Namen & Neues

Räumungstermin für die Potse: Letzte Hoffnung auf eine Lösung, Antrag in der BVV und Proteste in der linken Szene

Veröffentlicht am 27.04.2021 von Sigrid Kneist

Kann die Räumung der Potse in den verbleibenden drei Wochen bis zum angesetzten Termin noch abgewendet werden, indem doch noch ein neues Domizil für das autonome Jugendzentrum gefunden wird? Bausenator Sebastian Scheel (Linke) ist in Gesprächen mit den Potse-Aktivisten über die alte Zollgarage auf dem Flughafen Tempelhof. Scheels Sprecherin Katrin Dietl, sagte, dass daran gearbeitet werde, eine entsprechende Lösung hinzubekommen, Mitglieder des Kollektvs hätten sich die Räume schon angesehen. Der Vorteil an der Zollgarage sei, dass sie vergleichsweise schnell herzurichten und nutzbar sei.

Hintergrund. Am vergangenen Sonntag machten die Potse-Leute öffentlich, dass der Räumungstermin für den 19. Mai festgesetzt worden sei. Seit dem 31. Dezember 2018 hält das Jugendzentrum die Räume in der Potsdamer Straße besetzt, die es vorher jahrzehntelang regulär nutzen konnte. Der Mietvertrag war ausgelaufen, und der Eigentümer der Immobilie wollte keine Verlängerung mehr. Das zweite dort ansässige Jugendzentrum Drugstore gab hingegen damals seine Räume auf. Seitdem ist die Situation verfahren, eine Lösung nicht in Sicht.

„Verhandlungen auf einem guten Weg“. Die Linken-Fraktion fordert in einem Ersetzungsantrag für die BVV an diesem Mittwoch einen Stopp der Räumung. Diese wäre zum jetzigen Zeitpunkt „grotesk und gemeingefährlich – auch der Bezirk kann kein Interesse daran haben, jetzt einen Massenauflauf von Polizisten, betroffenen Jugendlichen und Demonstrierenden inmitten eines Gebiets mit vielen Corona-Infektionen zu provozieren“, heißt es in einer Pressemitteilung der Linken. „Die Verhandlungen zwischen Senat, Bezirk und den betroffenen Jugendlichen sind auf einem guten Weg und es muss jetzt abgewartet werden, bis ein Ergebnis für die Nutzung der Räume vorliegt.“ Auch auf Senatsseite gibt es Stimmen, die sich über den jetzt angesetzten Räumungstermin wundern und ihn für kontraproduktiv halten. Die Zollgarage auf dem Flughafen Tempelhof wird bisher unter anderem als Ort für Informations- oder Bürgerbeteiligungsveranstaltungen genutzt. Der Raum in dem Flachbau ist 482 Quadratmeter groß.

Das sagt der Jugendstadtrat. Oliver Schworck (SPD) verweist darauf, dass es seit Monaten ein vollstreckbares Räumungsurteil gebe. Nur wenn wirklich feststehe, dass die Potse andere Räume akzeptiere und dorthin ziehe, könnte eine Räumung verhindert werden. Ansonsten halte er daran fest; man könne nicht ewig warten. Nach dieser langen Vorgeschichte sei es auch nicht überraschend, dass es jetzt einen Termin dafür gebe. Dabei wolle wirklich niemand eine Räumung mit Polizeieinsatz; sie sei eigentlich auch nicht notwendig, sagt Schworck. Der Bezirk sei immer im Gespräch gewesen, habe Alternativen gesucht und werde das auch weiter tun.

Haltung der Potse. Das Kollektiv misstraut aber diesen Aussagen: „Wenn wir erstmal raus sind, gibt es keinen politischen Druck mehr, etwas für uns zu tun“, sagt ein Sprecher. „Das Kollektiv ist traurig und wütend über diese Entwicklung. Doch wir halten weiterhin an unserer Forderung fest, die Potse erst zu verlassen, wenn uns und dem Drugstore adäquate Ersatzräumlichkeiten geboten werden“, erklärten die Aktivisten. „Desweiteren ist die Räumung eines Jugendzentrums innerhalb einer globalen Pandemie ein jugendpolitisches Desaster.“ Ob die alte Zollgarage eine geeignete Alternative sei, hänge von einigen Faktoren ab, sagt ein Sprecher des Potse-Kollektivs. Bisher gebe es dort keine Sanitäranlagen. Fragen des Lärmschutzes müssten geprüft werden, auch, ob Nebenräume abgetrennt werden könnten. Und ebenso müsse Klarheit darüber herrschen, wie lange man den Raum nutzen kann. Er bezweifle, dass all diese Fragen bis zum Räumungstermin geklärt werden könnten.

Alle bisherigen vom Bezirk angebotenen Objekte lehnte die Potse ab. Auch das Angebot vom Bezirk, einen Saal im Lichtenberger Rockhaus für Konzerte zu mieten, wurde als ungeeignet abgelehnt. Das Kollektiv Drugstore zog diesen in Erwägung. Allerdings stieß das Jugendzentrum auf Skepsis und Ablehnung der anderen Nutzer im Rockhaus. „Für die Jugendlichen keine gute Erfahrung“, sagt Schworck. Für ruhigere Aktivitäten von Drugstore hat der Bezirk bereits seit 2019 Räume in der Potsdamer Straße 143 gemietet. Diese sind aber nach wie vor nicht so umgebaut worden, dass sie ein Jugendzentrum nutzen kann. Es habe eine große Kostensteigerung gegeben, sagt Schworck. Veranschlagt seien derzeit rund eine halbe Million Euro, die er nicht einfach so im Etat habe. Für diese Räume zahle der Bezirk monatlich rund 6000 Euro Miete. Für die besetzten Räume fielen nach Schworcks Angaben für den Bezirk in den Jahren 2019 und 2020 insgesamt Kosten in Höhe von 286.000 Euro an – für Nutzungsentgelt, Rechtsanwalt, Entsorgung. Die Miete für die einstigen Räume betrug im Jahr 2018 rund 13.000 Euro im Monat.

Mobilisierung in der linken Szene. Nachdem zuletzt in Kreuzberg die Kiezkneipe Meuterei geräumt wurde, wird in der Szene genau verfolgt, was in Schöneberg passiert. Die Potse hat Symbolcharakter. In einschlägigen Internetforen – unter anderem bei Indymedia – wird schon für den 19. Mai mobilisiert.

Foto: dpa

+++ Das ist ein Ausschnitt aus unserem Newsletter Tempelhof-Schöneberg. Jeden Dienstag kostenlos: leute.tagesspiegel.de

+++ Die Themen der Woche:

  • Ein kleines Wäldchen in Form eines Flugzeuges: Die Mariendorferin Drea Berg hatte schon in den Neunzigern Ideen fürs Tempelhofer Feld
  • Kein Anschluss am Container: Darum stehen die Tempohomes weiter leer
  • Radeln, parken, liefern: Die Sorgen der Händler am Tempelhofer Damm
  • Räumungstermin für die Potse: Proteste in der linken Szene
  • Personal für den Mietendeckel: So werden die Mitarbeiter jetzt eingesetzt
  • Engagement für Ältere: Peter Witt ist jetzt Vorsitzender der Seniorenvertretung +++ Schöneberger Schätze: Die Kunstwerke aus dem Museumsdepot
  • Die Playlists der SPD-Kandidatinnen und Kandidaten: Was Kevin Kühnert & Co gerne hören