Intro

von Sigrid Kneist

Veröffentlicht am 07.05.2019

über keinen deutschen Sozialdemokraten hat man in der vergangenen Woche bundesweit so viel, so kontrovers gesprochen wie über Kevin Kühnert. Den Jusochef, dessen Interview zu Sozialismus und Enteignungen Furore machte. Das rief natürlich die hiesigen Bezirkspolitiker auf den Plan. Kühnert ist ja einer der ihren. Er sitzt in der BVV – und zwar nicht in den vorderen Reihen, sondern auf einer der hinteren Bänke. An den Sitzungen nimmt er verlässlich regelmäßig teil und meldet sich immer wieder zu Wort. Dort spricht er über Luftpumpenstationen im Bezirk oder über die autonomen Jugendzentren Potse und Drugstore. Stets routiniert, oft pointiert.

Und das sagen jetzt BVV-Kollegen über den sozialdemokratischen Provokateur und die entstandene Debatte:

„Kühnert ist nach der Vision einer Gesellschaft jenseits des Kapitalismus, nach dem demokratischen Sozialismus gefragt worden. Er hat zur Beantwortung Grundlagen erläutert, wie stärker gemeinwohlorientiertes Wirtschaften möglich sein kann – mehr und nicht weniger demokratisch. Darauf nicht mit Nachdenken sondern mit Gekeife zu reagieren, gehört in die Spielecke politischer Debatte verbannt. Es sagt mehr über die intellektuelle Flughöhe der Scheuers, Kahrs und Lindners dieser Republik als über den Juso-Vorsitzenden. Und es zeigt, wie nervös die Profiteure der aktuellen Wirtschaftsordnung werden, wenn man zu denken wagt, wie es gerechter zugehen könnte.“ Lars Rauchfuß, SPD-Verordneter und Kreisvorsitzender der Sozialdemokraten, facebook.de

„Wenn jemand, der in der Bezirksverordnetenversammlung nicht einmal im Wirtschaftsausschuss ist, nun von Sozialismus und Verstaatlichung schwadroniert, dann erwarte ich von der Wirtschaftsdezernentin und Bürgermeisterin eine deutliche Ansage an ihren Parteifreund. Es ist auf keinen Fall hinnehmbar, dass in einem Bezirk, der dank Luftbrücke, Kennedy und Freiheitsglocke wie kein anderer für Freiheit steht, plötzlich unwidersprochen der Sozialismus herbeigeredet werden soll, und damit möglicherweise Investitionen und Arbeitsplätze gefährdet werden.“ Matthias Steuckardt, CDU-Fraktionsvorsitzender in der BVV.  cdu-fraktion-tempelhof-schoeneberg.de

„Dachten, der Zustand der an sich wäre eine Horrorvision. Nach Aussagen von wissen wir: das Niveau ist nach unten hin offen. Daher: lege dein -Mandat nieder! Verfassungsfeinde haben in demokratischen Gremien keinen Platz!“ FDP-Fraktion via Twitter – Sigrid Kneist
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Sigrid Kneist arbeitet seit 1990 als Redakteurin in der Berlin-Redaktion des Tagesspiegels. Vor mehr als 20 Jahren hätte sie sich nicht vorstellen können, dass sie wenig später aus dem Kreuzberger Graefekiez nach Mariendorf ziehen und dort bis heute bleiben würde. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihr bitte eine E-Mail an leute-s.kneist@tagesspiegel.de