Namen & Neues
Großer Dank ans Gesundheitsamt
Veröffentlicht am 31.03.2020 von Sigrid Kneist
Ihre Beine zitterten bei jedem Schritt, es war ihr egal, dieser Spaziergang musste jetzt sein. Mit einem Gang durch den Bosepark feierte Margret Claussen das Gefühl wieder gewonnener Freiheit. Margret Claussen war infiziert, sie hatte das Coronavirus. Am Samstag vergangener Woche endete die Quarantäne der 65-Jährigen, die Amtsärztin des Gesundheitsamts Tempelhof-Schöneberg hatte sie offiziell aus der Zwangspause entlassen.
Gute Begleitung. Jetzt sitzt Margret Claussen in ihrer Wohnung, durchs Fenster sieht man die Bäume des Boseparks, eine schmale Frau, noch immer gezeichnet von den Strapazen der vergangenen Tage. Aber die Teamentwicklerin sagt auch: „Es ist sehr beruhigend, dass ich vom Gesundheitsamt so hochprofessionell begleitet worden bin. Es war eine ausgezeichnete Erfahrung. Und weil eine Freundin von mir, die nur drei Straßen weiter wohnt, ähnliche Erfahrungen gemacht hat, weiß ich, dass diese gute Behandlung System hat.“
Nach der Madrid-Reise. Margret Claussen feierte Geburtstag, als ihre Leidenszeit wegen des Coronavirus‘ begann. Aber das wusste sie an diesem 12. März noch nicht. Sie wusste nur, dass sie viel Spaß hatte mit dieser Runde. Vier Freundinnen, die auf ihr Wohl anstießen. Mit einer von ihnen, eine Frau aus Hamburg, war sie kurz zuvor noch verreist. Spanien, Madrid, aber zu dem Zeitpunkt war die Millionenstadt noch kein Hotspot der Pandemie gewesen. Einen Tag nach dem Geburtstag, ein Freitag, hustete Margret Claussen immer wieder, lästig, aber nicht wirklich besorgniserregend. Doch die Spirale des Leidens begann, sich schnell zu drehen.
Liste mit Kontaktpersonen. Am Samstag rief ihre Freundin aus Hamburg an und verkündete düster: „Ich bin positiv auf das Coronavirus getestet worden.“ Ein Zufallsfund, quasi. Die Freundin hatte sich bei einem befreundeten Arzt gegen Pneumokokken impfen lassen. „Komm“, hatte sie dem Arzt gesagt, „wenn ich schon da bin, mach doch gleich auch noch einen Coronavirus-Test.“ Der Test war positiv, das teilte ihr der Mediziner schnell mit, 24 Stunden später bestätigte das Gesundheitsamt Hamburg dieses Ergebnis. Die infizierte Freundin stellte eine Liste ihrer Kontaktpersonen zusammen, Margret Claussen war einer der Namen. Claussen ging sofort ins Wenckebach-Krankenhaus und ließ sich ebenfalls testen. Ein Ergebnis stehe erst in drei, vier Tagen fest, hörte sie.
Amtliche Quarantäne. Am Montag meldete sich das Gesundheitsamt Tempelhof-Schöneberg und erklärte: „Das Gesundheitsamt Hamburg teilte uns mit, dass Sie Kontakt mit einer positiv getesteten Person hatten.“ Margret Claussen antwortete, dass sie sich deshalb schon einen Tag zuvor habe testen lassen. Ein Ergebnis gab es noch nicht. Aber an diesem Montag ging es der 65-Jährigen schon erheblich schlechter. Zu ihrem Husten kamen noch heftige Gliederschmerzen.
Am Dienstag meldete sich die Amtsärztin des Gesundheitsamts und erklärte: „Frau Claussen, Sie sind positiv getestet.“ Sie fragte nach Symptomen und ordnete noch am Telefon eine amtliche Quarantäne an. Dann sprach sie mit Dirk Claussen, dem Ehemann. Auch ihn stellte sie amtlich unter Quarantäne. „Die Ärztin war superfreundlich, superprofessionell, total zugewandt“, sagt Margret Claussen. „Sie sagte, dass ich zwei-, dreimal am Tag Fieber messen und sofort Paracetamol nehmen soll, wenn das Fieber über 39 Grad steigen sollte. Sie war total nett.“ Weitere Hinweise folgten: Bei Atemnot oder Beklemmung in der Brust sofort ins Krankenhaus und mitteilen, dass sie positiv getestet sei. Außerdem musste sie alle Kontaktpersonen aufschreiben. Darunter war auch die Freundin, die drei Straßen weiter wohnt. Auch die wurde kurz darauf telefonisch unter Quarantäne gestellt.
Freundlich und fürsorglich. Der schriftliche Bescheid folgte wenig später. Dirk Claussen stand zwar auch unter Quarantäne, aber er zeigte bis zum Schluss keine Symptome. Einen Tag nach der Quarantäne-Entscheidung meldete sich das Gesundheitsamt schon wieder bei Margret Claussen. Diesmal wollte ein Mitarbeiter freundlich und fürsorglich wissen, ob es besser gehe. An diesem Tag bedankte sich die Patientin für die „lückenlose Begleitung und das Interesse an meiner Person“. Und sie lobte, „dass in Tempelhof-Schöneberg alles so toll organisiert ist“. Der Mitarbeiter lobte ebenfalls, allerdings seine eigene Führungsebene. „Wir haben eine ausgezeichnete Leitung des Gesundheitsamts. Die hat wirklich alles im Griff.“ Den Eindruck hatte Claussen auch.
Die entscheidende Frage. Zwei Tage vor Ende der Quarantäne erfolgte erneut ein Anruf des Gesundheitsamts. Ein Mitarbeiter fragte nach Margret Claussens Befinden, er wollte wissen, wann sie zuletzt Symptome und Fieber gehabt hatte. „Vier Tage zuvor“, antwortete sie. Nur 24 Stunden später fragte ein Mitarbeiter des Gesundheitsamts erneut nach ihrem Zustand. Und stellte die entscheidende Frage: „Waren Sie die vergangenen 48 Stunden ohne Symptome?“ – „Ja“. Darauf folgte der erlösende Satz: „Sie können damit rechnen, dass die Amtsärztin heute oder morgen die Quarantäne aufheben wird.“ Wieder ein Gespräch, das Margret Claussen wie ein Streicheln ihrer Seele empfand. „Er war total zugewandt, die ganze Zeit sehr freundlich, mitfühlend, unterstützend. Ich habe mich absolut aufgehoben gefühlt.“ Wenn die Pandemie vorüber ist, sagt sie, „werde ich mich beim Gesundheitsamt mit Blumen und Pralinen bedanken“.
Text: Frank Bachner
+++ Dieser Text stammt aus dem Tagesspiegel Leute-Newsletter für Tempelhof-Schöneberg. Jeden Dienstag kostenlos per Mail erhalten: leute.tagesspiegel.de
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