen, schreibt der Autor. Doch eines Tages präsentierte sie ihm stolz neun Entenküken: „Jetzt war ich aber verblüfft! Diese feine Dame hat tatsächlich einen Erpel an sich herangelassen.“ Der Entenflüsterer erfuhr sogar eine besondere Ehre – er durfte die neun flauschigen Entlein hüten! Ihre Mutter hatte eine andere Ente vertrieben, hatte abgehoben, war weggeflogen – im Gras sitzend, der Nachwuchs um ihn herum, war Kay Fischer plötzlich Entensitter geworden. Kurzerhand schützte er die Küken mit seinem Körper, „legte meine Arme um sie“ und hoffte einerseits, dass Niedlichguck doch bitte schnell wiederkommen möge. Andererseits war es das größte Entenvertrauen, das er erfuhr – er wollte es auskosten, solange es ging. Natürlich kam die Mutter zurück. Kay Fischer hatte seine Sache anscheinend so gut gemacht, dass Niedlichguck ihn später noch einmal für das Kinderhüten engagierte.

Sicher, Fjodor Michailowitsch Dostojewski, Johann Wolfgang Goethe und Gabriel García Márquez hätten für die Enten-Liebes-Geschichten noch literarisch hochwertigere Formen und Worte gefunden – doch erstens wusste sicher keiner der drei erwähnten Herren so gut über Enten Bescheid wie Kay Fischer. Zweitens fließen aus des Steglitzer Dichters Zeilen so viel ehrliche Enten-Zuneigung und echte, gefiederte Anteilnahme, dass seine Geschichten selbst das Herz eines Enten-skeptischen Lesers erreichen. Es ist keine Hochliteratur, es sind teichgebunden und parkbasierte Lebensgeschichten.

Ente Maus hat es Kay Fischer besonders angetan: Als sie dem freundlichen Menschen ihre ersten sieben Küken vorstellte, machte er sich ob ihrer Unerfahrenheit in der Kinderaufzucht große Sorgen – nur drei Entlein überlebten. Im nächsten Frühjahr hatte sie sogar neun Küken im Tross. „Maus, das wird jetzt aber besser als letztes Jahr, nicht wahr“, sagte er zu ihr. Und tatsächlich, Maus hatte gelernt. Sie verteidigte ihre Jungen nicht nur gegen die Krähen, sie trieb sogar einen für sie riesigen Graureiher in die Flucht. Muttermut kennt keine Grenzen, am nächsten Tag griff sie einen Hund an, der ihrem Nachwuchs zu nahe gekommen war. „Nog-Nog“, sage ich da beeindruckt. Ach nein, ich bin ja eher ein Erpel, also „Rääb“!

„Ente kompetente“ von Kay Fischer ist im Lichterfelder Mariposa Verlag erschienen, das Softcover-Buch mit 154 Seiten kostet 14 Euro. – Text: Boris Buchholz
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