Namen & Neues

Eine Frage der Höhe: Kontroverse Diskussion um den Gasometer

Veröffentlicht am 23.02.2021 von Sigrid Kneist

An diesem Mittwoch endet die Bürgerbeteiligung im Bebauungsplanverfahren für den Ausbau des Gasometers auf dem Euref-Campus. Wie berichtet, soll die knapp 80 Meter hohe Stahlkonstruktion beinahe komplett mit einem Bürogebäude ausgebaut werden. Den Abschluss in Höhe sollen ein kuppelähnlicher Bau sowie eine öffentlich zugängliche Dachterrasse bilden. Hier kommen Sie auf die Seite für das Bebauungsplanverfahren und die Bürgerbeteiligung.

Gegen das Projekt regt sich vor allem in der Anwohnerschaft der Roten Insel Widerstand, eine neue Bürgerinitiative gründete sich. Die Anwohner sorgen sich unter anderem um den Denkmalschutz, Verschattung der anliegenden Grundstücke und vom Gebäude ausgehenden Lichtverschmutzung. Bei der Online-Petition “Gasometer retten” haben bislang rund 7600 Menschen unterschrieben. Hingegen ist die Zustimmung in der Bezirkspolitik groß. Eindeutig dagegen positioniert haben sich nur die Linken im Bezirk. Baustadtrat Jörn Oltmann (Grüne) ist ein Befürworter des Projekts, obwohl die jetzt geplante Bebauung über das hinausgeht, was der Denkmalschutz bisher für angemessen hält. Während einer öffentlichen Online-Informationsveranstaltung in der vergangenen Woche, die im Rahmen der Bürgerbeteiligung stattfand und mit rund 140 Teilnehmern auf großes Interesse stieß, twitterte der offizielle Account der Grünen aus Tempelhof-Schöneberg: “Bei Tag und bei Nacht: Der Neubau des Gasometer setzt auf Energieeffizienz, schonendes Renovieren und Vermeiden von Lichtsmog.” 

Kritik an den Grünen. Vertreter der Initiative sprachen von „Investoren-PR“ und konterten mit einem Zitat aus dem Wahlprogramm der Grünen von 2016: “Gleichzeitig beharren wir darauf, dass auch ein Projekt mit solch innovativen Unternehmenszielen in Dimensionen realisiert werden muss, die dem bezirklichen Umfeld angemessen sind. Es darf nicht dazu führen, dass im Interesse eines Investors geltendes Planungsrecht außer Kraft gesetzt wird.” Und auch innerhalb der Grünen im Bezirk ist das Vorhaben umstritten. Bezirksstadträtin Christiane Heiß unterzeichnete im vergangenen Herbst ein Schreiben der Initiative an den Landeskonservator und nahm an einer Abstimmung des Bezirksamts zur Neuauflage eines Bebauungsplans wegen Befangenheit nicht teil.

Eine entschiedene Gegnerin der jetzigen Pläne ist auch die Vorsitzende des Vereins “Denk mal an Berlin” und ehemalige Bezirksbürgermeisterin sowie Stadträtin für Stadtentwicklung, Elisabeth Ziemer, ebenfalls eine Grüne: “Das filigrane Gerüst, das jetzt weithin sichtbar ist und zur Stadtsilhouette Berlins gehört, darf nicht bis in das oberste Geschoss hinein zugebaut werden.“ Ziemers vollständige Einwände im Rahmen der Bürgerbeteiligung können Sie auf der Seite der Bürgerinitiative lesen.

In der Online-Diskussion wies Investor und Euref-Geschäftsführer Reinhard Müller darauf hin, dass nicht mehr zur Debatte steht, ob ausgebaut wird. Darüber gebe es mit den beteiligten Verwaltungen Einvernehmen. “Es geht nur noch um die Höhe”, sagte Müller. Man brauche diesen Ausbau, um genügend Fläche in dem Gebäude für rund 2000 Arbeitsplätze zu haben. Auch Oltmann betonte, dass das Baurecht für den Ausbau bereits 2008 geschaffen wurde. Allerdings sah das Projekt eine niedrigere Höhe vor. Nach den damaligen Planungen sollte der Gasometer soweit bebaut werden, dass zwischen den Ringen zwei Felder freibleiben, nun soll es nur noch ein Feld sein.

Wirtschaftlich wichtig. Für Oltmann ist es kein Problem, da der Investor auf dem gesamten Gelände insgesamt weniger baut – nur noch 135.000 Quadratmeter Geschossfläche, statt 163.800 Quadratmeter wie zunächst geplant. Er nennt die außerordentliche wirtschaftliche Bedeutung des Standorts. Nur durch eine wirtschaftliche Nutzung könne das Baudenkmal erhalten werden. Außerdem habe sich Euref-Chef Müller dazu verpflichtet, das Gasometer-Gerüst während des Ausbaus instandzusetzen. Vom Bezirksvorsitzenden der Linken, Alexander King, kam anschließend harte Kritik an den Stellungsnahmen Oltmanns und Müllers: „Ein Investor, der seine Planung bereits bis ins Detail unter Dach und Fach hat, und ein Stadtrat, der dem Investor assistiert und jegliche Kritik der Anwohner in Bausch und Bogen zurückweist, das ist die Karikatur einer Bürgerbeteiligung.“

BVV muss Bebauungsplan beschließen. Bei der Aufstellung des neuen Bebauungsplans muss Oltmanns Behörde die Einwendungen sowohl der Bürger als auch der beteiligten Verwaltungen – auch des Denkmalschutzes – berücksichtigen. Die Entscheidung darüber liegt aber bei der Bezirksverordnetenversammlung, die dem Bebauungsplan dann zustimmen muss. Wie Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt in seinem Berlin-Newsletter Checkpoint schrieb, bat Euref-Chef Müller in einer E-Mail-Aktion bereits zum dritten Mal „Freundinnen und Freunde des EUREF-Campus“, „positive Stellungnahmen“ abzugeben: „So kommen nicht nur die Gegner des Projekts zu Wort.“ Beigefügt waren einige Textpassagen zur Begründung, u.a. „Sie könnten beispielsweise begrüßen, dass 2.000 innovative und neue Arbeitsplätze rund um die Energie- und Mobilitätswende in Berlin geschaffen werden und dass eine öffentlich zugängliche Skylounge im oberen Bereich entstehen wird, mit einem tollen Blick über ganz Berlin.“

  • Der Schöneberger Eiffelturm. Tagesspiegel-Kolumnistin Pascale Hugues verglich den Gasometer hingegen mit dem Pariser Wahrzeichen. Sie forderte die Leserinnen und Leser in ihrer Kolumne auf, das Stahlbauwerk vor seiner Entstellung zu retten. Lesen Sie hier Ihren Artikel bei T+, dem digitalen Premiumbereich des Tagespiegels (Artikel, Probeabo). Einen Überblick über aktuelle Artikel bei T+ finden Sie hier: tagesspiegel.de/plus

Simulation: Euref

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