Nachbarschaft
Veröffentlicht am 14.03.2019 von Boris Buchholz
Vögel sind ihre Leidenschaft. Die Steglitzerin Elke Brüser, 67, wollte als Schülerin auf einer Hallig leben und Lehrerin werden. Stattdessen wurde sie Biologin, Wissenschaftsjournalistin – und Bloggerin. In ihrem Blog „Flügelschlag und Leisetreter“ berichtet sie von großen und kleinen Vögeln, die in der Großstadt „und drumherum“ leben.
Frau Brüser, während ich meine Frage formuliere, markiert ein Vogel vor dem Fenster etwas monoton rufend sein Revier. Welche Vögel kann man jetzt besonders gut im Berliner Südwesten beobachten? Besonders viele! Denn man hört sie nicht nur singen oder rufen, sondern sieht sie auch gut, solange die Bäume nicht belaubt sind. Also: Natürlich die Amseln, die jetzt besonders schön leuchtenden Rotkehlchen, viele Kleiber, hämmernde Bunt- und Mittelspechte, die für Berlin so typischen Greifvögel: Turmfalke, Habicht und Bussard.
Die meisten Berliner denken bei Vögeln wohl etwas missmutig an großstadtaffine Untermieter wie Tauben und Spatzen. Sie behaupten, Berlin sei eine Stadt für Vögel. Warum? Friedhöfe, Gärten, Parkanlagen und andere Grünflächen bieten vielen Vogelarten Schutz, Nistplätze und Nahrung. Die grüne Stadt Berlin ist im Vergleich zu den Agrarflächen auf dem Land vielfältiger und zieht mehr Vogelarten an. Im Winter treffen Sperber und auch Meisen aus dem hohen Norden ein, im Sommer brüten hier Mauersegler, Nachtigallen, Mönchsgrasmücken und viele mehr. Turmfalken nisten in Kirchentürmen, in Baumwipfeln ziehen Habichte ihre Jungen groß. Schellenten und Gänsesäger, Kormorane und verschiedene Reiher sieht man auf Gewässern wie der Havel. Geradezu legendär sind die Feldlerchen auf dem Tempelhofer Feld.
Über welche Sichtung haben Sie sich in letzter Zeit am meisten gefreut? In Steglitz hat mich ein Habicht amüsiert, der ganz offensichtlich satt war und seine Ruhe haben wollte, aber ständig von einem Elsternpaar traktiert wurde. Sie lärmten und flogen Attacken in seine Richtung. Irgendwann war es ihm zu viel, und er flog ab.
Was können wir Gartenfreunde und Vogelliebhaber in Steglitz-Zehlendorf tun, um Singvögel nicht zu vergraulen? Wir sollten samentragende Kräuter und Stauden im Herbst nicht gleich abschneiden, denn sie sind in der kalten Jahreszeit eine wichtige Vogelnahrung. Auch das Laub gerade unter Büschen lange liegen lassen, denn hier überwintern Insekten und Spinnen. Oft kann man beobachten, wie die Amseln im Laub danach suchen. Wer Sträucher oder einen Baum pflanzt, sollte heimische Arten wie Eberesche oder Felsenbirne wählen, deren Früchte viele Vögel lieben. Und jeder Garten müsste eine wilde Ecke haben, möglichst mit einem Komposthaufen. Dichte Büsche und rankende Pflanzen bieten kleinen Vögeln zudem gute Verstecke. Was mich wirklich entsetzt, sind Gärten, die wie mit dem Staubsauger gereinigt sind, und die modische Variante bei Vorgärten: gepflastert oder mit Kies bestreut und mit ein paar mächtigen Blumentöpfen bestückt. Da verhungern nicht nur die Vögel, sondern auch unsere Augen.
Wenn Sie ein Vogel wären, welcher wären Sie gerne? Der Weißstorch fasziniert mich. Kein seltener Vogel, aber wie er sich mit weiten Schwüngen in die Luft schraubt, mit der Thermik segelt und im Spätsommer nach Süden zieht, um in Spanien oder Westafrika zu überwintern, das gefällt mir. Aber ich flöge die Westroute, denn die Route über den Bosporus nach Ostafrika ist gefährlich. Das Risiko, abgeschossen zu werden, ist dort für große Vögel leider hoch.
Den Vogel-Blog aus Steglitz finden Sie online auf fluegelschlag-birding.de. Sie können ihn auch gratis abonnieren.
Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: boris.buchholz@tagesspiegel.de