Namen & Neues
BVV beschließt Ausbau zur Fahrradstraße
Veröffentlicht am 20.12.2022 von Sigrid Kneist
Da beschloss die Bezirksverordnetenversammlung in der vergangenen Woche, dass die Handjerystraße in Friedenau zur Fahrradstraße ausgebaut werden soll, und alle Fraktionen stimmten zu, nur nicht die Grünen. Sie votierten dagegen. Das klingt doch nach verkehrter Welt. War es aber nicht. Der Grund für dieses Abstimmungsverhalten liegt darin, dass mit einem Antrag der FDP und der SPD die ursprünglichen Planungen für die Straße noch einmal entschieden verändert wurden. Nach Auffassung der Grünen derart, dass dies nicht mehr den Vorgaben für eine Fahrradstraße entspricht.
Die Sozialdemokraten, eigentlich Partner der Grünen in der bezirklichen Zählgemeinschaft, begründen diese Veränderungen damit, dass jetzt der Schutz für vulnerable Verkehrsteilnehmer, also vor allem Kinder, besser gewährleistet wird. Zwischen Perelsplatz und Isoldestraße soll für Kinder weiter ein Schutzstatus wie in der bisherigen Spielstraße garantiert werden, und an der Kreuzung Schmiljanstraße soll eine Radverkehrsampel errichtet werden. Aber der wichtigste Punkt der Änderungen besteht darin, dass im südlichen Teil der Handjerystraße zwischen Renée-Sintenis-Platz und Bundesallee die Parkplätze – besonders die Behindertenparkplätze – erhalten bleiben. Begründet wird es damit, dass so die Teilhabe mobilitätseingeschränkter Menschen am Straßenverkehr gesichert werden könne.
Um den Wegfall von Parkplätzen auf der Straße zugunsten der Fahrradstraße wurde das ganze Jahr über heftig gestritten. Die CDU hatte zu diesem Thema vor einigen Monaten eine Umfrage im Kiez gestartet, die starke Kritik eines Teils der Anwohner am geplanten Wegfall deutlich machte. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Marijke Höppner (SPD) verwies jetzt in der Debatte darauf, dass fast alle Fraktionen sich bemüht hätten, einen Kompromiss bei dem Bekenntnis zur Fahrradstraße zu finden. Zustande gekommen sei eine „breite Mehrheit für ein Projekt der Verkehrswende, um die Schwächsten im Verkehr zu schützen“. Die Linke zeigte sich ebenfalls mit den neuen Plänen einverstanden: „In polarisierten Zeiten wie diesen halte ich es für wichtig, die Menschen nicht vor den Kopf zu stoßen“, sagte der Linken-Bezirksverordnete Martin Rutsch.
Dieser Argumentation folgten die Grünen nicht. „Scheinbar geht es um den Schutz der Kinder, aber in Wahrheit geht es um die Erhaltung von Parkplätzen“, sagte Astrid Bialluch-Liu. Der jetzige Beschluss verstößt nach Auffassung der Grünen unter anderem gegen die Regelungen des Mobilitätsgesetz und andere gesetzliche Straßenverkehrsverordnungen. Es sei nicht zu ändern, dass Parkplätze wegfallen. Die Grünen verweisen darauf, dass im Leitfaden Fahrradstraßen des Landes Berlin Gestaltungsstandards festgelegt sind, an die sich die Bezirke bei der Einrichtung einer Fahrradstraße zu halten hätten, etwa die Abstandsregelungen zu parkenden Autos oder Vorfahrtsregeln.
Heftige Kritik kam auch von der Organisation Changing Cities, die sich für die Verkehrswende und für die Belange von Radfahrern engagiert. Sie warf vor allem der SPD vor, sich von der Verkehrswende zu verabschieden. „Die SPD klammert sich an Träume aus vergangenen Tagen, als der Aufstieg des ‚kleinen Mannes‘ mit einem eigenen Auto gekrönt wurde. Diese Zeiten sind aber nun wirklich lange vorbei, und die SPD muss aufpassen, dass sie den Anschluss an die Realität nicht verpasst“, sagt Ragnhild Sørensen von Changing Cities.