Kiezgespräch

Veröffentlicht am 15.03.2022 von Sigrid Kneist

Pipiposse geht weiter. In der vergangenen Woche habe ich über die neue Toilettenanlage am Crellemarkt berichtet, die direkt vor der Silas-Kirche steht und deren Pissoirs weniger als zwei Meter vom nächsten Marktstand entfernt sind. In der vergangenen Woche hat man vor den einsehbaren Pinkelbecken jetzt noch einen Sichtschutz gebaut. Der funktioniert aber nur, wenn man direkt davor steht. Seitlich hat man immer noch den guten Einblick. Wie das jetzt ausschaut, können Sie hier sehen.

Gemeinde meldet sich zu Wort. Der Gemeindekirchenrat der Königin-Luise- und Silas-Gemeinde hat sich jetzt an die für Straßen zuständige Stadträtin, Saskia Ellenbeck (Grüne), gewandt: Man sei „sehr enttäuscht darüber, dass mit uns als direkt Betroffenen keinerlei Kontakt im Vorfeld aufgenommen wurde“. Die bisherige Platzgestaltung sei bereits nicht sehr liebevoll gewesen. „Aber dass nun in der Sichtachse des Altars ausgerechnet eine Toilette platziert wurde, hat doch eine andere Qualität“, schreibt Steffen Kuhn vom Gemeindekirchenrat. Er möchte zudem wissen, ob bei der Planung die Interessen der direkt Betroffenen berücksichtig wurden und ob „eine denkmalrechtliche Genehmigung für die Anmutung im Straßenbild vorliegt“. Die Gemeinde sei „derzeit in der Projektfindung für die Sanierung des Bestandsgebäudes“. Mittelfristig werde auch eine Entwicklung des Gesamtstandortes geplant.

Gut gemeint heißt nicht gut gemacht. Das muss man nach den vielen Diskussionen um die neuen Toilettenanlagen wirklich sagen. Wie jemand auf die Idee kommen kann, so einsehbare Pinkelbecken zu konzipieren, die überall mitten in der Stadt aufgestellt werden, ist mir schleierhaft. Dass man da auch keine Sensibilität hinsichtlich der Standorte zeigt – vor Cafés, neben Märkten, neben Spielplätzen, direkt am Bürgersteig oder wie in diesem Fall vor einer Kirche -, ist es ebenso. Das immer wieder genannte Argument, dass man keine dunklen Ecken bieten wolle, damit dieses nicht ohne Weiteres von Drogenkonsumenten genutzt werden kann, finde ich nicht schlüssig. Diese nutzen es auch so, wenn sie es denn wollen. Öffentliche Toiletten sind so wichtig. Mit ein bisschen Fantasie hätte man bestimmt ein Modell bauen können, dass auf mehr Zustimmung gestoßen wäre.

Pech für Frauen. Allerdings hätte auch dieses wahrscheinlich die Geschlechterungerechtigkeit nicht beseitigen können. Die Frauen müssen halt immer zahlen, die Männer können das Pissoir umsonst benutzen. Bei einer Stadt wie Berlin und der häufigen Vermüllung und Zerstörung im öffentlichen Raum bin ich pessimistisch, ob man da für Frauen eine Gratis-Variante anbieten kann, wenn man einen einigermaßen hygienischen Standard bieten möchte. Ich halte es sogar für unmöglich. Aber wäre es eine Alternative zu sagen, dann sollen die Männer auch nicht umsonst dürfen? Ich finde nicht. Denn etliche von Ihnen stellen sich dann einfach an die nächste Häuserwand oder den nächsten Baum.