Kiezgespräch

Veröffentlicht am 18.09.2018 von Judith Langowski

Was ist das: Beliebtes Thema bei jung und alt, öko und Autofan, Immobilienhai und Mieterinitiative zugleich? Die Berliner Wohnungspolitik. Damit kann man sich bei jeder Party Freund und Feind machen. Besonders gut geht das beim Tempelhofer Feld.

Wie sehen die Leute-Leser*innen die Randbebauungspläne? Natürlich sind viele dagegen und wollen das Feld so erhalten, wie es jetzt ist: Als Freifläche, die sich der Bürgerwille erkämpft hat. Als Symbol für Demokratie. “Mit Volksentscheidungen darf nicht leichtfertig umgegangen werden”, schreibt Wolfgang Lorenz. “Ein rückgängig Machen des Gesetzes würde viele enttäuschte Bürger zurücklassen und Parteien wie der AfD in die Arme treiben, die sich ja grundsätzlich für Volksentscheidungen ausspricht”, schreibt Patrick Reinecke. Das sollte man sich gut überlegen.

Wehret den Anfängen, sagen Andere. Wenn es jetzt fünf Prozent sind, was passiert dann in fünf Jahren? “Was wäre, wenn damals schon die sieben Prozent bebaut worden wären”, schreibt Leser Dominik Facklam, “dann wären jetzt weitere zehn Prozent wahrscheinlich die Forderung.” Seine Namensverwandte Dominique Ecken hat ähnliche Bedenken: “Wir alle wissen doch, wenn Investoren und andere mit Geld in der Tasche Druck machen, knicken die Politiker wieder ein und die Bebauung wird immer weiter ausgeweitet. Siehe den ehemaligen Mauerstreifen in Friedrichshain”, schreibt sie. Paul Bostanjoglo findet, dass hier Stimmung gemacht wird, wie sie gegen die Altbauviertel in den 70er und 80er Jahren gemacht wurde. Die Akteure seien hinter dem Feld her “wie hinter dem Fell eines prächtigen Bären, um es als Trophäe zu erbeuten.” Dem müsse man eine klare Absage erteilen, damit der “wichtigste Ort der Begegnung und Freiheit in dieser Stadt” nicht verloren ginge.

Den Stress der Wohnungsnot spüren aber viele Leser*innen auch. Sie wollen etwas gegen den Stillstand machen. Da muss man eben auch auf ein komplett freies Feld verzichten: “Die Beseitigung des Wohnungsproblems in Berlin ist ein ‘must’. Die unveränderte Erhaltung des Tempelhofer Feldes ist ein ‘nice to have’ “, schreibt Bernhard Lohr. Und nicht nur die Wohnungsnotbekämpfung ist ein Argument für die Bebauung, sondern auch die Ästhetik: Leserin Stefanie Brüning ist für “eine schöne, abwechslungsreiche Gestaltung – wie im Central Park!”

Gabriele Hauser ist bei der Volksabstimmung vor zehn Jahren quer über das Feld geradelt, um sich vor ihrem Votum ein Bild von der Fläche zu machen. Sie fand, dass die Mitte des Flugplatzes überhaupt nicht genutzt wird. “Eine Randbebauung würde folglich immer noch genug Fläche für die diversen Aktivitäten von Berlinern lassen”, schreibt sie. Sie ist “für die Änderung des Gesetzes bei der derzeitigen Wohnungssituation”.

Während Micaela, langjährige Tempelhof-Bewohnerin, die früher auch in den Genuss des Fluglärms kam, für eine Bebauung mit möglichst bunten Generationenhäusern, Genossenschaften und bloß keinen “Heuschrecken-Investoren” ist, weist Leserin Ute Tillich darauf hin, dass Wohnungen nicht ohne Infrastruktur bleiben. Danach kommen “Parkplätze, Erschließungsautobahnanschlüsse, Einkaufs- und Versorgungscenter, Tankstellen etc.” Auch Mirjam Brockmann fragt sich, wie die Wohnungen wohl erreichbar sein werden. Sollen die Bewohner*innen später mit dem Auto hinkommen? Denn: “Sobald es Verkehr auf dem Tempelhofer Feld gibt, geht viel verloren”, schreibt sie.