Namen & Neues
Gasometer-Ausbau: Protest auch aus dem Bezirksamt
Veröffentlicht am 17.11.2020 von Joana Nietfeld
An diesem Mittwoch steht wieder einmal die Zukunft des Schöneberger Gasometers auf der Tagesordnung der Bezirksverordnetenversammlung. Anlass ist eine Große Anfrage der CDU-Fraktion. Diesmal geht es aber weniger um die Frage, wie hoch denn nun die Stahlkonstruktion auf dem Euref-Campus ausgebaut werden soll, sondern vielmehr darum, ob denn das Bezirksamt als Ganzes den in der Höhe umstrittenen Ausbau mitträgt. Hintergrund der CDU-Anfrage mit dem Titel “Was sagt der große Manitu: Spricht das Bezirksamt beim Ausbau des Gasometers … mit gespaltener Zunge?”: Die Stadträtin Christiane Heiß (Grüne), zuständig für Bürgerdienste, Ordnungsamt, Straßen- und Grünflächenamt, hat einen offenen Brief der Anwohner-Initiative an das Landesdenkmalamt unterzeichnet. In dem Schreiben wird Landeskonservator Christoph Rauhut “eindringlich” gebeten, “keiner Änderung des Bebauungsplanentwurfs 7-29 zuzustimmen, die einen Innenausbau des Gasometers im Bereich der oberen beiden Felder bzw. der oberen drei Stahlgerüstringe ermöglicht”. Schreiben der Initiative an ihre Bezirksamtskollegen, Baustadtrat Jörn Oltmann (ebenfalls Grüne) und Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) unterschrieb Heiß hingegen nicht.
Was ist mit dem Denkmalschutz? Der Anwohnerinitiative will erreichen, dass beim Innenausbau mindestens die drei oberen Gerüstringe bzw. die oberen beiden Felder des Gasometers frei bleiben. So sieht es bisher auch der Denkmalschutz vor. In der Bezirksverordnetenversammlung gibt es aber eine große Mehrheit dafür, dass man angesichts der Bedeutung dieses Euref-Projekts von dieser Regelung absehen kann, zumal Investor Reinhard Müller auch weitergehende Zusagen bei der Entwicklung des Areals gemacht habe. Vor allem auf Seiten der Sozialdemokraten gibt es besonders viel Zustimmung. Baustadtrat Oltmann sieht ebenfalls keine Bedenken.
Unverständnis bei der CDU. „Wir dachten immer, das Bezirksamt spricht mit einer Stimme. Frau Heiß gehört dem Bezirksamt an“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Daniel Dittmar nun zu der Unterschrift der Stadträtin unter eins der Schreiben der Bürgerinitiative. „Die CDU-Fraktion erwartet von Frau Heiß und der Bezirksbürgermeisterin Schöttler in der nächsten BVV eine Klarstellung: Gilt für die Bezirksstadträtin in der Öffentlichkeit künftig der Bezirksamtsbeschluss oder die Positionierung der Bürgerinitiative?“, sagt der stadtentwicklungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Ralf Olschewski. Zudem möchte die Union wissen, ob das Bezirksamt einen Loyalitätskonflikt sieht.
Protest auf der Roten Insel. Unterdessen hat die Anwohnerinitiative auch eine Onlinepetition gestartet. Bis zu diesem Dienstagmittag haben sich dort mehr als 3000 Menschen gegen den beinahe kompletten Gasometer-Ausbau beteiligt. Für die Initiative ist der Gasometer ein einzigartiges Industriedenkmal und stellt “eine weit über den Bezirk hinaus erkennbare Landmarke mit herausragender stadtbildprägender Wirkung dar. Für die Rote Insel hat der Gasometer, besonders seit der Stilllegung im Jahr 1995, in seiner jetzigen Form mit der Durchsicht durch das monumentale Stahlgerüst eine erhebliche identitätsstiftende Bedeutung erlangt.“
Eine Anfrage an Heiß blieb unbeantwortet. Bekannt ist jedoch, dass sie sich schon vor Jahren dafür engagierte, die einzigartige Konstruktion des Gasometers zu erhalten. „Der Gasometer hat sein Eigenleben. Bei stürmischen Winden fängt er an zu singen. Die Stare versammeln sich dort, bevor sie nach Süden fliegen. Die Sonne geht spektakulär unter hinter dem Stahlgerippe“, sagte sie 2010 – damals als Vertreterin der Bürgerinitiative – dem Tagesspiegel. In der Initiative aktiv ist sie laut einem Schreiben ihres Ehemanns – ebenfalls ein Streiter gegen den Ausbau – an das BVV-Büro heute nicht mehr.
Text: Sigrid Kneist