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Gescheiterter Vorkauf: Das sind die Folgen

Veröffentlicht am 24.01.2023 von Sigrid Kneist

Das Land Berlin hat den langjährigen Rechtsstreit um den bezirklichen Vorkauf eines Gebäudekomplexes in der Schöneberger Großgörschen-/Katzlerstraße in letzter Instanz verloren. Ende November wies der Bundesgerichtshof die Beschwerde der Senatsfinanzverwaltung gegen die Nichtzulassung der Revision zurück und bestätigte damit ein Urteil des Kammergerichts. Erst Anfang Januar hatte das oberste Gericht die Entscheidung zu dem seit mehr als sieben Jahren anhängigen Verfahren veröffentlicht. juris.bundesgerichtshof.de

Darum geht es: Im Februar 2015 hatte der Bezirk Tempelhof-Schöneberg sein Vorkaufsrecht für die drei bundeseigenen Mietshäuser zugunsten der Wohnungsbaugesellschaft Gewobag geltend gemacht. Damals war noch Sibyll Klotz (Grüne) als Baustadträtin im Amt. Die Bundesimmobilienanstalt Bima hatte die drei Häuser an einen Investor verkauft. Dieser weigerte sich, eine Abwendungserklärung gegenüber dem Bezirk zu unterzeichnen, durch die die Mieter hätten geschützt werden sollen. In solchen Erklärungen wurden unter anderem der Verzicht auf Luxusmodernisierung und auf Umwandlung in Eigentumswohnungen festgeschrieben.

Senkung des Verkehrswerts. Die Gewobag konnte und wollte allerdings nicht den vom Investor gezahlten Kaufpreis in Höhe von 7,8 Millionen Euro übernehmen; dieser sei nicht wirtschaftlich und durch Mieten zu decken, lautete das Argument. Ein Verkehrswert von 7,1 Millionen Euro wurde ermittelt. Aufgrund der Lage im Milieuschutzgebiet senkte das Bezirksamt diesen Wert auf 6,35 Millionen Euro.

Gegen diesen Kaufpreis klagte aber die Bima. 2017 hatte das Landgericht festgestellt, die Ausübung eines Vorkaufsrechts setze voraus, dass ein Missverhältnis zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem Verkehrswert liege. Das Gericht urteilte, dass der Unterschied in diesem Fall „kein relevantes Missverhältnis“ darstellt. 2020 bestätigte das Kammergericht die Entscheidung, ebenso wie jetzt der Bundesgerichtshof. Das höchste Gericht stützte sich auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2021, mit der die bisherige Vorkaufspraxis generell für unrechtmäßig erklärt wurde. Dies geht aus der Antwort von Stadtentwicklungsstadträtin Angelika Schöttler (SPD) auf eine mündliche Anfrage des Linken-Bezirksverordneten Harald Gindra hervor.

Folgen für die Mieter. Unmittelbare Konsequenzen aus dem Urteil für die Wohnungsmieter sieht Schöttler nicht. Gemäß dem Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ müsse der Käufer die sich aus den Mietverhältnissen ergebenden Rechte und Pflichten übernehmen. Anders sieht es bei den gewerblichen Mietern aus. Hier sei das gesetzliche Schutzniveau im Gewerbemietrecht von vornherein deutlich geringer als es bei Wohnungsmietverträgen der Fall ist, sagte Schöttler. Das könnte Folgen für den dort ansässigen Integrationsverein Harmonie haben. Er könnte seine Räumlichkeiten in der Katzlerstraße 11 verlieren. Schöttler: „Nach Kenntnis des Bezirksamts wird bereits seit längerem über den Fortbestand des Mietvertrages zwischen dem Verein und der Käuferin vor dem Zivilgericht gestritten.“

Reaktion der Linken. „Das Tragische an diesem Fall ist, dass zwei öffentliche Einrichtungen gegeneinander prozessierten“, sagte Gindra. Die Bima sei damals noch daran gebunden gewesen, an den Höchstbietenden verkaufen zu müssen. Sie habe in jenen Jahren zahlreiche Wohnimmobilien auf dem Berliner Markt angeboten. In der Zeit, als Wohnraum knapp wurde in Berlin, habe sich die bundeseigene Gesellschaft so „an der Immobilienspekulation beteiligt, statt gegenzusteuern“. Gindra teilt Schöttlers Einschätzung hinsichtlich der Konsequenzen für Wohnungsmieter nicht. Er befürchtet negative Folgen: „Zur Refinanzierung werden Eigentümer immer versuchen, Mietsteigerungspotentiale auszuschöpfen, oder mit größeren Modernisierungsmaßnahmen und deren Umlage bzw. durch Umwandlung in Eigentumswohnungen ihre Einnahmen zu erhöhen.“ Genau aus diesem Grund sei ja das Vorkaufsrecht angewandt worden. Dieses müsse künftig wieder gesetzlich gesichert werden.