Nachbarschaft
Veröffentlicht am 27.06.2019 von Felix Lorber

Vor knapp einem Jahr hatte sich hier im Newsletter die Initiative Lupine Mentoring aus Zehlendorf vorgestellt. Ziel war es, 7- bis 11-jährige Kinder aus geflüchteten Familien in Steglitz-Zehlendorf mit ehrenamtlichen Mentorinnen und Mentoren zusammen zu bringen. Susan Ulbricht hat am Programm teilgenommen und die achtjährige Savya begleitet, die mit ihrer Familie vor drei Jahren aus Kurdistan/Irak nach Deutschland kam.
Frau Ulbricht, Sie waren nun ein knappes Schuljahr Mentorin von Savya. Im Rahmen des Tandem-Programms haben Sie wöchentlich zusammen Zeit verbracht oder gemeinsam etwas unternommen. Wie blicken Sie auf die vergangenen Monate zurück? „Es war eine wirklich schöne Zeit. Und sie war sehr intensiv. Wenn man so viel Zeit miteinander verbringt, verändern sich die Perspektiven. Wir haben viel voneinander gelernt. Man bekommt einen Einblick in die persönlichen Geschichten – nicht nur von Savya, auch von ihrer Familie und den anderen Patenkindern. Und wir hatten eine Menge Spaß. Ich konnte Ausflüge mit Savya unternehmen, für die meine eigenen Kinder schon etwas zu alt sind. Wir waren zum Beispiel im Streichelzoo oder im Naturkundemuseum. Aber es geht auch darum, Dinge zu finden, für die man kein Geld braucht: schöne Stellen in Berlin zu entdecken oder die Nachbarschaft zu erkunden.“
Wie sind Sie auf das Mentoring-Projekt von Lupine aufmerksam geworden? „Ich habe davon im Tagesspiegel-Leute-Newsletter gelesen und war sofort begeistert. Ich hatte wie viele andere auch im Sommer 2015 schon einmal ehrenamtlich in der Geflüchtetenhilfe mitgearbeitet. Aus beruflichen Gründen wurde die Zeit dann aber wieder knapper und das Ganze ist etwas eingeschlafen. Ich hatte jedoch immer im Hinterkopf, noch einmal ehrenamtlich mit Geflüchteten arbeiten zu wollen und einen Teil beizutragen. Als ich dann vom Mentoring-Programm hörte, war das die Motivation und ich habe mich gleich gemeldet.“
Wie hat sich die Beziehung zwischen Ihnen und Savya entwickelt? „Es ist eine sehr enge Bindung entstanden. Da wir uns wöchentlich getroffen haben – und das über viele Monate hinweg -, nimmt man am Leben der Kinder teil. Aber auch unsere Familien haben sich kennengelernt. Mein Mann und meine Kinder waren immer mal bei gemeinsamen Ausflügen dabei, auch Savyas Mutter und ihre kleine Schwester haben uns hin und wieder begleitet.“
Nach dem Abschlussfest sind nun erst einmal Sommerferien und das Programm pausiert. Wie geht es danach für Sie weiter? „Im zweiten Jahr gibt es die Möglichkeit, das Mentoring-Programm als ‚Tandem extended‘ weiterzuführen. Das Motto für diese Zeit lautet ‚Zukunftswerkstatt‘: Hier geht es darum, mit dem Kind gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten, das es sich selbst gesteckt hat. Das können Erfolge sein, wie zum Beispiel, das Seepferdchen zu machen oder in einen Sportverein einzutreten. Manche älteren Kinder wollen sich auch in einem bestimmten Schulfach verbessern.“
Warum sollten sich weitere Menschen am Programm beteiligen? „Ich finde, es ist eine sehr bereichernde Möglichkeit, sich gesellschaftlich zu engagieren. Man gibt viel und bekommt noch mehr zurück. Man spürt die Dankbarkeit der Kinder und der Familien und hat einen sehr direkten Kontakt zur ehrenamtlichen Arbeit. Das Thema Flucht verliert das Abstrakte, weil es hier um persönliche Geschichten geht, um Menschen. Außerdem empfinde ich es als eine tolle Möglichkeit, die eigenen Nachbarschaft kennenzulernen und sich umeinander zu kümmern.“
- Service: Lupine Mentoring schult die teilnehmenden Mentorinnen und Mentoren umfassend und bietet während des gesamten Tandems therapeutische Beratungen an. Auch zum kommenden Schuljahr haben wieder acht bis neun Menschen die Chance, Mentorin oder Mentor zu werden. Im September startet ein neuer, 9-monatiger Durchgang des Tandem-Programms. Dazu bietet Lupine am 5. Juli eine erste unverbindliche Informationsveranstaltung an. Diese findet um 17.30 Uhr im Kinderbetreuungshaus KBH im Ramsteinweg 40 in Zehlendorf statt. Infos: lupine.berlin@gmail.com
- Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: felix.lorber@extern.tagesspiegel.de