Namen & Neues

Späte Premiere: Die BVV tagt erstmals digital

Veröffentlicht am 23.03.2021 von Sigrid Kneist

Vor einem Debakel, wie es in Friedrichshain-Kreuzberg im Dezember passierte, graut es dem Bezirksverordnetenvorsteher Stefan Böltes (SPD). Dort musste seine Kollegin Kristine Jaath (Grüne) die erste Digitalsitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) nach einer Stunde wegen technischer Probleme abbrechen, wie meine Kollegin Nele Jensch damals berichtete. Und auch in dieser kurzen Zeit war nur wenig von dem zu verstehen, was Bezirksverordnete und die Mitglieder des Bezirksamts zu sagen hatten.

Das soll Böltes nicht passieren. Ohnehin sind Tempelhof-Schöneberg und Spandau die beiden letzten Bezirke, die an diesem Mittwoch auf eine BVV via Videokonferenz und Übertragung per YouTube umschalten. In Bezirken wie Reinickendorf wurde schon fast ein halbes Dutzend Mal online getagt. Und es klappte reibungslos. Treptow-Köpenick hielt zunächst die Sitzung einige Male in einer hybriden Form ab – Verordnete, die nicht ins Rathaus kommen wollten, konnten am Bildschirm teilnehmen; aber die letzte BVV wurde volldigital abgehalten, und selbst die Online-Abstimmungen funktionierten gut. In Pankow gab es die Premiere im vergangenen Monat.

In Tempelhof-Schöneberg waren die rechtlichen Voraussetzungen bereits im Januar durch eine Novelle des BVV-Gesetzes im Abgeordnetenhaus sowie auf Bezirksebene durch eine Änderung der BVV-Geschäftsordnung geschaffen worden. Im Februar musste das Plenum der Bezirksverordneten jedoch noch ein weiteres Mal in der Sporthalle tagen; es gab – wie berichtet – Schwierigkeiten mit dem Erwerb eines Zugangs zu dem Konferenzportal WebEx durch den Bezirk. Böltes meldete sich schließlich mit seinem privaten Account an. Die Zugangscodes lagen dann aber nicht rechtzeitig vor der Sitzung vor. Der Ablauf hätte zudem nicht mehr mit den Bezirksverordneten getestet werden können.

An diesem Mittwoch also ist es jetzt auch hier so weit. Die BVV war seit Mai auf die Schöneberger Sporthalle am Sachsendamm ausgewichen, da im Rathaus Schöneberg die Abstandsregelungen nicht eingehalten werden können. Am vergangenen Freitag startete Böltes mit seiner Stellvertreterin Martina Zander-Rade (Grüne) und Schriftführer Scott Körber (CDU) einen letzten Probelauf im Rathaus. Bei einem vorherigen Probedurchgang hatten sich bereits rund 30 BVV-Mitglieder eingewählt.

Aus dem John-F.-Kennedy-Saal im Rathaus wird Böltes am Mittwoch – unterstützt von Zander-Rade und Körber – die Sitzung leiten, während sich die 52 übrigen Bezirksverordneten über Laptops, Smartphone oder Tablets dazuschalten werden. Mit im Saal sind die Mitarbeiter des BVV-Büros und natürlich die Techniker, ohne die ein reibungsloser Ablauf nicht möglich wäre. Vor den drei Mitgliedern des BVV-Präsidiums ist ein großer Monitor postiert, auf dem sie die Bezirksverordneten sehen können.

Als direkte Teilnehmer sind nur die BVV-Verordneten zugelassen. Allerdings bekommen auch Bürger, die eine Einwohneranfrage stellen, einen Zugangscode. „Die Öffentlichkeit gewährleisten wir über einen Livestream auf YouTube“, sagt Böltes. Dort können Interessierte die BVV verfolgen. Das ist wichtig. Denn die Öffentlichkeit der Sitzung ist vorgeschrieben. Sollte etwa die YouTube-Übertragung ausfallen und dadurch keine Zuschauer mehr dabei sein können, könnten etwa Beschlüsse anfechtbar sein, da sie nicht-öffentlich getroffen worden wären. Den Link für den YouTube-Livestream finden Sie hier.

Bei den Abstimmungen hat man sich laut Böltes auf folgendes Vorgehen geeinigt: „Ich frage zunächst die Fraktionsvorsitzenden ab, wie die Fraktion stimmt.“ Anschließend werde er die Verordneten fragen, wer von dieser Linie abweichen möchte.“ Das müsse dann einzeln geäußert werden. Böltes muss während der Sitzung auch den begleitenden Chat im Auge behalten. Denn dort sollen sich die Verordneten melden, wenn sie reden oder einen Antrag zur Geschäftsordnung stellen möchten. Die Chat-Funktion soll ausschließlich dafür genutzt werden – und nicht etwa für Kommentare zu einzelnen Redebeiträgen. Eine Online-BVV, die überdies bis zu viereinhalb Stunden dauern soll, vernünftig zu leiten, werde schon eine ziemliche Herausforderung für die Konzentration, sagt Böltes.

Künftig soll jedes Mal aufs Neue überlegt werden, wie die BVV stattfinden soll. „Klar ist für uns, dass eine Videokonferenz eine Präsenzsitzung nicht ersetzen kann, sondern als Vehikel dient. Daher ist immer gut abzuwägen, ob eine Präsenzsitzung in der Sporthalle Schöneberg mit einem ausgefeilten Hygienekonzept oder eine digitale Sitzung stattfindet“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Daniel Dittmar.

Die BVV beginnt am Mittwoch, 24. März, um 17 Uhr. Laut der Tagesordnung, die sie hier finden, beschäftigen sich die Bezirksverordneten unter anderem mit Themen wie Bürohunden, Tempo 30 auf dem Mariendorfer Damm und Sportbetrieb während der Pandemie. Ausführlich wird es in der Sitzung um den Tempelhofer Damm gehen (siehe die folgende Meldung).

 

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