Namen & Neues
Homophober Bibelvers im Schaufenster
Veröffentlicht am 30.06.2020 von Sigrid Kneist
Der kleine koreanische Imbiss „Ixthys“ in der Pallasstraße hat es schon in etliche Reiseführer geschaftt; so mancher Artikel wurde geschrieben, auch im Tagesspiegel. Die Mischung aus gutem koreanischen Essen und dem außergewöhnlichen Ambiente – im gesamten Raum hängen Zettel mit Bibelzitaten – macht einfach neugierig. Betreiberin Park Young-Ai bezeichnet sich als gläubige Christin. Auch der Name des Imbisses deutet darauf hin: Ixthys ist das altgriechische Wort für Fisch, ein Erkennungszeichen der frühen Christen. Ein Zitat aber, das sie präsentiert, löst jetzt sehr viel Unverständnis aus. In einem Schaufenster hängt ein Spruch aus dem dritten Buch Moses: „Und einem Mann sollst Du nicht beiliegen, wie man einem Weib beiliegt; Greuel ist dies.“ Eine klare Verdammung von Homosexualität. Und das in einem Lokal im Schöneberger Regenbogenkiez.
Beim Lesben- und Schwulenverband Berlin sind deswegen schon mehrere Beschwerden eingegangen. In einem Brief fordern nun Yasmine Blanche-Werder (Vorstand) und Jörg Steinert (Geschäftsführer) die Inhaberin auf, die „herabwürdigende Botschaft“ abzuhängen: „Viele Mitglieder des Verbands sind gläubige Menschen“, heißt es in dem Schreiben. Die Glaubensgemeinschaften hätten sich in den letzten Jahren gewandelt. „Ein Widerspruch zwischen sexueller Identität und Glauben wird immer seltener gesehen. Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass einzelne aus dem Zusammenhang gerissene Bibelzitate wenig geeignet sind, sich den Themen Sexualität und Partnerschaft angemessen zu widmen.“ Bisher gebe es aber keine Berichte queerer Menschen, die dort nicht bedient worden seien, sagt Steinert auf meine Anfrage. Auch Kulturstadtrat Matthias Steuckardt (CDU) wurde schon aktiv. Er ging bei dem Lokal vorbei, wollte erst einmal das persönliche Gespräch mit der Inhaberin suchen, traf sie aber nicht an.
„Gottes Plan“. Nein, sie werde das Zitat nicht abhängen, sagt mir Park Young-Ai in einem Telefongespräch. In der Bibel stehe, dass Homosexualität eine Sünde sei. Es gehe um die Errettung dieser Menschen. Homosexualität sei gegen Gottes Plan. Wenn Frauen Frauen liebten und Männer Männer, gebe es auch keinen Nachwuchs. Werden Schwule und Lesben im Imbiss bedient? Natürlich, sagt Park Young-Ai. „Wir lieben auch die Leute.“ Sie habe die Hoffnung, „dass sie zu Gott finden“.
Antwort mit Bibelversen. „Ich bin traurig, dass immer noch viele Menschen – darunter auch evangelische Christen – glauben, die sexuelle Orientierung eines Menschen ändern zu können und sogar zu ,müssen'“, sagt Jörg Litwinschuh-Barthel von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Er hält mit zwei Bibelzitaten dagegen: „Gott bestimmt nicht! Er ist es ja, der euch berufen hat.“ Und: „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue.“ (Galaterbrief, Kapitel 5, Verse 8 und 22)
Einladung zum Gottesdienst. Diese sprach der Lesben- und Schwulenverband aus. Er lud Park Young-Ai zum CSD-Gottesdienst am 24. Juli (18 Uhr) in der Marienkirche in Mitte ein. Sein Thema: „Liebe tut der Seele gut.“
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