Namen & Neues

Kündigung nach mehr als 20 Jahren

Veröffentlicht am 25.01.2022 von Sigrid Kneist

Die Kündigung kam unverhofft. Am 5. Januar überbrachte ein Bote das Schreiben, dass der Mietvertrag für den Bioladen „Ährensache“ in der Apostel-Paulus-Straße zum 31. März gekündigt werde. „Wir wurden völlig überrascht“, sagt Geschäftsinhaberin Ute Quintilius. Sie hat vor 25 Jahren mit ihrem Mann Richard Schuler das Geschäft „Ährensache“ gegründet. Damals noch an einem Standort ein paar Häuser weiter in der Apostel-Paulus-Straße. Der Laden wuchs aber, man brauchte mehr Platz und zog deswegen um. Dass das Geschäft jetzt weichen soll, macht im Kiez schnell die Runde und stößt auf großes Unverständnis und Empörung. Der Bioladen ist gut vernetzt. Aus vielen verschiedenen Ecken erreichte mich in den vergangenen Tagen die Nachricht des drohenden Aus für die „Ährensache“.

Engagement aus der Nachbarschaft. Der Rückhalt von Kundinnen und Kunden für das Geschäft ist groß. Auch Franziska Exeler, die mit ihrer Familie im Kiez wohnt, kann nicht verstehen, warum „Ährensache“ gekündigt wurde. Sie ist entsetzt, will es nicht auf sich beruhen lassen, sondern etwas tun. Sie startete in der vergangenen Woche eine Online-Petition mit dem Ziel, den Laden zu retten. Die Petition wurde bis zum Redaktionsschluss schon von mehr als 1050 Menschen unterstützt. „Kleine Läden wie „Ährensache“ machen den Kiez individuell und besonders“, sagt Exeler. „Ich bin ein großer Fan von kleinen Kiezläden.“ Die Biomärkte oder andere Supermärkte sähen überall gleich aus. Der Laden werde auch häufig von Eltern und Kindern genutzt, die auf Spielplätzen in der Umgebung spielten. Dort könne man schnell etwas zu essen oder trinken kaufen und das in Bioqualität. Alternativen gebe es in unmittelbarer Gegend kaum. Für Exeler ist die Kündigung des Bioladens auch ein Symbol für die fortschreitende Gentrifizierung im Kiez.

Das Haus und der Vertrag. „Als wir in die Apostel-Paulus-Straße 40 zogen, hatten wir zunächst einen Fünf-Jahres-Vertrag“, sagt Quintilius. Das Gebäude gehörte damals einem Eigentümer aus München. Später wurde der Vertrag in einen unbefristeten Mietvertrag mit gesetzlicher Kündigungsfrist umgewandelt; aber Gewerbemietverträge bieten aufgrund der gesetzlichen Regelungen längst nicht so viel Schutz wie Wohnungsmietverträge.

Unstimmigkeiten mit einer Hausbewohnerin. Das Haus gehört inzwischen einem irischstämmigen Eigentümer, der in Australien lebt. Warum er jetzt die Kündigung aussprach, darüber könne sie nur spekulieren, sagt Quintilius. Allerdings gebe es beinahe seit dem Einzug vor mehr als 20 Jahren immer wieder Beschwerden einer einzelnen Hausbewohnerin. Sie hätten aber stets die Unstimmigkeiten mit der Hausverwaltung ausräumen können, sagt Quintilius, Eine Abmahnung habe es beispielsweise nie gegeben. Die Kündigungsfrist von drei Monate sei zudem nicht rechtmäßig, das Gesetz sehe sechs Monate vor, sagt die Bioladen-Betreiberin. Die Hausverwaltung sagt auf Anfrage lediglich, dass sie den Auftrag des Eigentümers hatte, dem Bioladen zu kündigen.

Bitte um Unterstützung. Quintilius hat sich jetzt auch an das Bezirksamt – an die Wirtschaftsförderung und an Stadtentwicklungsstadträtin Angelika Schöttler (SPD) – gewandt und um Unterstützung gebeten. Schöttler sieht aufgrund des Gewerbemietrechts  keine Möglichkeit des Eingreifens. „Wir haben auch keinen Einfluss darauf, welches Einzelhandelsgeschäft dort dann einzieht“, sagt Schöttler.

Gesetze auf Bundesebene. Politisch sieht Schöttler großen Handlungsbedarf, die Gesetze zu ändern. Sie würde sich wünschen, dass das Gewerbemietrecht zu Gunsten der Mieter deutlich mehr Schutzfunktionen biete. Das Beispiel „Ährensache“ zeige gut, wo der Verbesserungsbedarf liegt. „Das Unternehmen hat einen unbefristeten Mietvertrag, ist seit 20 Jahren dort tätig und kann trotzdem innerhalb eines halben Jahres gekündigt werden. So können seriös keine langfristigen Investitionen getätigt werden oder ruhigen Mutes ein Geschäft aufgebaut werden“, sagt Schöttler. „Auch ein gut laufendes Geschäft kann so jeder Zeit zerstört werden.“ Da das Mietrecht bundesrechtlich geregelt sei, müssten Verbesserungen auf Bundesebene herbeigeführt werden.