Nachbarschaft

Veröffentlicht am 01.06.2023 von Boris Buchholz

Sie ist eine Wasserratte aus Überzeugung: Daniela Theile (51, Mitte, im Bild mit ihren Söhnen) ist seit 2013 Ausbildungsleiterin für das Baby- und Kleinkinderschwimmen sowie für Aquafitness der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Obwohl sie im Bezirksverband Charlottenburg-Wilmersdorf Mitglied ist, reist sie jedes Wochenende nach Steglitz-Zehlendorf: Sie leitet im Schwimmbecken des Gesundheitszentrums PrimaVita am Teltower Damm gleich neben der John-F.-Kennedy-Schule ehrenamtlich Wasserkurse für Junge, Alte und Familien. Allerdings könnte sie ab kommenden Jahr wesentlich seltener nach Zehlendorf kommen: Denn der Badbesitzer, die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), hat den Mietvertrag mit PrimaVita gekündigt; und die PrimaVita wiederum kündigte zum 31. Dezember der DLRG.

Frau Theile, wie enttäuscht sind Sie von der Kündigung der BIM?
Als ich die Kündigung zunächst telefonisch erhielt, war ich sprachlos. Ich konnte und wollte nicht glauben, was ich da gehört habe. Mir war klar, dass ich meinen Kurs-Teilnehmern die schlechte Nachricht mitteilen musste – die im schlimmsten Fall endgültig sein könnte.

Anstelle des Bades soll eine neue Mensa für die JFK entstehen. Können Sie das nachvollziehen?
Schwierig. Aus meiner Sicht ist der Preis für diese Mensa viel zu hoch. Sicherlich findet man für den Bau einer Mensa andere Möglichkeiten.

Wie haben die Eltern auf die drohende Schließung des Bades reagiert?
Alle Betroffenen waren in erster Linie fassungslos und geschockt, gerade in Anbetracht der Erfahrungen nach den coronabedingten Schließungen der Bäder: So viele Kinder können nicht schwimmen. Völliges Unverständnis wird geäußert, da doch aktuell die Medien immer wieder voll sind mit steigenden Zahlen von ertrinkenden Kindern, die nicht die Möglichkeit hatten, eine qualifizierte Schwimmausbildung zu erhalten.

Wie viele Eltern und Kinder schwimmen zurzeit bei Ihnen?
Am Samstag bietet die DRLG Charlottenburg-Wilmersdorf zwischen 9 und 12 Uhr Kurse an: Aktuell sind 90 bis 100 Kinder mit deren Eltern in der Baby- und Kinderschwimmausbildung. Außerdem werden in diesem Bad noch Kurse von Schwimmschulen, Kitas, der DLRG Steglitz-Zehlendorf oder des Deutschen Roten Kreuzes angeboten.

Sie haben auch Kurse für Ältere im Zehlendorfer Programm.
Ja, in den vier Aquafitnesskursen an den Samstagen und Sonntagen haben wir aktuell 60 bis 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Alter von 18 bis 80 Jahren.

Machen Sie das alles allein?
Nein, das Team besteht aus einer Trainerin – das bin ich –, zwei Sportassistenten, drei Ausbildungshelfern, einer Juniorhelferin und einem Helfer im Zugangsbereich.

Warum ist denn Baby- und Kleinkindschwimmen generell wichtig?
Eine frühzeitige Wassergewöhnung hat viele Vorteile für die Kinder: Sowohl für die gesundheitliche als auch für die motorische Entwicklung ist das Babyschwimmen förderlich. Bei dem einzigartigem Konzept, bei dem wir fortlaufende Kurse ab einem Alter von vier Wochen bis zum zwölften Lebensjahr der Kinder anbieten, ist eine hervorragende Ausbildung der Teilnehmer gegeben.

Ketzerisch gefragt: Was hat die DLRG davon?
Die Kinder lernen nicht nur schwimmen, durch die gute Ausbildung ist unser Nachwuchs ebenfalls gesichert. Die Kinder können später selbst als Rettungsschwimmer an den Wasserrettungsstationen oder in der Ausbildung tätig werden, wichtige Arbeit in den Gremien machen oder auch im Rettungssport aktiv sein. Die DLRG ist ehrenamtlich tätig, wir leisten so auch einen großen Beitrag dazu, in der Bevölkerung das Interesse an einem Ehrenamt zu verbreiten.

Warum reicht der Schwimmunterricht in der Schule nicht aus?
Es gibt in Berliner Schulen in der dritten Klasse Schwimmunterricht. Aber leider gibt es immer weniger Lehrer, die diesen Unterricht anbieten können. Oft fällt der Unterricht aus. Außerdem ist die Zeit viel zu knapp, um den Kindern von Grund auf das Schwimmen beizubringen. Die Schulen rufen fast alle dazu auf, dass die Kinder bereits vor dem Schulschwimmunterricht mindestens die Seepferdchen-Reife haben.

Wie schlimm wäre der Wegfall des Bades am Teltower Damm?
Aktuell ist nicht absehbar, ob es unserem Bezirk gelingen wird, ein anderes geeignetes Bad für unsere Kurse zu finden. Es müssen viele Voraussetzungen erfüllt sein, die unverzichtbar sind und die das Bad am Teltower Damm alle erfüllt. Zum Beispiel brauchen wir eine Wassertemperatur von mindesten 30 Grad; das Becken muss groß genug sein, um die hohe Anzahl an Teilnehmern zu unterrichten. Wir benötigen die Möglichkeit, die Wassertiefe variieren zu können – hier im Bad können wir den Boden herauf- und hinunterfahren. Zudem brauchen wir Platz für das benötigte Material.

Wie wichtig wäre eine S- oder U-Bahnanbindung?
Elementar. Ein zentraler Standort ist wichtig, denn wir sind der einzige DLRG-Bezirk in Berlin, der Baby- und Kleinkinderschwimmen anbietet: Zu den Kursen kommen Mitglieder aus vielen verschiedenen Berliner Bezirken. Natürlich sind wir im Bezirk bereits aktiv dabei, nach einer neuen Halle zu suchen. Jedoch braucht man ja nur mal zu schauen, wie viele Hallen aktuell saniert werden oder ebenfalls dauerhaft geschlossen wurden. Man kann sich an zehn Fingern abzählen, dass die Situation fast aussichtslos ist.

Wie hat das Bezirksamt auf die Kündigungen und den drohenden Abriss reagiert? Gab es Alternativ-Vorschläge?
Uns wurde leider keine Alternative angeboten. Es gab bis Ende Mai eine Umfrage vom Bezirk mit dem Titel „Sport und Bewegung in Steglitz-Zehlendorf“ (hier können Sie in den Ergebnissen stöbern). Bei der Befragung ging es auch darum, welche Sportstätten gebaut, ausgebaut oder qualifiziert werden sollen. Wir haben unsere Mitglieder gebeten, sich an dieser Umfrage zahlreich zu beteiligen – und auf den Erhalt des Bades zu drängen.

Das scheint geklappt zu haben: Über 4000 Menschen haben bei der Umfrage mitgemacht, in dutzenden Kommentaren sprechen sich Teilnehmer für den Erhalt des Bades aus. Aber was, wenn das nicht klappt?
Wir sind in unserem Bezirk im Bereich Baby- und Kleinkindschwimmen sehr gut organisiert und wünschen uns, dieses Angebot aufrecht halten zu können!

Was raten Sie den Eltern der Schwimmkinder, den Betroffenen und interessierten Leserinnen und Lesern, was können sie aktuell tun?
Appelliert an die Politik! Wendet Euch an den Bezirk!

Letzte Frage: Warum ist eigentlich der Bezirksverband Charlottenburg-Wilmersdorf der DLRG am Teltower Damm aktiv – und nicht die Steglitz-Zehlendorfer?
Die Steglitz-Zehlendorfer nutzen das Bad auch. Unsere Geschichte ist, dass uns vor einigen Jahren leider der Nutzungsvertrag für das Bad der Unfallbehandlungsstelle der Berufsgenossenschaften in der Wilmersdorfer Hildegardstrasse gekündigt wurde. Wir hatten das große Glück, den Nutzungsvertrag mit PrimaVita abschließen zu können.

  • Baby- und Kleinkindschwimmen: Was es kostet, wo es mehr Informationen gibt: Wenn ein Kind mitschwimmen möchte, ist es nötig, bei der DLRG eine Familienmitgliedschaft abzuschließen, das sind 120 Euro jährlich. Außerdem wird für das Bad eine Nutzungsgebühr von 15 Euro im Quartal erhoben. Alles Weitere erfahren Sie auf der Website der DLRG: charlottenburg-wilmersdorf.dlrg.de.
  • Fotos: Daniela Theile
  • Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: boris.buchholz@tagesspiegel.de