Namen & Neues

Bleibt der Süden ohne Anschluss? Die Pläne der Bahn

Veröffentlicht am 09.03.2021 von Sigrid Kneist

Die jüngsten Aussagen der Deutschen Bahn zu einem geplanten neuen S-Bahnhof Kamenzer Damm und einem Regionalbahnhof Buckower Chaussee sind vor allem bei Unternehmensinitiativen im Süden des Bezirks auf heftige Kritik gestoßen. In einer Antwort auf eine Anfrage (hier als PDF) des CDU-Abgeordneten Christian Zander gab die Senatsverkehrsverwaltung die Stellungnahme der Bahn wieder. Darin heißt es: „Nach ersten Erkenntnissen hätte ein zusätzlicher Regionalbahnhalt an der Buckower Chaussee negative Auswirkungen auf die Betriebsqualität auf der Strecke. Die Errichtung eines neuen S-Bahnhofes Kamenzer Damm würde grundsätzlich zu einer Reisezeitverlängerung in Richtung Blankenfelde führen. Da südlich von Lichtenrade eingleisige Abschnitte vorliegen, würde eine Verlagerung der Zugkreuzung entstehen, sodass voraussichtlich ca. 5 Minuten Fahrzeitverlängerung nach Blankenfelde entstehen würden.“

Dresdner Bahn mit Vorrang. Das Land plant laut der Antwort des Verkehrsstaatssekretärs Ingmar Streese (Grüne) zwar, beide Bahnhöfe zu realisieren; Vorrang haben aber die Ausbauarbeiten für die Dresdner Bahn, und bestellt bei der Deutschen Bahn hat das Land die Bahnhöfe auch noch nicht. Zudem heißt es: „Bedingung für eine Umsetzung ist die nachgewiesene betriebliche Machbarkeit sowie ein positiver Wirtschaftlichkeitsnachweis.“ Wenn man die Stellungnahme der Bahn liest, scheinen dort daran auf jeden Fall Zweifel zu bestehen.

Ein zentrales Element. Der S-Bahnhof Kamenzer Damm ist aus Sicht des Mariendorfer Unternehmensnetzwerks Großbeerenstraße, in dem sich vor allem mittelständische Unternehmen zusammengeschlossen haben, „ein wichtiges zentrales Element der modernen und klimagerechten Standortentwicklung unseres Gewerbegebiets nicht nur zwischen der Kamenzer Damm/Lankwitzer Straße und Ringstraße“. Der Bahnhof sei sinnvoll und ökologisch notwendig. „Verkehr – egal welcher Natur – gehört wenn irgend möglich auf die Schiene, das sollte jetzt auch mal die letzte Konzernetage verstanden haben“, schreibt Netzwerksvorstandsmitglied René Mühlroth. Von der Politik erwarte man „eine klare Haltung mit Rückgrat, Leidenschaft und Durchsetzungskraft sowohl auf kommunaler, Landes- und Bundesebene“, damit dieser S-Bahnhof mit vernünftiger Anbindung – so  schnell wie möglich gebaut werden könne. Eine ausführliche Stellungnahme will das Netzwerk auf seiner Homepage veröffentlichen.

Keine langes Warten. Auch Guido Schütte von der Enwicklungsgesellschaft Investa Real Estate, die das Gewerbegebiet Marienpark auf dem Areal des ehemaligen Mariendorfer Gaswerks betreibt, hält es für notwendig, den Bahnhof so schnell wie möglich zu bauen. „Wir hoffen, dass den Beteiligten im Zuge der Planung klar wird, dass eine gleichzeitige Realisierung mit der Dresdner Bahn und die gleichzeitige Inbetriebnahme die wirtschaftlich beste Variante ist. Daher sind der sofortige Abruf des S-Bahnhofs durch Berlin und der umgehende Beginn der Planung zwingend notwendig“, sagte Schütte. Man wundere sich, dass jetzt über verlängerte Fahrzeiten diskutiert werde: „Das ist unstrittig und kann nicht geändert werden, wenn ein neuer Halt kommt. Wenn man politisch hinter dem neuen Bahnhof steht, ist dieser Punkt einfach zu akzeptieren.“ Schon seit Jahren warten laut Schütte die auf dem Areal ansässigen Unternehmen auf den Bau des Bahnhofs und werden immer wieder „mit fadenscheinigen Begründungen“ vertröstet.

Weiter im Süden des Bezirks setzt sich das Unternehmensnetzwerk Motzener Straße, ebenfalls ein Zusammenschluss mittelständischer Betriebe, seit Jahren dafür ein, dass aus dem S-Bahnhof an der Buckower Chaussee auch ein Haltepunkt für die Regionalbahn entsteht. Auch dieses Projekt müsse im Zuge der Arbeiten für die Dresdner Bahn verwirklicht werden. „Für uns ist klar, dass es für den Bau des Regionalbahnhalts lediglich den Zeitraum bis zur Inbetriebnahme der Dresdner Bahn gibt“, sagt Ulrich Misgeld, der Vorsitzende des Netzwerks. „Wir glauben nicht, dass später diese wichtige Strecke für Baumaßnahmen gesperrt wird, für die Jahrzehnte Zeit war.“ Man blicke neidvoll auf die Aktivitäten bei der Planung der Siemens-Bahn, die bis Ende der Zwanzigerjahre zwischen Jungfernheide und Gartenfeld reaktiviert werden soll. „Es drängt sich schon der Eindruck auf, dass es eine Ungleichbehandlung zwischen den Interessen eines Großbetriebes und vieler mittelständischer Unternehmen gibt“, sagte Misgeld.

Diesen Punkt greift auch der CDU-Abgeordnete Zander auf. „Für die Siemensbahn hat sich der Senat mehr ins Zeug gelegt.“ Er vermisse „das klare Bekenntnis des Senats und das Versprechen, dass die beiden Bahnhöfe gebaut werden“. Die Antwort des Senats beunruhige ihn, „da die tatsächliche Umsetzung wieder ins Wackeln zu geraten scheint“. Der Regionalhalt sei für das Industriegebiet Motzener Straße von großer Bedeutung, der S-Bahnhof Kamenzer Damm unter anderem für den wachsenden Marienpark.

Das sagt der Bezirk. Anders als die Wirtschaftsinitiativen stellt Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) es nicht in den Fokus, dass die Bahnhöfe erst nach dem Ausbau der Dresdner Bahn gebaut werden sollen. „Wichtig und gemeinsames Ziel ist die Fertigstellung der Dresdner Bahn bis Ende 2025“, sagt Schöttler. Das unterstütze der Bezirk voll und ganz. Man habe die Zusage, dass die Bahnhöfe auch anschließend gebaut werden könnten. Der Bezirk erwarte vom Senat und der Deutschen Bahn, dass die Untersuchungen zur betrieblichen Machbarkeit und zur Wirtschaftlichkeit beauftragt werden. Auf dieser Basis könne dann das Land Berlin die Bahnhöfe bei der Deutschen Bahn bestellen, die Zeitplanung könne aktualisiert werden. In der angegebenen Verlängerung der Fahrzeit sieht Schöttler kein Hindernis. Der Bezirk halte  den Nutzen durch die zusätzlichen Bahnhalte und Zugangsmöglichkeiten zum S-und Regionalverkehr für  deutlich größer als diesen angegebenen Nachteil. Der Bezirk lasse „in seinem Bemühen um die Realisierung beider Bahnhöfe keinesfalls nach“.

Und das passiert in diesem Jahr. Die Bauarbeiten für die Dresdner Bahn werden gravierende Auswirkungen auf den Verkehr der S2 haben. Da Ferngleise verlegt werden, wird die Bahn zwischen Priesterweg und Blankefelde in den Sommerferien nicht fahren. Welche Einschränkungen es auch später geben wird, hat mein Kollege Jörn Hasselmann aufgeschrieben: tagesspiegel.de.
Foto: Jörn Hasselmann

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