Namen & Neues
Erinnerung an Annedore und Julius Leber: Die Planungen für die Baracke
Veröffentlicht am 18.07.2023 von Sigrid Kneist
Die Mauer am künftigen Lern- und Gedenkort Annedore und Julius Leber zur Torgauer Straße hin ziert jetzt ein Kunstwerk des Grafikers und Fassadenkünstlers Alexander von Freeden. Zu lesen ist dort, wo einst die in den Jahren des Nationalsozialismus von den Lebers betriebene Kohlenhandlung stand, in bunten Lettern der Schriftzug „Verschwörerbude“. Auf den ersten Blick könnte man das für beleidigend halten. Aber schon der genannte Urheber des Worts lässt ahnen, dass mitnichten der Widerstandskämpfer und Sozialdemokrat Julius Leber, der von den Nazis hingerichtet wurde, und seine Frau Annedore herabgewürdigt werden sollten. Bundespräsident Theodor Heuss (FDP) benutzte den Begriff in einem Brief von Ende Dezember 1949 an Annedore Leber.
Er schrieb: „Die zwei kleinen Zimmer in dem fragwürdigen Häuschen, nahe bei dem Bahnhof Schöneberg, zwischen den Kohlenbergen der Firma B. Meyer & Co. war[en] eine rechte Verschwörerbude. Manchmal klingelte es an der äußeren Tür, und Leber mußte dann wohl in den vorderen Raum, um einen Kunden zu vertrösten. Aber in der Hinterstube, auf verhockten Sesseln, hatte die politische Leidenschaft ihre Herberge, verachtender Haß und brennende Liebe.“ So hat es der Arbeitskreis, der sich für den Lern- und Gedenkort engagiert, dokumentiert. Heuss gehörte in der Weimarer Republik ebenso wie Leber dem Reichstag an; die Familien waren befreundet.
Die Planungen. Schon seit mehr als zehn Jahren gibt es die Bemühungen des Arbeitskreises und des Stadtteilvereins Schöneberg, den Bau zu entwickeln und die dort stehende Baracke zu einem Lern- und Gedenkort auszubauen. Inzwischen nehmen die Planungen weiter Gestalt an. Die Mauern des verwahrlosten und baufälligen Baus will man nutzen und so ein kleines Veranstaltungs- und Ausstellungszentrum schaffen. Lottomittel in Höhe von 350.000 Euro waren bereits vor mehr als einem Jahr bewilligt worden. In der Zwischenzeit stiegen jedoch die allgemeinen Kosten fürs Bauen stark. Die Lottostiftung benötigte daher einen neuen Finanzierungsplan, wie Martina Fiebelkorn, Vorsitzende des Stadteilvereins Schöneberg, sagt. Man habe eine neue Finanzierung mit Einbeziehung von Spenden und Krediten vorgelegt. Dieser Finanzierungsplan liege derzeit bei der Senatsverwaltung für Bauen zur Prüfung. Man hoffe weiterhin, noch in diesem Jahr mit dem Bau beginnen zu können. Die reinen Baukosten beziffert Fiebelkorn mit 550.00 Euro.
Vom Journalisten zum Kohlenhändler. Der Sozialdemokrat Julius Leber war 1933 zu 20 Monaten Gefängnis verurteilt worden, anschließend war er von 1935 bis 37 in den Konzentrationslagern Esterwegen und Sachsenhausen interniert. Nach seiner Freilassung konnte er nicht mehr in seinem eigentlichen Beruf als Journalist tätig sein; er begann als Kohlenhändler in der Firma „Bruno Meyer Nachf.“, in der er 1939 Teilhaber wurde. 1943 weitete er seine aktive Widerstandsarbeit aus, intensivierte seine Verbindungen zum Kreisauer Kreis und lernte auch Claus Schenk Graf von Stauffenberg kennen. Bereits vor dem geplanten Attentat vom 20. Juli wurde er aber am 5. Juli 1944 von der Gestapo in der Kohlenhandlung verhaftet. Der Volksgerichtshof unter Roland Freisler verurteilte ihn im Oktober 1944 in einem Schauprozess zum Tode. Das Urteil wurde am 5. Januar 1945 in Plötzensee vollstreckt.
Nach dem Krieg. Seine Frau Annedore Leber, die nach der Verhaftung ihres Mannes ebenfalls vorübergehend inhaftiert wurde und sich nach dem Krieg als Sozialdemokratin engagierte, baute 1950 die Kohlenhandlung wieder auf; dort gründete sie auch ihren Mosaik-Verlag. Dessen Veröffentlichungen sollten ein demokratisches Bewusstsein und das Verständnis über die Notwendigkeit des Widerstands im Nationalsozialismus schaffen. Annedore Leber starb 1968. – Foto: Arbeitskreis