Namen & Neues
Strukturell unterfinanziert: Bürgermeister kritisiert Finanzpolitik
Veröffentlicht am 01.08.2023 von Sigrid Kneist
Ein Aufreger sind aus Sicht der Bezirke – aber auch der Gewerkschaften – der im Frühjahr beschlossene Umbau der Leitungsebene und die Schaffung neuer, hoch dotierter Stabsstellen in den Senatsverwaltungen. Diese sollen mit 2,45 Millionen Euro zu Buche schlagen, wie in der vergangenen Woche bekannt wurde. In der Kritik steht insbesondere die neue Position des Leiters des Leitungsstabs, dessen Posten brutto mit 8150 Euro monatlich vergütet und in die hohe Besoldungsstufe B2 eingruppiert ist. Bezirksbürgermeister Jörn Oltmann (Grüne) warf die Frage auf, wie die hohe Stufe mit dem Besoldungsrecht in Einklang zu bringen ist. Eine von ihm dazu vor der Sommerpause eingebrachte Vorlage wurde vom Rat der Bürgermeister einstimmig angenommen. In der Bezirksverwaltung liegt laut Oltmann beispielsweise eine Amtsleiterin oder ein Amtsleiter mit Personalverantwortung für 200 oder 250 Stellen drei Besoldungsstufen darunter, verdient also erheblich weniger.
Warnender Brief. Ohnehin war im Frühsommer die Empörung in den Bezirken groß. Sie sahen sich im Haushaltsentwurf von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) nicht annähernd so berücksichtigt, wie sie es für notwendig halten. Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) hatte daraufhin in einem warnenden Brief im Namen aller Amtskollegen aus den anderen Bezirken drastisch deutlich gemacht, was die Folgen sein würden. Harte Einschnitte wurden angekündigt, sollte das Land Berlin nicht mehr Geld für die Bezirke lockermachen. Es drohten Kürzungen bei der Jugendarbeit, bei Weiterbildung, Kultur, bei der Suchthilfe, der Straßensozialarbeit und der Obdachlosenhilfe. Bürgerämter, für die die Bezirke Miete bezahlen, könnten geschlossen werden. Mehr dazu können Sie hier lesen: tagesspiegel.de. Wenig später stellte der Finanzsenator den Bezirken insgesamt 100 Millionen Euro pro Jahr mehr in Aussicht.
Zu wenig Geld. Insgesamt spricht Oltmann davon, dass die Bezirke schon seit vielen Jahren strukturell unterfinanziert sind. Die jetzt von Evers zugesagten 100 Millionen „reichen hinten und vorne nicht“, sagt der Bezirksbürgermeister. Die Bezirke hatten 250 Millionen Euro pro Jahr mehr gefordert. Das Problem habe nicht erst mit diesem Senat begonnen. Schon heute stünden drei Bezirke – Marzahn-Hellersdorf, Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf – mit dem Rücken an der Wand. „Die verfügen nicht mehr über Ergebnisrücklagen, die sie in die Lage versetzen, ihre Haushalte so aufzustellen, dass die Einnahmen ausreichen, um die Ausgaben zu finanzieren.“ In Tempelhof-Schöneberg werde es in zwei Jahren so weit sein, wenn nicht gegengesteuert werde. Noch habe der Bezirk Rücklagen in Höhe von 17 Millionen Euro; die brauche man aber jetzt, um den Haushalt 2024 darzustellen. Schon im vergangenen Jahr seien die Rücklagen in allen Bezirken zusammen um 31 Millionen Euro geschmolzen. „Wenn Sie das mit einem privaten Haushalt vergleichen, müssten Sie jetzt an das Sparkonto ran, um Ihre laufenden Ausgaben zu finanzieren“, sagt Oltmann.
Kampf um die Etats. Für die Bezirke sind die Spielräume im Haushalt gering. Das allermeiste Geld ist gebunden für Personalkosten etwa oder die Pflichtaufgaben der Verwaltung. Lediglich über fünf Prozent können die Bezirke frei verfügen und dort eigene Schwerpunkte setzen. Nach den Ferien werden die Debatten weitergehen; die Haushaltsberatungen auf Bezirks- und Landesebene werden in ihre Schlussphase gehen. Übrigens: Auf die Frage, warum die häufig mit Parteifreunden besetzten Posten so hoch vergütet werden, antwortete der Senat recht schmallippig: „Die höhere Bewertung basiert auf einer politischen Entscheidung des Senats.“