Nachbarschaft

Veröffentlicht am 11.06.2020 von Boris Buchholz

Es ist ein besonderer Ort unter Bäumen am Rande des Grunewalds in Berlin: Seit 2019 betreibt Gerald Greh, 44, das „Café im Kunsthaus Dahlem“ im Käuzchensteig 12, direkt im Museum. Die Eröffnung wurde angemessen gefeiert, die Gäste kamen und für den Frühling 2020 hatte sich der Café-Betreiber viel vorgenommen – und dann kam das Coronavirus, der Betrieb wurde Mitte März eingestellt. Obwohl das Café seit einer Woche wieder geöffnet ist, könnte bald das Aus für den Betrieb drohen. Die Rücklagen sind aufgebraucht.

Herr Greh, die Kaffeemaschine ist poliert und Kuchen ist gebacken – kommen denn jetzt auch Gäste? Wir freuen uns wirklich sehr, dass es nun endlich wieder losgeht. Die ersten Tage waren sehr verhalten, man merkt irgendwie doch, dass die Menschen ein Stück weit ängstlicher geworden sind und sich noch nicht so richtig raus trauen so wie früher. Aber es wird jeden Tag ein bisschen mehr und spielt sich langsam ein. Vor allem merken die Gäste bei ihrem ersten Besuch in unserem Hause, dass wir wirklich unendlich viel Platz haben, man sich zu keiner Zeit zu dicht auf die Pelle rücken muss.

Wie haben Sie das Café und sich selbst in den letzten Monaten finanziert? Im Grunde mussten wir ja gleich mit zwei Schließungen kämpfen, denn wir betreiben auch das Café K im Georg-Kolbe-Museum: Dort wurde unser Café wegen Sanierungsarbeiten geschlossen. Dadurch ist bereits eine Lücke von einigen Tausend Euro entstanden. Der Umzug selber hat weiteres Geld gekostet. Und als es dann in Dahlem endlich losgehen konnte, kam direkt die nächste Schließung durch die Coronakrise. Gelebt habe ich letztendlich von Luft und Liebe, dem restlichen Ersparten und dem Leergutpfand der letzten Wochen.

Jetzt wollen Sie über eine Crowdfunding-Kampagne 20.000 Euro einwerben. Anscheinend reicht es nicht aus, bei Ihnen Kaffee und Kuchen zu genießen, um das Café am Leben zu erhalten … Da wir nun in diesem Sommer durch die Krise ebenfalls keinerlei Veranstaltung haben werden, reißt das natürlich ein riesengroßes Loch in die Kasse. Ob wir dann den nächsten Winter überstehen können, von einer eventuellen zweiten Pandemie-Welle mal ganz abgesehen, bliebe ohne Unterstützung die große Frage.

Stehen dafür nicht die Hilfen von Senat und Bundesregierung bereit? Lach- und Tränen-Smiley zugleich! Selbstverständlich haben auch wir die Corona-Soforthilfe in Anspruch genommen, aber das ist wirklich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Unterstützung mag reichen, um Löcher zu stopfen, zum Leben reicht das nicht. Ich habe dann selbst versucht, Arbeitslosengeld für Selbstständige und einen Wohngeldzuschuss zu beantragen – keine Chance. Jeder Brief wird immer wieder mit den selben Rückfragen und der Bitte einer „Umsatzprognose“ für dieses Jahr beantwortet. Wenn ich wüsste, wie sich die Dinge in diesem Jahr entwickeln, wäre vieles einfacher. Von der Politik, zumindest für die Hauptstadt gesprochen, würde ich mir wünschen, dass ein realistischer Blick auf Kunst und Kultur geworfen wird. Besondere Orte brauchen besondere Unterstützung. Die Gelder sind da, es passiert ja auch eine ganze Menge, aber das Geld wird teilweise so sinnlos verprasst und verschleudert, dass es einem wehtut beim Zusehen.

Jetzt trommeln Sie mal laut in eigener Sache: Warum muss das Café im Kunsthaus Dahlem erhalten bleiben? Weil es eben genau so ein besonderer Ort ist! Das kann man besser verstehen, wenn man selber mal dort war. Die Räumlichkeiten sind der absolute Wahnsinn! Dazu die unglaubliche Ruhe, die der angrenzende Grunewald ausstrahlt, die vielen Vögel, das besondere Licht, das durch die Baumwipfel in das hohe Atelier strahlt. Und dazu gleich zwei großartige Museen und ein tolles Museumscafé an einem Ort.

Früher haben Sie als Zimmermann gearbeitet: Wie kam es, dass Sie den Hammer mit der Rührschüssel und dem Milchschäumer austauschten? Die ganze Geschichte wäre für diese Frage sicher zu komplex. Die Zimmermannsausbildung habe ich gemacht, weil ich ursprünglich Architektur studieren und Häuser bauen wollte. Nach meinem Zivildienst bin ich zum Radio gekommen, habe dann angefangen, Platten zu sammeln, habe als DJ aufgelegt, Veranstaltung organisiert, dann eine Werbeagentur gegründet. Schlussendlich bin ich dann eher zufällig in die Gastronomie geschlittert, als ich das Café K vor zehn Jahren eröffnet und diesen herrlichen Ort geschaffen habe. Das ist es auch, was mich am meisten reizt: Kreativ sein, besondere Orte schaffen, an denen sich Menschen glücklich fühlen, immer wieder neue Ideen haben und diese dann umsetzen. – Text: Boris Buchholz
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