Kiezkamera

Veröffentlicht am 17.04.2018 von Sigrid Kneist

„Brecht wollte, dass ich Dramaturgin werde, aber darauf hatte ich keine Lust“, erzählte Ursula Ziebarth meinem Kollegen Johannes Laubmeier, als er die Schriftstellerin und Sammlerin im vergangenen Jahr für den Tagesspiegel porträtierte. „Wer …?“, fragte Laubmeier. – „Brecht.“ – „Sie kannten Bertolt Brecht?“ – „Was ist denn daran so besonders? Man kennt eben Leute.“

Im Alter von 96 Jahren ist Ursula Ziebarth am 20. März gestorben, und dass sie Leute kannte, erwies sich gestern noch einmal bei ihrem Begräbnis. Die Kapelle des Friedhofs an der Stubenrauchstraße war voll und das Berliner Ensemble gestaltete eine künstlerische Trauerfeier. Schauspielerin Antonia Bill las aus Ursula Ziebarths Lebenserinnerungen „Hervorgeholt“, erschienen 2012. Es sprachen Titus Georgi, Professor für Schauspiel und ein persönlicher Freund Ursula Ziebarths, BE-Chefdramaturg Hermann Beil, Johannes Laubmeier und Christopher Nell, Schauspieler und Sänger. Nell rezitierte aus Ursula Ziebarths Poesiealbum von 1931 und sang „O Peter“ aus „Peter Pan“ von Robert Wilson/CocoRosie. Die Schauspielerin Traute Hoess trug „Das Lied vom kleinen Wind“ von Bertolt Brecht und Hanns Eisler vor, der Jazzmusiker Martin Klingeberg spielte Trompete. „Frau Ziebarth ist da, es wird heute gut“, habe es vor Premieren am BE immer geheißen, erzählte Hermann Beil. Ursula Ziebarth hatte immer in der Mitte der ersten Reihe Platz genommen. Claus Peymann applaudierte ihr nun am Grab.

Statt Dramaturgin wurde Ursula Ziebarth Schriftstellerin, Bibliothekarin, Redakteurin, Theaterfachfrau, Sammlerin, Reisende – und blieb immer Schönebergerin. Begraben wurde sie gegenüber von Marlene Dietrich.

Kurz vor Ursula Ziebarths Tod hatte Johannes Zillhardt die Gelegenheit, die 96-Jährige für seinen Videoblog „Berliner Kindheiten“ zu interviewen. Heraus kam ein Stück persönliche Geschichte, die auch Stadt- und Kulturgeschichte ist. In der nächsten Zeit ist ein Treffen von Weggefährten Ursula Ziebarths im Robbengatter geplant, der Gaststätte im Bayerischen Viertel, die sie schon aus ihrer Zeit mit Gottfried Benn gut kannte, als das Robbengatter noch Dramburg hieß.

Text und Bild: Markus Hesselmann