Nachbarschaft

Veröffentlicht am 25.07.2019 von Boris Buchholz

Alexander Müller, 79, ist gelernter Kameramann. Er arbeitete beim Sender Freies Berlin (SFB), dann beim Bayerischen Rundfunk in München. Eigentlich sind Rummel nichts für den geborenen Berliner; aber an das Deutsch-Amerikanische Volksfest im Jahr 1969 kann er sich gut erinnern.

Herr Müller, Sie haben zur Mondlandung 1969 eine ganz besondere Beziehung. Warum? Mein Bruder, Professor Viktor Müllerstaedt, er war Bühnenbildner und Architekt, hat damals über die Deutsche Dokumentarfilm den Kontakt zum kommandierenden US-General Robert G. Fergusson bekommen. Der General hatte dann meinem Bruder den Auftrag gegeben, das Deutsch-Amerikanische Volksfest zu gestalten. Das fand damals noch am Hüttenweg statt. Dabei ging es um den Ausstellungsteil, der stand 1969 unter dem Titel „Los Angeles: Bridge to the Stars“. Mein Bruder sorgte dafür, dass eine Nachbildung einer Saturn-V-Rakete auf den Festplatz gestellt wurde; ellipsenförmige Traglufthallen gaben den Flair einer Mondbasis wieder. Aus begehbaren Betonringen entstand eine Skulptur in Form einer Acht als Zeichen der Unendlichkeit.

Auf Fotos sah ich, dass noch ein sehr besonderes Ausstellungsstück die Festgäste begeisterte … Es war die Original-Mondkapsel aus den USA der Apollo-8-Mission. Das war nach meinem Wissen bis heute die einzige Mondkapsel, die jemals in Berlin zu sehen war. Die Besucher konnten über ein Holzgerüst in das Raumschiff hineinschauen, der Andrang war riesig. Die Eröffnung des Volksfestes ist heute exakt fünfzig Jahre her. Vom 25. Juli bis zum 16. August wurde damals gefeiert.

Konnten denn die Berlinerinnen und Berliner dem Geschehen auf dem Mond etwas abgewinnen? Die Mondlandung war ein Straßenfeger, ich hatte damals beim SFB gearbeitet. Als ich von der Arbeit nach Hause kam, machte ich mein Fernsehgerät an — die ganze Mondlandung, das dauerte ewig. Bei den Berlinern war die Mondlandung ein großes Ding — und das Volksfest war deshalb sehr gut besucht. Aber ich verbinde noch ein zweites großartiges Erlebnis mit dem Mond-Fest.

Na, dann erzählen Sie. Zur Vorbereitung haben die Amerikaner meinen Bruder nach Los Angeles eingeladen — und ich durfte mit. Eine Reise in die USA war 1969 und mit meinen 29 Lenzen eine ganz besondere Sache. Wir trafen den Bürgermeister von Los Angeles, Sam Yorty, er zeigte uns seine Stadt und Hollywood. Wir fuhren in einem weißen Chevrolet-Cabriolet, das war die komfortabelste Autofahrt meines Lebens. Mit dem Bürgermeister besuchten wir die Warner-Brothers-Studios und trafen den Chef-Gestalter der Filmstudios, Alexander Golitzen. Der hat meinem Bruder gleich angeboten, bei ihm in Hollywood zu arbeiten. Doch Viktor lehnte ab. Letztes Jahr ist er mit neunzig Jahren in Berlin gestorben.

Was hat der aktuelle Mondlandungs-Hype bei Ihnen ausgelöst? Viele Erinnerungen. An das Fest, an die Zeit und an meinen Bruder. Als ich vier Jahre alt war, wurde unser Vater bei einem Bombenangriff neben den UFA-Filmstudios in der Oberlandstraße getötet. Danach wurde mein Bruder mein Erzieher. Wir haben zusammen gearbeitet, ich verwalte heute seinen Nachlass. Und in einer der Bildermappen habe ich die Skizzen und Fotos vom Deutsch-Amerikanischen Volksfest gefunden. Da fiel mir die Geschichte wieder ein.

Alexander Müller hat die Sammlung seines Bruders geöffnet: Bilder vom Deutsch-Amerikanischen Volksfest 1969 aus dem Archiv von Viktor Müllerstaedt finden Sie online auf twitter.com.

Foto: Boris Buchholz

Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: boris.buchholz@tagesspiegel.de