Kiezgespräch

Veröffentlicht am 16.04.2019 von Sigrid Kneist

Manches lernt man in der Schule eben doch fürs Leben. Mich hat einst im Lateinunterricht der Schwanengesang aus Carl Orffs Carmina Burana so tief berührt, dass ich die ersten Zeilen nie vergessen habe: „Olim lacus colueram, olim pulcher extiteram, dum cignus ego fueram – Einst schwamm ich auf den Seen umher, einst lebte ich und war schön, als ich ein Schwan noch war.“ An dieses Klagelied eines Schwans, der in der Carmina Burana allerdings im Ofen landete, um verspeist zu werden, musste ich in Mariendorf immer wieder einmal denken. Hier ging es den Schwänen oft nicht gut. In vergangenen Jahren wurden sie im Volkspark mehrfach Opfer von Tierquälern, in diesem Jahr wurde ihnen dort mit der Sanierung des Blümelteichs buchstäblich das Wasser abgegraben.

Als Ausweichquartier suchte sich ein Schwanenpaar Ende Februar das benachbarte Sommerbad an der Rixdorfer Straße. In den beiden Becken zog es fortan – etwas verloren – seine Runden. Bei den Bäderbetrieben hieß es stets, man achte darauf, dass die beiden kein Nest bauten. Sollte es entsprechende Bemühungen geben, werde man sie vertreiben. Denn sobald Schwäne nisten, stehen sie unter Schutz – und das Schwimmbad könnte nicht eröffnet werden.

Diese Befürchtung ist jetzt ohnehin obsolet. Einer der Schwäne ist tot. Er starb, so sagte man mir im Bezirksamt, vor gut einer Woche beim Landen im ausgetrockneten Blümelteich, nachdem die beiden das Bad verlassen hatten und zu ihrem ursprünglichen Lebensraum zurückgekehrt waren. Der Vogel war gegen ein Hindernis im trockenen Teich gestoßen. Etliche Parkbesucher beobachteten, wie das Tier ums Leben kam und auch die Feuerwehr nicht helfen konnte. Der andere Schwan kehrte wieder zurück ins Sommerbad – und schwimmt nun einsam in den Pools. Nur ein paar Enten leisten ihm jetzt Gesellschaft. Eine Chronik hat die Schwimmbloggerin Bianca Tchinda hier zusammengestellt.

Einige Mariendorfer hatten sich schon zuvor um das Leben der Tiere gesorgt; es schien ihnen nicht richtig und dem Tierwohl entsprechend, dass sich die Wasservögel so lange in den Pools aufhielten. Vor allem konnten sie dort im Wasser kein Nest bauen, dazu brauchen sie Schilf oder andere Uferpflanzen zur Befestigung. Die Anwohner benachrichtigten also den Bezirk, die Bäderbetriebe, Wildtierretter und Tierverbände. Es passierte aber nichts. Nur ein Angestellter des Bades fütterte hin und wieder, weil es in den Becken nichts zu fressen gab. Jetzt gibt es starke Kritik am Verhalten der Bäderbetriebe. Auch von der Wildtierrettung Oranienburg: „Was sollen wir denn noch tun, außer unentgeltlich unsere Hilfe anzubieten? Nun ist ein Schwan tot und der Partner den Rest seines Lebens einsam. Ob die Schwäne bereits ein Gelege hatten, ist auch ungeklärt. Sorry, Berliner Bäderbetriebe. Da habt ihr ganz großen Mist gemacht. Die beiden Schwäne gehen auf eure Kappe“, schreibt die Organisation auf Facebook. Die Tierretter bieten an, sich um den verbliebenen Schwan zu kümmern.

Der Sprecher der Bäderbetriebe weist die Vorwürfe zurück: Man habe sich mit dem Bezirksamt und Tierrettern verständigt, in der Woche nach Ostern aktiv zu werden. Dieser Zeitpunkt sei allen Beteiligten als ideal erschienen, „weil gleich im Anschluss das Wasser aus den Becken gelassen wird und in dieser Folge sichergestellt werden kann, dass die Schwäne nicht zurückkehren“.

Hoffen wir also, dass der Schwan nicht nur vertrieben, sondern an ein passendes Gewässer gebracht wird.