Intro
von Sigrid Kneist
Veröffentlicht am 24.05.2022
die Aufregung um die geplante Schließung des Wenckebach-Krankenhauses in Tempelhof und die Verlagerung der Abteilungen ans Auguste-Viktoria-Klinikum in Schöneberg bleibt auch anderthalb Jahre nach Bekanntwerden der konkreten Planungen des Vivantes-Krankenhauskonzerns groß. Am Mittwoch vergangener Woche stellte die Initiative, die für die Erhaltung des Klinikstandorts kämpft, ihren Einwohnerantrag in der Bezirksverordnetenversammlung vor. Die Argumente sind bekannt und auch aus Anwohnersicht durchaus verständlich: Man möchte ein wohnortnahes Krankenhaus. Unterstützung erhielt sie durch die CDU („ohne Wenn und Aber“), Linke („aus vollem Herzen“) und AfD („seit 2018 für den Standort plädiert“).
Die Haltung der SPD war eher schwammig. Sie sei „persönlich pro Einwohnerantrag“, sagte die SPD-Verordnete Janis Hantke. Aber man müsse schon sehen, dass beispielsweise die Rettungsstelle nicht mehr genehmigungsfähig ist. Die Sozialdemokraten brachten einen Änderungsantrag ein, wonach das Klinikum „als Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung erhalten bleibt“. Die Passage, in der im Einwohnerantrag der sofortige Stopp der Verlagerung weiterer Abteilungen sowie die Erhaltung der Rettungsstelle gefordert wird, wurde gestrichen. Dem Vertreter der Initiative, Uwe Januszewski, der den SPD-Antrag mit den Worten bedachte, dass es dann auch kein Krankenhaus mehr sei, kann man da nur zustimmen. Einzig die Grünen und die FDP konnten der Verlagerungsplanung ans AVK und dem dortigen Ausbau zu einem modernen Klinikstandort etwas abgewinnen. Abgestimmt wurde aber nicht; man überwies das Thema in den Gesundheitsausschuss.
Bei den Vivantes-Planungen war es in der Tat so, dass die Bürgerinnen und Bürger aber auch der Bezirk vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Es gab zwar vor einigen Jahren schon länger Rumoren, dass das Krankenhaus geschlossen werden könnte, aber erst mit einem Aufsichtsratsbeschluss im Herbst 2020 wurden die konkreten Planungen richtig bekannt. Und bereits wenig später wurde die erste Abteilung verlagert. So wichtige Abteilungen wie Rettungsstelle und Intensivmedizin sollen in diesem Jahr noch folgen. Wäre die Diskussion anders verlaufen, wenn der Klinikkonzern die Bürger frühzeitiger einbezogen hätte? Wahrscheinlich nicht. Die Argumente wären die gleichen. Und wer hätte beteiligt werden sollen? Nur die Anwohner? Das allein wäre nicht zielführend gewesen. Eine Krankenhausplanung in der Metropole Berlin muss schon über den engen Kiez hinaus gehen.
- Sigrid Kneist arbeitet seit 1990 als Redakteurin in der Berlin-Redaktion des Tagesspiegels und lebt seit Mitte der neunziger Jahre in Mariendorf. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihr bitte eine E-Mail an sigrid.kneist@tagesspiegel.de