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von Sigrid Kneist

Veröffentlicht am 27.03.2018

und wieder müssen wir über einen besonders schweren Fall von antisemitischen Mobbing und Bedrohungen an einer Schule des Bezirks reden. Am Wochenende wurde bekannt, dass in der Paul-Simmel-Grundschule in Tempelhof eine jüdische Schülerin von muslimischen Mitschülern drangsaliert worden war, weil sie nicht an Allah glaubt. Unter anderem wurde ihr sinngemäß gesagt, dass Nicht-Gläubige den Tod verdienen. In einer Whats-App-Gruppe von Schülern kursierte ein Enthauptungsvideo des IS.

Ein Einzelfall? Wohl nicht. Vor einem knappen Jahr hatte der Fall eines jüdischen Jungen Schlagzeilen gemacht, der an der Friedenauer Gemeinschaftsschule massiv gemobbt und bedroht worden war, so dass er die Schule wechselte. Und im Dezember hatte es im Bezirk Mitte einen Vorfall gegeben, bei dem ein 18-Jähriger von einer Mitschülerin arabischer Herkunft beschimpft wurde, unter anderem mit den Worten: „Hitler war ein guter Mann, denn er hat die Juden getötet.“ Das sind besonders schlimme Fälle, aber auf Berliner Schulhöfen gehört das Wort „Du Jude“ zu den nicht seltenen Beschimpfungen.

Der jetzige Fall macht allerdings besonders betroffen, weil das Mobbing bereits in der zweiten Klasse stattfand. Da sind die Kinder sieben oder acht Jahre alt. Man kann sich vorstellen, wie in ihren Elternhäusern und Familien gedacht und geredet wird.

Politiker – auf Landes- und auf Bundesebene – melden sich zu Wort: Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) forderte die Gesellschaft auf, sich entschieden gegen antisemitische Äußerungen zu stellen. Auch Justizminister Heiko Maaß (ebenfalls SPD) fand deutliche Worte. Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus forderte einen Antisemitismus-Beauftragten des Landes Berlin. „Nicht zum ersten Mal scheinen Lehrer und Schulleiter mit dem richtigen Umgang mit dem Thema Antisemitismus maßlos überfordert gewesen zu sein“, sagte die integrationspolitische Sprecherin der Fraktion, Cornelia Seibeld.

Einen wichtigen Punkt griff Kultursenator Klaus Lederer (Linke) auf, der einen offenen Umgang mit solchen Aggressionen forderte. Schamhaftes Verschweigen aus Angst vor Imageproblemen dürfe es nicht geben. In diesem jüngsten Fall beklagt der Schulausschuss des Bezirks, dass er nicht informiert wurde. Und der Rektor schrieb am Montag in einer Mail, das Mädchen sein von ihren Mitschülern „angesprochen“ worden „zum Thema Glaube und Religion“. Deutliche Worte klingen anders.

Abwiegelnde Reaktionen gab es schon vor einem Jahr, nach dem Vorfall in der Friedenauer Schule. Mit dem Tenor: Man solle es jetzt auch mal gut sein lassen; der Ruf der Schule leide. Dort werde doch viel gegen Rassismus getan. Auch daran entzündete sich starke Kritik.

Der Bezirkschef der Linken, Alexander King, brachte ein weiteres Thema ins Gespräch: „Ich bin der Meinung, dass man die Vorgänge auch im Zusammenhang mit der, leider auch von Teilen der Linken und Grünen, beabsichtigten Abschwächung (oder gar Abschaffung) des Neutralitätsgesetzes diskutieren muss. Ich bin der Meinung, dass das Neutralitätsgesetz unbedingt erhalten bleiben muss, wenn wir das Vordringen von religiösem Eifer im Alltag, auf den Schulhöfen und in die Köpfe der Kinder stoppen wollen.“ Auch darüber wird noch geredet werden.

Sigrid Kneist arbeitet seit 1990 als Redakteurin in der Berlin-Redaktion des Tagesspiegels. Vor 20 Jahren hätte sie sich nicht vorstellen können, dass sie ein Jahr später aus dem Kreuzberger Graefekiez nach Mariendorf ziehen und dort bis heute bleiben würde. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihr bitte eine E-Mail an leute-s.kneist@tagesspiegel.de