Intro

von Sigrid Kneist

Veröffentlicht am 29.08.2023

das neue Schuljahr, das gestern begonnen hat, macht es deutlich: An vielen Schulen fehlen Lehrerinnen und Lehrer. In Tempelhof-Schöneberg sieht es im Berlin-Vergleich noch verhältnismäßig gut aus. Auch hier gibt es allerdings Schulen, an denen Lehrkräfte in hoher Zahl fehlen, andere Einrichtungen hingegen sind gut versorgt. Auf dieser interaktiven Karte, die meine Kolleginnen und Kollegen vom Innovation Lab des Tagesspiegels zusammengestellt haben, können Sie für jede einzelne Schule sehen, wie sich die Personalsituation darstellt: interaktiv.tagesspiegel.de

Mangel in den Kitas. Auch für die Betreuung der Kita-Kinder fehlen Erzieherinnen und Erzieher. Immer wieder müssen einige Einrichtungen aufgrund von Engpässen Eltern bitten, ihre Kinder früher abzuholen, da sie die Öffnungszeiten nicht einhalten können. Vom Personalmangel sind auch die Träger der städtischen Kitas, die Kita-Eigenbetriebe, betroffen. Vier von ihnen haben sich jetzt zu einer provokanten Videoanzeige zusammengetan, um junge Menschen zum Erzieherberuf zu motivieren. Der Eigenbetrieb, der für die Region Süd-West und damit für die Bezirke Tempelhof-Schöneberg und Steglitz-Zehlendorf zuständig ist, hat sich nicht beteiligt.

Der Inhalt des Werbefilms. Im Video sind  jede Menge Vermüllung und andere nicht tragbare Zustände einer Stadt zu sehen: entsorgte Matratzen, Sperrmüll, Klohäuschen auf Radspuren, Überbleibsel alkoholgeschwängerter Nächte oder geknackte Fahrräder. Unterlegt sind die Bilder mit den Sprüchen: „Die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten, wenn man eine Matratze loswerden will“, „Die Stadt, in der es keine Probleme gibt. Nur Probleme für andere“ oder „Die Stadt, die niemals schläft, wegen der Nachbarn, wegen der Medikamente im Abwasser“. Und endet mit dem Fazit: „Die Stadt, der nichts fehlt, außer vielleicht hier und da ein ganz, ganz kleines bisschen Erziehung. Berlin braucht Erziehung. Berlin braucht dich. Finde jetzt deinen Wunschjob bei den Kitas Berlin!“

Die Reaktionen. Innerhalb von sechs Tagen wurde das Video schon mehr als eine halbe Million mal geklickt; unter Erzieherinnen und Erziehern wird heißt diskutiert. Die Geschäftsführung des Kita-Betriebs Süd-West möchte sich nicht dazu äußern, warum sie sich nicht an der Kampagane beteiligt hat. Beschäftigte einer Kita in Tempelhof nehmen hingegen kein Blatt vor den Mund. Sie finden den Clip einfach nur entsetzlich und kontraproduktiv. „Ich habe zuerst gedacht, das ist eine Persiflage eines TV-Formats wie Extra drei“, ist eine Reaktion. Das Video zeige keinerlei Wertschätzung für den Beruf der Erzieherin oder des Erziehers, eine andere. Gerade ältere Kolleginnen fühlten sich beleidigt, da der Clip auch suggeriere, dass ihnen eine Generation entgleist sei. Die gezeigten Zustände seien nun kein Problem, was auf die Kitas zurückzuführen sei, sondern eins, was die gesamte Gesellschaft betreffe, sagen Erzieherinnen. Berlin werde durch den Dreck gezogen. Außerdem erkenne man die Botschaft zunächst gar nicht, nämlich dass man junge Menschen gewinnen möchte.

Sie sind überzeugt: „Das Video ist kontraproduktiv und schreckt ab.“ Ähnliche Kommentare finden sich auch bei YouTube; dort gibt es aber auch Zustimmung – „Coole Kampagne“, „Endlich mal eine richtig gute Werbung! Also wer die Message dahinter nicht versteht, dem kann auch nicht mehr geholfen werden.“

Am besten schauen Sie sich selber mal an, was Sie von dem Video halten:   youtube.com